Endspiel - Secunda Acies
Debora Jarosch, Michael Brum, November 2009
In den letzten Tagen hatte Lucius Scae- vola zu oft dieses Bild vor Augen gehabt. Ein Feld voller Leichen, jede einzelne zer- hackt und niedergemetzelt. Es kam ihm wie ein Dejá Vu vor, doch gab es diesmal einen Unterschied. Vor ihm lag der von N'ga Nova ausgezogene Mob im eigenem Blut. Die Truppen des Imperiums hatten den Wettlauf gewonnen, hatten vor ihm die Menge aus Bauern und Dockarbeitern erreicht, die aufgebrochen war, um in ge- rechtem Zorn die Besatzer aus dem Land zu treiben. Eine Hammelherde, bereit, sich den gut ausgerüsteten, perfekt dis- ziplinierten Raubtieren der Legion zu stellen, gewiss, das ihre gerechte Sache den Sieg bringen würde. Ein Irrglaube. Scaevolas Truppen hatten tagelang ver- sucht, den Mob einzuholen, ihn vor der völligen Vernichtung zu bewahren, aber vergebens. Die Götter schienen dem Auf- stand nicht gewogen. Erst zwangen sie den ehemaligen Protector zu handeln, be- vor er bereit war, und dann konnte er das Massaker nicht verhindern. Aber auch, wenn er nicht glücklich über die Situation war, die Götter hatten bestimmt, daß das Spiel begonnen hatte und er war gewillt, es zu gewinnen. „Herr, die Spurenleser sind zurück“, meldete die Wache. „Herein mit ihnen“, entgegnete Scaevola. Eine kleine Gruppe von Chinche Jägern trat ein. „Herr, die Legionäre ziehen weiter nach Sud. Die Spuren sind eindeutig. Sie wollen nach N'ga Nova“ Diese Nachricht war nicht das, was er hören wollte. Hatte Scylla, dieser Wahnsinnige, nun auch noch vor, den einzigen Seehafen der Provinz Di- thorno zu brandschatzen? Scaevola be- fand sich in einem Dilemma: Er konnte seine Truppen nicht ein weiteres Mal tei- len. Caligula Lupus sollte in wenigen Ta- gen in Dithorno die verbleibenden Trup- pen ausschalten, und dann mußte Scae- vola dort sein, sonst war der ganze Plan umsonst. N'ga Nova schien ein Opfer, das zwar teuer und nicht erwartet, aber not- wendig war. „In einer Stunde brechen wir auf! Gen Dithorno“, ließ er seine Offiziere wissen. \ Einige der Ihren waren gefallen, doch die meisten Toquateken hatten sich viel Respekt verdient. Zufrieden blickte Ch'aska'manka von der kleinen Anhöhe, die sie sich als Aussichtspunkt auser- koren hatte, über ihre Armee, ihre Kin- der. Die Ernte verlief überaus befriedi- gend, ihr Vater, Baba Croqua, würde sich nach dem bevorstehenden Ritual zufrie- den vollgestopft seinen vollen Bauch streichen. Während sie vom Hügel herabstieg und sich ihren Weg durch die weitermar- schierenden Toquateken und ihre vor sich her getriebene Ernte bahnte, - nun, bahnen mußte sie sich ihren Weg eigen- tlich nicht, wich doch jeder einzelne ent- weder aus Ehrfurcht oder einfach nur aus Furcht vor ihr zurück – warf sie einen Blick gen Himmel, wo Ramatatl, die Son- ne, auf seinem Weg über das Firmament hell und strahlend stand. Bald, ja bald würde sich Ramatatl mitten am Tag ver- finstern, bald würde Baba Croqua selbst die Sonne für einige Minuten verdunkeln, so groß war seine Macht. Und seine Kin- der würden ihm huldigen, in einem gi- gantischen Ritual, und all die geernteten Legionäre sowie Chinche-Männer -Frau- en und -Kinder opfern, auf daß er sich an ihren blutigen, noch pochenden Herzen sattessen möge. Zuerst hatten sie nur ein paar Sied- lungen überfallen. Schon beinahe lang- weilig war dies gewesen, keine nennens- werte Gegenwehr, und bis auf die klap- prigen Alten und fußlahmen Gebrech- lichen oder die zu Jungen hatten sie alle mitgenommen, die den Marsch bis in die Heimstatt der Toquateken durchhalten würden. Schließlich mußte die Ernte frisch genug sein, um ihren Vater zu be- friedigen, man wollte ja auch nichts ver- schwenden. Der zurückgelassenen Rest wurde aber bei Leibe nicht lebendig zurückgelassen, sondern wurde genüss- lich, langsam und qualvoll getötet. Im Weitergehen kam Ch'aska'manka an einer Gruppe aneinandergebundener Frauen mit ihren größeren Kindern vor- bei. Sie jammerten erbärmlich, ver- stummten aber und schreckten vor ihr zurück, als sie sie wahrnamen, war sie in dem von dem Sumi genommenen Feder- mantel doch mehr als auffällig. Ch'as- ka'manka zog verächtlich einen Mund- winkel herunter. Dieses simple Bauern- volk hatte einfach kein Rückgrad. Dann waren sie jedoch auf eine Legion der Besatzer gestoßen. Baba Croqua hatte sie gewiß zu ihnen geführt! Um so viele erstklassige Opfer zu ernten, hätten sie auf herkömmlichem Wege deutlich län- ger gebraucht. Auch das Ernten war in diesem Fall alles andere als langweilig ge- wesen. Diese Opfer wehrten sich tapfer, doch es nützte ihnen nicht viel. Entkom- men waren nur wenige Legionäre, doch nun hatten sie genug von ihnen geerntet und konnten sich auf den Heimweg ma- chen. Zu Ch'aska'manka Rechten kam jetzt eine Reihe ehemaliger Legionäre in ihr Blickfeld. Viele von ihnen bluteten an unterschiedlichen Stellen und der Groß- teil hatten einen zertrümmerten Waffen- arm, irgendwie mußte man sie ja gefügig machen. Die Reihe war lang, und der To- quateke, der das vordere Ende des Seiles, mit dem sie zusammengebunden waren, hielt, sah verdienter Maßen stolz drein. Mit so vielen geernteten Opfern hatte er sich Respekt verdient und einen Namen gemacht. Ch'aska'manka beäugte den Krieger mit dem langen schwarzen Haar, in das kleine Reptilienknochen einge- flochten waren, einen Moment lang sin- nierend. Vielleicht wäre er ein Kandidat für den Teil des Rituals, in dem sie, knie- tief im Blut der Geopferten stehend, ih- rem Vater auf andere Art des Fleisches huldigen würde... doch sie hatte noch ge- nug Zeit, sich über diesen Teil klar zu werden, sie würde noch genug erfolg- reiche Krieger begutachten können. Die kleine Frau mit den leuchtend blau- en Augen war überaus glücklich. Ihr Va- ter mußte zufrieden mit ihr sein, denn so lange hatte sie noch nie wach sein dürfen. Sie hoffte, dass er sie nach diesem Ritual nie wieder schlafen schicken würde. Als sie den Anfang des Zuges erreicht hatte, gab sie den Befehl zum Aufbruch. Sie hatten nicht mehr viel Zeit bis zum Ritual, und der Weg war noch weit, wenn man so viel langsam laufendes Erntegut vorantreiben mußte. \ Centas Valerius war kurz davor, den Mut zu verlieren. Seit Tagen irrte er durch das verwüstete Land in der Hoffnung, den Mann zu finden, von dem er glaubte, er und nur er können die Bestie aufhalten. Aber trotz all seiner Bemühungen war es ihm nicht gelungen, Lucius Scaevola ar- gens zu finden. Die Gerüchte über seinen Tod schienen wahr zu sein. Andererseits hatte der ehemalige Protector den Ruf, mit allen Wassern gewaschen zu sein. Mit einem Aufruf der Verärgerung schlug sich Valerius selbst mit der flachen Hand vor die Stirn. Natürlich. Wo würde mann den am meisten gesuchten Mann der Kolonie am wenigsten vermuten? In Dithorno selbst. Vor allem, nachdem die Stadt mehrfach nach ihm durchsucht worden war. Er wendete sein Pferd und gab ihm die Sporen. Seine Eile hatte ihn unacht- sam werden lassen. Hinter dem nächsten Hügel ritt er geradewegs in die Vorhut der Entsatztruppen. \ Wenn es etwas gab, was Caligula Lupus an seiner Arbeit hasste, dann waren es Abwasserkanäle. Das Heranpirschen, das Lauern und Warten auf die Beute war Teil seiner Natur, aber in eine Stadt ein- dringen durch stinkende Kloake waten war ihm immer schon zuwieder gewesen. Aber es war der einzige sichere Weg nach Dithorno, zumindest der einzige, den Scaevola ihm verraten hatte. Er war sich sicher, daß es mehr als ein weiteres Dut- zend Arten gab, in die Stadt einzudrin- gen, ohne gesehen zu werden. Zugege- ben, dies mit viertausend Söldnern in voller Montur zu versuchen, war eine Herausforderung, also blieb nur der Un- rat. Scaevola hatte seine Stadt vorraus- schauend geplant. Niemals zuvor hatte Lupus eine Stadt gekannt, in deren Zisternen genug Platz für eine Armee ein- geplant war. Und das, ohne die Funktion der Zisterne zu beeinflußen. Was Lupus jedoch noch mehr beeindruckte war die Tatsache, daß die Machthaber der Im- periums von diesen kleinen Extras in ih- rer Stadt nichts wußten. Seit gestern la- gerten sie jetzt hier und warteten auf das Zeichen zum Losschlagen. Und dann Gnade der Legion. \ „Wer geht da!“ erschallte der Ruf der Wache. „Centas Valerius! Sonderauftrag!“ Valerius hatte gehofft, mit dieser gebell- ten Antwort unbehelligt passieren zu können. Er verfluchte sich selbst, so un- aufmerksam gewesen zu sein. Doch er hatte kein Glück. Die Vorhut bestand da- rauf, ihn zum D'ascas der Legion zu brin- gen. Allerdings sah eine Legion norma- lerweise imposanter aus. Diese Truppen waren vor nicht allzu ferner Zeit in ein Gefecht verwickelt gewesen. Überall stüt- zen sich Verwundete auf ihre Pilen. Das Geschrei von Sterbenden schallte aus den Trosswagen an sein Ohr. Diese Legion war auf dem Rückzug, war auf der Flucht. Doch vor was oder vor wem? Valerius näherte sich einer provisorisch gezimmerten Sänfte, die zwischen zwei Pferde gespannt war. Er sah hinein und erblickte einen tödlich verwundeten D'as- cas, der sich im Fieber schüttelte. Der D'ascas schien einen klaren Moment zu haben: „Seid ihr die Verstärkung?“ „Nein, Herr. Ich bin Centas Velarius, un- terwegs mit einem Sonderauftrag. Sagt, Herr, was ist hier geschehen?“ Der D'as- cas hustete, und nachdem ihm Valerius etwas Wasser eingeflößt hatte, begann er: „Erst trafen wir auf die Aufständigen Bauern. Es war ein Spaß zu sehen, wie wir sie niedermähten...“ Er hustete: „Ihr versteht? Bauern....Niedermähen? Das mit anzusehen, hätte dem Protector ge- fallen. Dann zogen wir weiter. Unsere Strafexpedition sollte auf dem Weg nach N'ga Nova alles niedermachen, was wir an einheimischen Unrat finden würden. Aber wir gerieten in einen Hinterhalt. Auf einmal waren überall Toquateken. Wir konnten sie zurückschlagen, zahlten aber einen hohen Blutzoll. Ich bin der letzte lebende ranghohe Offizier. Und ich werde den Tag nicht überleben. Egal, was euer Auftrag ist, ich bitte euch, bringt meine Jungs heil nach Hause. Versprecht mir das.“ „Ich...“, versuchte Valerius anzusetzen, doch der Sterbende fiel ihm ins Wort: „Versprich es!“ „Ich gebe Euch mein Wort, ich werde al- les tun, um die Truppen sicher nach Hau- se zu bringen“. „Dann ist es gut...“ Mit diesen Worten und einem Lächeln hauchte der D'ascas seinen letzten Atemzug. \ Sie hatten es fast geschafft. Sie hatten ei- ne Armee durch Feindesland geführt, oh- ne bemerkt worden zu sein. Nur noch ei- nen Tagesmarsch, dann würden sie di- rekt vor den Toren Dithornos stehen. Scaevola war zufrieden. Jetzt war es an der Zeit, Bescheid zu sagen, denn unent- deckt würde die 20.000 Mann auf diesem Teil der Strecke nicht bleiben. „Holt mir die Zwillinge!“ befahl der Ex- sklave. Nach wenigen Augenblicken tra- ten ein Mann und eine Frau in das Zelt. Scaevola wandte sich an den Mann: „Erorn, bitte teile Lupus mit, daß wir morgen am Ziel sind.“ „Mein Bruder ist schon auf dem Weg zu ihm.“ „Und Du, Maitli, Deine Schwester muß ki'Ansi informieren. Der Aufstand be- ginnt morgen.“ \ „Caligula Lupus, ich habe Nachrichten.“ „Ich höre, Alkis“ entgegnete der Assa- sine. Alkis räusperte sich: „Es geht los.“ \ „Herr! Herr! Eine Armee, nur noch we- nige Stunden entfernt“. Scylla war im er- sten Moment verblüfft, dann übernahm sein Temperament die Oberhand. „Wie konnte das geschehen? Ich werde die Verantwortlichen kreuzigen lassen!“ Der Überbringer der Nachricht ging durch ei- nen Schlag zu Boden. „Wer ist es? Sind die Truppen in Alarm versetzt worden, und stehen sie bereits auf den Mauern? Warum nicht?“ Er trat den am Boden lie- genden mit voller Kraft. „Meine Rüstung! Mein Schwert! Ich werde diese Aufstän- digen zertreten wie Ungeziefer. Ich werde es euch zeigen, was es heißt, Scylla her- auszufordern!“ \ Dithornos Mauern waren neu. Die ganze Stadt war neu. Niemals zuvor war sie an- gegriffen worden, noch erobert worden. Zumindest das neue Dithorno nicht. Das alte hatte der Reiter der Finsternis in ei- nen See verwandelt. Nun schien es, als ob die Mauern Dithornos ihre Feuertaufe er- halten würden. Die verbliebene Stadt- garnison von Dithorno hatte die Wehr- gänge besetzt. Das Öl wurde angeheitzt, die Katapulte überprüft und einsatzbereit gemacht. Wieder einmal zeigte sich, daß die Soldaten des Imperiums zu den bes- ten Magiras gehörten. Und doch... Keiner bemerkte die Männer, die unter den Straßen auf den Befehl zum Zuschlagen warteten. \ Neutral betrachtet ist eine Armee von 20.000 Mann, die ihr Lager vor einer Stadt aufgeschlagen hat, ein imposanter Anblick. Die Bewohner der Stadt selbst sehen die Sache anders. Für sie ist der Anblick eher erschreckend. Die Einwoh- ner Dithornos waren verängstigt. Scylla hatte eine Ausgangssperre verhängt. Da- her waren die Straßen wie leergefegt. Nur noch Legionäre bestimten das Bild. Scylla stand auf den Mauern beim Haupttor und sah auf seinen Gegner hinab. Gewiss, die Feinde waren zahlreich, doch er ver- traute den Mauern, seinen Truppen und seinem eigenen Genius. Dazu kam, daß der Imperator auf seiner Seite stand. Die- se imposante Gestalt in schwarzer Rüs- tung mit den flammenden Augen, die ihm, Scylla, befohlen hatte, das Ge- schmeiß dieser Erde zu vertilgen. Sollten sie doch kommen, er war bereit ein weiteres Mal zu siegen. Von der Belagerungsarmee löste sich ein kleiner Trupp, das unter dem Zeichen der Parlamentäre näher kam. Sie zügelten die Pferde in Rufreichweite. Dann begann ei- ner der Reiter, zu sprechen: „Ich bin Lu- cius Scaevola argens, rechtmäßiger Pro- tector der Provinzen des Imperiums. Ich fordere Dich auf, Marcus Tiberius Scylla, die Waffen zu strecken und mit Deinen Truppen abzuziehen. Ich gebe Dir mein Wort, Dir und Deinen Truppen wird kein Leid geschehen.“ Scylla grinste. „Schießt sie ab!“ Ein Hagel von Pfeilen verdunkelte das Mondlicht, ging auf die nieder, die sich als Parlametäre sicher fühlten. Die ersten Pfeile erreichten ihr Ziel, doch sie prall- ten ab. Eine Wand aus Licht schützte die Gruppe, die nun ihre Pferde herumriß und davon galoppierte. Kaum hatte Scaevola die schützenden Reihen erreicht, brüllte er nur: „Lupus! Ki'Ansi!“ \ Dann brach in der Stadt die Pforte zur Unterwelt auf. Lupus und seine Söldner fluteten aus der Kanalisation. Der Kampf begann. Caligula bewegte sich mit dem Geschick und der Eleganz einer großen Raubkatze und mähte jeden nieder, der seinen Weg kreuzte. Scylla trat an die Brüstung des Wehrgangs: „Meine Kinder! Meine Kinder! Hört doch auf, zu kämp- fen. Wir sind doch alle eine Familie!“ Er blickte sich um, und sein Blick war der ei- nes gütigen Vaters. „Legt die Waffen nie- der. Ich will nicht, daß euch etwas Böses geschieht.“ Er machte eine Pause: „Ich lie-be euch.“ Die Söldner hielten inne, sahen Scylla an. Ihr Blick glich dem liebender Kinder für ihren fürsorgenden Vater. Dann be- fahl Scylla seinen Männern: „Schlachtet sie ab!“ \ Vor den Mauern Dithornors wartete Scaevola voller Ungeduld darauf, daß sich die Tore der Stadt öffnen würden. Nichts geschah. Etwas ging schief. Es blieb nur eine Möglichkeit. Scaevola gab den Befehl zum Angriff. \ Etwas war falsch. Waren es die Schreie oder der Geruch des Blutes, Lupus wußte es nicht. Aber etwas war falsch daran, als dieser Mann, der sein Bruder war, auf ihn zu kam, mit erhobenem Schwert in der Hand. Sein Bruder schlug zu, Lupus rea- gierte mit dem Instinkt eines Raubtiers. Der Legionär sank zu Boden. Lupus schüttelte sich, seine Gedanken wurden klar. Um ihn herum sah er seine Männer in ihrem Blut am Boden liegen. Mit ei- nem Fauchen sprang er los, hechtete die Treppen zur Mauerkrone hinauf. Drei Le- gionäre, die ihm dabei im Weg standen, sanken tödlich getroffen zu Boden. Dann standen die Bestie und die Raubkatze sich gegenüber. Scylla befahl seinen Män- nern, zurückzubleiben. Er zog sein Schwert und griff an. Funken sprühten, und Schläge wurden in einer solchen Ge- schwindigkeit ausgetauscht, daß des Menschen Auge ihnen nicht folgen konn- te. Beide Gegner schenkten sich nichts, und nach nicht allzu langer Zeit bluteten beide aus mehreren Wunden. Erschöpft keuchend umkreisten die Beiden ein- ander, immer auf der Suche nach einer Lücke in der Deckung des Anderen. Er- neut traf Stahl auf Stahl. Keiner gab nach. Beide hatten den eisernen Willen zum Sieg, und keiner hielt sich an die Regeln eines zivilisierten Duells. In diesem Kampf war alles erlaubt, in diesem Kampf galt das Gesetz des Dschungels. Nur der Stärkere konnte, durfte überle- ben. Doch welcher von Beiden Sieger sein würde, war nicht auszumachen. Immer und immer wieder trafen sich die Beiden, trennten sich wieder im Ballett der Klingen. Nur das Klingen wolsischen Stahls, der auf xidurische Schmiedekunst traf, erschallte als Musik des Infernos durch die Stadt und gab den Takt der Vernichtung vor. Keiner der Umstehen- den vermochte zu sagen, ob die beiden Kontrahenten nur Augenblicke oder gar Tage den Reigen des Todes miteinander tanzten. Caligula Lupus war siegessicher. Scylla, Jahre älter als der Meuchler, schienen die Kräfte langsam zu verlassen. Es wurde Zeit für das Finale. Ein Hieb nach Links, eine Finte nach rechts, dann sollte der Todesstoß erfolgen. Doch es kam anders. Anstelle des Wolsen war es Lupus, den Schmerz durchflutete. Scylla hatte ihn ge- täuscht und ihm sein Kurzschwert in die Eingeweide gerammt. Blut strömte aus der Wunde, lief die Treppen hinunter, ei- ner Cascade gleich. Lupus sackte zusam- men. Jeder Atemzug brannte, und er spürte wie ihn die Kraft verließ. Scylla hatte die Arme in Siegerpose erhoben, ließ sich von seinen Männern bejubeln. Der Assasine spürte, daß er sich an- schickte, den Wind der Klingen zu reiten, aber dazu war er noch nicht bereit. Er hatte einen Auftrag angenommen, und seine Ehre verbot ihm, ihn unbeendet zu lassen. Scylla fuhr herum. Ein Brüllen, wie aus der tiefsten Hölle entstanden, ließ ihn zusammenzucken. Dort, wo er den sterbenden Gegner vermutete, be- fand sich nun ein gigantischer, schwarzer Ocelotl. Schwarzes Blut floß aus eine töd- lichen Wunde, doch hinderte diese die Katze nicht, sich auf ihren Gegner zu stürzen. Der Aufprall war heftig, und die Wucht des Sprunges trieb sie über die Krone der Mauer. Endlos schien der Sturz, dann prallten Wolse und Toqua- teke auf die Felsen außerhalb der Stadt. Jeder Knochen in Scyllas Leib war ge- brochen. Sein Leben würde nur noch wenige Herzschläge dauern. Röchelnd, in unmenschlicher Anstrengung, zog er ei- nen Arm unter der toten Katze hervor und reckte ihn gen Himmel. „Imperator!“ Nur ein Röcheln verließ seine Kehle: „Va- ter! Hilf mir!“ Doch das einzige, was er sah, war der schwarze Reiter, der, laut über die Torheit der Menschen lachend, durch die Luft zu neuen Schlachtfeldern aufbrach. \ Der Rest war ein Kinderspiel. Die Legi- onen, entmutigt durch den Tod ihres An- führers, hatten die Tore geöffnet. Sie alle wirkten, wie aus einem langen Schlaf er- wacht. Widerstandslos ließen sie sich ent- waffnen und in ihren Kasernen einsper- ren. Die Bevölkerung war noch nicht in der Lage, zu begreifen, daß das Joch der Legion gebrochen war. In den nächsten Tagen würde es viel Arbeit bedeuten, Ru- he und Frieden wieder herzustellen und private Rachefeldzüge zu vermeiden. Caligula Lupus, der sein Leben gegeben hatte für die Freiheit, wurde in allen Ehren in der Ratshalle des Protectoren- palastes aufgebahrt. Scaevola würde sich erst viel später darüber klar sein, wie sehr er dieses wortkarge Rauhbein vermissen würde, einen Freund, den er viel zu spät kennen und doch schätzen gelernt hatte. \ An Schlaf war nicht zu Denken. Zu viel war geschehen. Das Ende des Aufstands, zumindest in Dithorno - die Neuigkeiten aus Tizio standen noch aus, - der Tod Scyllas und das Opfer Caligulas und auch der Fremde, der die Hydra gerettet hatte, alles hatte seine Eindrücke hinterlassen. Diese Nacht beendete jahrelange Arbeit und Gefahren, und sie hatten gewonnen, etwas, an das Scaevola nicht mehr zu glauben gewagt hatte. Sie hatten gewon- nen, sagte er sich immer wieder, sie hat- ten gewonnen. Letztendlich übermannte ihn doch noch die Erschöpfung. Er erwachte an einem vertrauten und doch fremden Ort. Hier war schon lange nicht mehr gewesen. Ein Thron aus Feu- er, die Wände geformt aus flüssiger Lava. Auf dem Thron saß eine Gestalt in schwarzer Rüstung. Feuer schien aus den Öffnungen des Helms zu lodern. Scaevola erschrak. Er war im Sanctum, er stand vor dem MAGHAN. „Herr,“ setzte er an, doch ein Geste brachte ihn zum Schweigen. Ein Stimme, allmächtig und doch voller Bewunde- rung, erschallte in seinem Kopf: „GUT GEMACHT!“