Mayu'ancha'yawar

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Lucius Scaevola argens, 2005

NOCH NICHT FORMATIERT

Der Todesschrei wurde zuerst zu einem Röcheln, dann erstarb er ganz. Katchmeks Arme waren bis zu den Ellenbogen gefärbt mit dem Blut seiner Opfer. Wieder und immer wieder hatte er auf sie eingehackt, ihr Flehen um ihr jämmerliches Leben ignorierend. Keiner hatte auf das Weinen seiner Kinder oder auf das Flehen seiner Frau Rücksicht genommen, als die Flotte der tönernen Krieger sein Land beschossen und die Erde verbrannt hatte. Keiner der fremden Eroberer war dort gewesen, um ihr Versprechen zu halten, daß sie gegeben hatten: dem Volk Schutz zu gewähren. Sie waren Schuld am Tod seiner Familie und nur das Blut vieler der Ihren konnte den Haß kühlen, der in Katchmek brodelte. Das Rot der Blutlust floß langsam aus Katchmeks Augen. Der ehemalige Pejon schaute sich zufrieden die Ernte einer Nacht an. In dem kleinen Bach, an dessen Ufer die fremden Reisenden ihr Lager in trügerischer Sicherheit errichtet hatten, wusch sich ihr Blut von den Armen. Dann nahm er sich alles, was ihm nützlich schien und überließ die Kadaver den Geiern und Bussarden. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]] Jemand applaudierte. Katchmek fuhr herum, bereit einem weiteren Feind das Leben zu nehmen. Ein Toquateke, gekleidet wie ein Suquay, lehnte an einem Baum. Sein Gesicht hatte die scharfgeschnittenen, klaren Gesichtszüge seines Volkes, aber seine Augen leuchteten gnadenlos und kalt: “Du bist der, den sie den ‚Schlächter’ nennen, oder?” “So nennt mich nur der Feind, Yurak2” Der Fremde zuckte nicht einmal mit einer Wimper, er ignorierte die Beleidigung: “Ich fühle mich geehrt dem Sammler so vieler FremdenSeelen zu begegnen. Mein Name ist Kalchun Qualpaq. Glaube mir: Dein Feind ist auch der meine.” “Ich habe von Deinen Taten gehört, kein BlutRuhm nur Egoismus spricht aus ihnen. Was willst Du?” Katchmek war kurz angebunden, ein Toquateke hatte sich nicht zu kleiden wie ein tizianischer Pfau. “Ich biete Dir einen Weg, Dein Blut mit dem mächtigsten Opfer zu kühlen, daß man in Xiduria finden kann. Ich könnte dies selbst vollbringen, aber Deine Taten machen Dich würdiger, als ich es je sein werde. Dir gebührt der Weg, den Protector zu töten und ich bin das Werkzeug, um an Dein Ziel zu gelangen.” [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]] Das Mahl war klein und frugal. Nicht mehr als 100 Beamte und Würdenträger aus dem Imperium waren anwesend und es wurden kaum mehr als 20 verschiedene Gerichte serviert. Scaevola lag an der Kopfseite des Raumes zu Tisch und repräsentierte. Dabei schweiften seine Blicke durch die Runde und beobachteten jeden einzelnen der Gäste. Die meisten, feiste Wolsen oder dekadent gewordene Einheimische, stopften die erlesenen Köstlichkeiten in ihren gierigen Schlund. Nur wenigen war die Sache eher unangenehm. Ihnen war bewußt, daß solche Festmähler durch die hemmungslos angehobenen Steuern finanziert wurden, die der Protector erhoben hatte und die das Volk einem Mühlstein auf der Brust gleich belasteten. Einzelne der Gäste hatten zudem Probleme den Haß, den sie nährten, nicht an die Oberfläche zu lassen. Die beiden letzten der Gruppen waren potentiell interessant für den Protector. Sie konnten für den Widerstand rekrutiert werden, sofern dies nicht sogar schon geschehen war. Aber nicht heute, nicht während eines offiziellen Essens. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]] Es war schon spät, als sich der Protector sich zurückzog. Repräsentieren hieß mit wenig Schlaf auskommen, daran war er gewöhnt, besonders, da er sich auch noch die Zeit stehlen mußte, den Widerstand in rechte Bahnen zu lenken. Scaevola ging den düsteren Gang zu seinen Gemächern entlang. Alles schien wie immer, aber jahrelange Erfahrung im Zwielicht ließ ihn spüren, daß dem nicht so war. Noch konnte er nicht genau sagen, was ihn störte, aber die Bedrohung war fühlbar. Etwas ballte sich wie düstere Wolken an einem Sommertag zusammen, bereit jeden Moment als Sturm loszubrechen. Der Protector öffnete wie immer die Zimmertür, tat eine Schritt in den Raum. Dann ließ er sich fallen und rollte sich ab. Das Hackmesser, bestimmt Zuckerrohr zu schneiden, verfehlte ihn nur knapp. Schweigend, aber mit einer Geschicklichkeit, die viel Übung erforderte, bedrängte der Angreifer den Protector. Viel war in dem Dunkel von ihm nicht zu erkennen, doch der in den Augen lodernde Wahnsinn war unübersehbar. Scaevola konnte nicht mehr tun, als den Schlägen ausweichen. Um Hilfe rufen war Zeitverschwendung. Bis die Wachen den Raum erreicht hätten, hätte der Meuchler sein Ziel erreicht. Nicht, daß Scaevola seinen Gegner nicht hätte ausschalten können. Einen vergifteten Bolzen aus seiner silbernen Hand hatten die Wenigsten überlebt, aber der Protector wollte seinen Angreifer noch befragen und Nekromantie war noch nie sein Steckenpferd gewesen. Nun, er hatte noch andere Tricks auf Lager. Aus der Handwurzel der Prothese schoß ein kleiner Wurfanker an einem Draht und krallte sich in den Wandteppich direkt hinter dem Angreifer. Ein kräftiger Zug und das teure Stück fiel über den Fremden. Zu mehr war der Haken auch nicht fähig. Scaevola bezeichnete ihn gerne als Fehlkonstruktion. Der Verankerung der Hand war nicht in der Lage, Scaevolas Gewicht zu halten, sollte er versuchen, sich mittels des Hakens vor einem Absturz zu bewahren. Solche Erfahrungen waren mehr als schmerzhaft, denn meisten hatte Scaevola am Boden gelegen, die Hand aber hing mehrere Lanzen über ihm. Die plötzliche Nacht überraschte den Meuchler und ein Kinnhaken mit der silbernen Hand besorgte den Rest. Die Tür wurde aufgestoßen und Bewaffnete stürzten herein. Die Wachen hatten tatsächlich bemerkt, daß etwas nicht stimmte. Bevor sie noch etwas sagen konnten befahl der Protector: “Bringt ihn in den Keller, bindet ihn und laßt uns dann alleine. Ich will das Vernügen der Befragung selbst genießen!” [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]] Gespenstische Schatten flackernder Fackeln an der Wand unterstrichen die Atmosphäre der Folterkammer. Hier gab es alles, was zur schmerzhaften Wahrheitsfindung dazugehörte: glühende Eisen, eine Streckbank, Maschinen zum Quetschen eines jedwegen Körperteils und ebensolche zum Dehnen. Scaevola hatte den Meuchler auf die Bank binden lassen, seine Gehilfen bereiteten alles weitere vor, dann schickte sie der Protector aus dem Raum und verschloß die Tür. Der haßerfüllte Blick Katchmeks folgte ihm während er in der Kammer hin und herschritt und mal dieses, mal jenes Instrument begutachtetete. “Ich denke, ich habe von Dir gehört”, wandte Scaevola sich wie beiläufig an den ehemaligen Bauern: “Die tönernen Krie- ger haben Deine Familie getötet und Du gibst dem Reich die Schuld. Ich sehe Wut und Schmerz und grenzenlosen Haß in Deinem Gesicht.” Katchmek erwiederte kein Wort. “Wäre ich Du, würde ich mich an denen rächen wollen, die mir dieses Leid angetan haben, aber deswegen bist Du ja berühmt geworden, Schlächter.” Erneut keine Antwort. “Ich würde mich an meinen Feind schleichen und versuchen, ihn zu töten. Und gelänge dies mir nicht, dann würde ich sterben und kein Laut des Schmerzes oder der Wut käme über meine Lippen, wenn meine Feinde mich marterten.” Der Protector sah seinen Gefangenen erneut an: “Ich würde meinem Feind mißtrauen, besonders , wenn er behauptete, er hätte nur auf Befehl gehandelt und daß wäre eigentlich meine Freund. Würde er mir anbieten, mit einem großen Heer über das Meer zu fahren, um mehr Yurak zu töten, als ich je zu träumen gewagt hätte, würde ich freudig zustimmen. Geduldig würde ich sein, bis sie mich losketten. Dann würde ich mir eine Waffe erobern und vollenden, was ich geplant habe.” Der haßerfüllte Blick folgte dem Sklaven, während er weiter sinierend auf und ab ging. “Dies würde ich tun, wenn ich der Schlächter wäre. Ich persönlich würde Dich gerne freilassen, aber dann würdest Du weiter morden, obwohl Du tot sein müßtes. Also muß ich Dich töten, aber das wiederstrebt mir, denn eigentlich bist Du mein Produkt und ich denke, ich kann Dich noch nutzbringend einsetzen.” Eine verborgene Tür öffnete sich und eine dunkle, hagere Gestallt trat ein. Sie näherte sich dem Gefesselten und begann unverständliche Silben und Worte zu murmeln. Katchmek spürte, wie sich ein Nebel um seine Gedanken legte, dann verlor er das Bewußtsein. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]] Tarakan, Söldner und Admiral einer Flotte aus steinernen Schiffen war zufrie den. Die letzten Teilnehmer der Expedition waren vor der Flut an Bord gekommen: Sternengesicht hatte ihnen als Anführer der Expedition seinen besten, vertrauenswürdigsten Mann geschickt. Es war der, den sie überall den “Schlächter” nannten. Tarakan fragte sich, warum Sternengesicht nicht selbst die Leitung übernommen hatte, aber er wurde schließlich nicht für das Fragen bezahlt. Er hatte auch nicht gefragt, als ein alter Fischer an Bord kam, den der “Schlächter” wie einen Admiral behandelte. Sie hatten die Yddia sudlich umrundet, als der Fischer ein Zeichen gab. Die Flotte wendete auf den Endlosen Ozean hinaus, fuhr nicht die normale Route über den Pol. Tarakan und seine Männer waren beunruhigt, doch Sternengesicht lächelte: “Alte Welt! Gib acht, wir kommen!” Epilog Die Welt sah von hier oben winzig aus. Kalchun Qualpaq genoß den Ausblick vom höchsten Balkon des Turmes. Er war gerne hier, denn dieser Ort repräsentierte Entschlossenheit, absoluten Gehorsam und Macht und vor allem die Macht zog ihn an. Eine Tür öffnete sich. Qualpak drehte sich langsam um und erwies dann dem Eingetretenen die Ehrerbietung. “Berichte, mein Sohn.”Die Stimme war leise, doch kraftvoll. Qualpaq räusperte sich: “Der Plan den Protector direkt anzugehen schlug fehl,wie vorhergesehen, der Attentäter starb dabei. Da er nichts wußte, konnte er auch nichts preisgeben.” Er ließ eine kleine Weile verstreichen, bevor er fortfuhr: “Unser Langzeitexperiment ist vielversprechend angelaufen. Der Protector ist zwar unserem Werkzeug nicht verfallen, aber er mißtraut ihr auch nicht wirklich. Die Kleine glaubt damit wirklich ihrem Dorf zu helfen, wenn sie Scaevola die Tropfen im Essen verab reicht. Wie gewünscht ist es ein langsam wirkendes Gift, dessen Ergebnis erst in einiger Zeit zu sehen sein wird, aber wir haben Zeit. Unser Kontakt im Reich des Feuers hat schon seine Beziehungen spielen gelassen. Es wird alles geschehen, wie von uns geplant.” “Gut gemacht, mein Sohn”, damit entließ der Erste der Torréon seinen Untergebenen.