Apocalypse Now
Stefan Fehres, April 2007 „Nur die Toten haben das wahre Antlitz des Krieges gesehen“ (Plato) Der Lärm war ohrenbetäubend. „Mit ihren Trommeln, Muschelhörnern und Pfeifen aus Menschenknochen machen die Aufständischen mehr Krach, als eine ganze Legion, die in die Schlacht zieht!“, dachte der Centas Markus Gracchus und schaute in die Runde seiner Hastatt, die zum Gefecht in vier Reihen zu 25 Mann bereit stand. Die leichten Pilen wurden noch in der Hab-Acht-Stellung gehalten, da sich die vermeintlichen Gegner bisher in einem Waldstück verbargen, das auf einer Anhöhe lag. Dem Centas war unwohl, da er die Höhe hinauf angreifen musste und die Sonne seinen Legionären direkt in die Augen schien. „Es sind nur Chinche!“, ging es dem Centas durch den Kopf, „mit Macheten und Sensen, vielleicht ein paar rostigen Speeren und ein paar Jagdbögen.“ Trotzdem bedauerte es der Centas jetzt, das er keine Bogenschützen dabei hatte. Obwohl ihm aus dem Stab nach dem Vorfall mit dem Steuereintreiber eine Einheit angeboten worden war, hatte er dies als nicht notwendig abgelehnt. Ein Hastatt kampfgehärteter Veteranen aus der Alten Welt würde mit ein paar Rebellen kurzen Prozess machen, da hatte der Centas keinen Zweifel. Seit Wochen war er nun auf der Suche nach dem vermeintlichen Aufstand durch die Umgebung von Dithorno gezogen, doch ausser rostigen Macheten und ein paar Bögen, die die Einheimischen zur Jagd benutzten, hatten sie nicht das Geringste gefunden. Natürlich waren die Dörfer nicht erfreut darüber gewesen, das die Einheit sich aus den Schätzen des Landes bedienen musste, um ihre Versorgung sicherzustellen, doch die Versorgungslager für die Legion in Dithorno waren leer gewesen, bis auf ein paar Spinnweben. Dabei hatte die Einheit auch ein wenig Porzellan zerbrochen, wenn die Chinche ihren Wünschen nicht mit der notwendigen Eile und Sorgfalt nachgekommen waren. Doch die Befehle des D’Ascas Marcus Tiberius Scylla waren eindeutig, und wer war der Centas Markus Gracchus, diese in Frage zu stellen? Dann wurde ein Steuereintreiber der Legion überfallen und dieser mitsamt seiner ganzen Entourage niedergemetzelt. Markus Gracchus hatte die verstümmelten Leichen mit eigenen Augen gesehen. Man hatte ihnen die Geschlechtsteile abgeschnitten und ihnen ihn die vom Grauen offenen Münder gesteckt, die Augen ausgestochen und sie bis auf die nackte Haut ausgeplündert. Eine Horde abtrünniger Chinche, so wurde ihm von einem Meldereiter aus Dithorno gemeldet, und so machte sich das Hastatt mit einem einheimischen Führer auf den Weg, diejenigen zu verfolgen und zu bestrafen, die es gewagt hatten, die Hand an einen Vertreter des Imperators zu legen. \ „Bauernpack!“, sagte einer seiner Codar neben ihm leise, und Markus Gracchus zuckte nur mit den Schultern. Langsam schaute der Centas in die Gesichter seiner Veteranen, keiner verzog die Miene, ihre Blicke wurden gerade und sie reckten die Brust stolz nach vorne, wenn sie der Blick ihres Centas traf. Dann trat plötzlich Ruhe ein. Nur die erschreckten Tiere des Waldes brüllten noch laut und vernehmlich, während ein kühlender Luftzug über die angetretene Hastatt strich. Zwei Männer traten in Pilumreichweite aus dem Wäldchen und betrachteten die angetretenen Legionäre. Der eine schien uralt zu sein, so gebeugt und verrunzelt waren seine Haut und sein Antlitz. Er trug einen völlig verschmutzten Lendenschurz, und sein Körper und Gesicht war vollständig von schwarzen Tätowierungen bedeckt. Die wenigen verbliebenen Haare des Mannes schienen, vor Schmutz starrend, nach allen Seiten abzustehen. Er trug eine Maske aus einem grünen Material, wahrscheinlich Jade, an einem Band um den Hals gebunden. Die Maske war einem Krokodilsgesicht nachempfunden, und hier und dort blitze es auf, als wären Teile der Maske vergoldet. An einem weiteren Lederband trug er ein Messer in einer vergoldeten Scheide. Das runzlige Gesicht des alten Mannes war durch einen riesigen Jadepflock verunziert, den der Mann sich durch die Unterlippe getrieben hatte. Goldene Pflöcke steckten jeweils in den Ohrläppchen, die hierdurch unnatürlich verlängert waren. Der andere Mann war von größerer und athletischerer Gestalt. Er trug einen Anzug aus Adlerfedern. Auf dem Rücken waren die Schwingen eines Adlers angebracht. Die Füße steckten in kunstvollen Schuhen, die die Krallen eines Adlers nachbildeten. Am meisten beeindruckte den Centas jedoch die kunstvolle Maske des Kriegers, aus Holz und edlen Metallen gefertigt, in der Form eines riesigen Adlerkopfes. In den Händen trug der Mann eine riesige Keule aus Holz, die die Form eines Schwertes hatte und mit Obsidiansplittern besetzt war. Durch die Lippe und die Nase hatte sich der Mann ebenfalls riesige Pflöcke aus Gold getrieben. Durch die herunterhängende Unterlippe bekamen seine Züge einen verächtlichen und herablassenden Ausdruck. Dann trat noch ein Mann in einer schwarzen Kutte, deren Kapuze er tief in das Gesicht gezogen hatte, dazu. Der alte schmutzige Mann schien etwas zu sagen, was den Krieger zum Lachen reizte, und noch bevor der Centas einen Befehl geben konnte, verschwanden die drei Männer so rasch wieder im Unterholz, als wären sie Geister gewesen. \ „Was geht hier vor?“, fragte der Codar in der Schlachtreihe, sichtlich beunruhigt. „Ruhe im Glied!“, befahl Markus, doch auch ihm war nicht wohl bei der Sache. Dies waren keine Chinche gewesen, doch mit wem oder was hatte es die Legion hier zu tun? Plötzlich ertönte aus dem Wäldchen lautes Schreien und Wehklagen. Verwirrt drehte sich der Centas nach dem einheimischen Kundschafter um, denn er verstand kein Wort dieser verdammten Sprache, die von den Einheimischen gesprochen wurde. Doch der Kundschafter war verschwunden. „Wo ist dieser verdammte Chinche?“, rief der Centas, als plötzlich aus dem Wäldchen unzählige Männer heraussprangen und auf die in Kampfbereitschaft stehenden Legionäre wild gestikulierend und schreiend zuliefen. Es waren mit Sicherheit Einheimische, denn sie trugen die einfache Kleidung der Bauern, manche trugen nur einen Lendenschurz, als würden sie gerade von der Feldarbeit kommen. Doch hier blieb keine Zeit für lange Überlegungen, und so befahl der Centas instinktiv den Einsatz des Pilum im Wurf. Für einen Moment schienen die Reihen der Legionäre wie unter einer schweren Last zu ächzen und zu knarren, als die Segmentpanzer aus Metall in die Wurfstellung gebracht wurden und die Legionäre weit ausholten. Einhundert Pilen erhoben sich fast gleichzeitig in die Luft und krachten in die heranstürmenden Männer. Fast unmittelbar stellte sich der Erfolg ein, wie der Centas aus den Augenwinkeln beobachten konnte. Wer von den Männern nicht selbst von einem oder mehreren Pilen getroffen worden war, wurde durch Getroffene umgerissen. Die Masse der Angreifer hatte sich vor den Legionären in eine chaotische Ansammlung von verwundeten und sterbenden Männern verwandelt, während die Legionäre in ihrer eisernen, in vielen Jahren antrainierten Disziplin in einer Bewegung den schweren Pilum, den sie bisher in der Schildhand gehalten hatten, nunmehr in die rechte Hand nahmen. Einer der Männer fing an, mit seinem Pilum auf sein Schild zu hämmern, und die anderen Veteranen nahmen das Signal begeistert auf. Die Chinche, die noch standen, versuchten, zu dem Wäldchen zurückzulaufen, während der Centas bereits den Befehl zum Vormarsch gab. Laut auf ihre Schilde hämmernd, bewegte sich die Hastatt im Gleichschritt auf die überall am Boden liegenden Menschen zu, und als die Legionäre die ersten Toten und Verwundeten erreichten, wurden diese sofort mit den schweren Pilen niedergemacht. Todesschreie, Röcheln und der Geruch nach Blut, Erbrochenem und sich entleerenden Gedärmen erfüllte die Luft. Als die flüchtenden Überlebenden das Wäldchen erreichten, brach das Inferno über die heranmarschierende Hastatt herein. Wurfsteine, Pfeile und Lanzen, deren Spitzen aus Obsidiansplittern bestanden, regneten auf die überlebenden Chinche und die Legionäre herab. Da viele Legionäre noch damit beschäftig waren, die noch Lebenden niederzumachen, hatten viele ihre Schilde gesenkt, und so wurde die erste Schlachtreihe und ein Teil der zweiten durch den Umfang und der Gewalt des nun einsetzenden Beschusses überrascht und dezimiert. Legionäre wälzten sich am Boden und hielten sich den Kopf, wo sie faustgroße Geschosse getroffen hatten, manche Veteranen lagen am Boden und rührte sich nicht mehr, während ein langer gefiederter Pfeil oder ein Pfeil, fast so lang wie ein Pilum, nur mit Federn am Ende, in nicht geschützten Köpfen, Armen und Beinen steckten. Dumpf prallten die Steine, Pfeile und Speere auf die Schilde der verbliebenen Legionäre, die diese nun instinktiv vor ihre Körper hielten, um sich zu schützen. So plötzlich, wie der Beschuß begonnen hatte, wurde er beendet, und der riesige Adlerkrieger trat aus dem Unterholz. Dem Centas schien es, als breitete er seine riesigen Schwingen aus, als er etwas in unverständlichen Worten rief und mit seinem riesigen Holzschwert auf die Hastatt deutete. Dann brachen unzählige Krieger aus dem Wäldchen und rannten, schrille Kampfrufe schreiend, auf die dezimierte Hastatt zu. Manche der Krieger trugen lediglich einen Lendenschurz aus einem weißen Stoff, waren jedoch von oben bis unten mit grellen Farben bemalt. Andere trugen Tierkostüme und Masken, hier und dort war auch ein Krieger zu sehen, der eine Gewandung trug, die dem des Anführers glich. Die Krieger stürzten sich auf die Legionäre, und es dauerte nur wenige Augenblicke, und die noch stehenden Schlachtreihen der Legionäre wurden von der Gewalt des Angriffes durchbrochen oder von den fremden Kriegern einfach umgangen. Unzählige Einzelgefechte entstanden, in denen sich seine Legionäre mehrere Feinde auf einmal erwehren mussten, und Markus, der nun selbst mit dem Schwert in den Kampf eingriff und gerade einem wild schreienden, fast nackten bunt bemalten Krieger die Hand mitsamt seiner Keule abgeschlagen hatte, schrie noch: „In Kampfformation langsam zurückziehen!“ Doch der Ansturm der wilden Krieger war zu machtvoll und die Krieger zu zahlreich, - sie mussten der Hastatt um das fünffache überlegen sein - als dass die Legionäre, die bisher noch nicht gefallen waren, seinem Befehl noch hätten gehorchen können. Tränen schossen dem harten Mann in die Augen, als er seine Männer, seine Vertrauten und Freunde, seine Gefährten so vieler Schlachten, die er ehrenhaft für die Legion ausgetragen hatte, durch einen solchen feigen Hinterhalt hingemordet sah. Dann kämpfte der Centas um sein Leben, führte Stich und Hieb, durch Baumwollpanzer, zerschmetterte Lederschilde, schnitt in Fleisch und Knochen. Schließlich war kein Gegner mehr da. Von oben bis unten war der Centas mit seinem Blut aus vielen kleinen Schnitten und Wunden, die er im Kampf empfangen hatte, und dem Blut seiner Gegner besudelt und mit vor Anstrengung zitternder Hand und nach Luft ringend strich er sich das Blut aus den Augen. Die Krieger hatten einen Kreis um ihn gebildet, wo seine Männer waren konnte er nicht erkennen. Dann trat der riesige Adlerkrieger nach vorne und deutete mit seiner nun blutbesudelten Keule auf ihn. Er redete und fuchtelte dabei mit seiner Keule abwechselnd auf den Centas und den alten nackten schmutzigen Mann deutend, der verächtlich grinsend nun ebenfalls in den Kreis getreten war. Markus verstand von dem Kauderwelsch nur ein Wort: „Baba Croqua“. Er hatte von einem Veteran in Dithorno von den Toquateken gehört, die in den Mangrovensümpfen um Nga-Nova leben sollten, und die ihre Gefangenen ihrem grausamen Gott „Baba Croqua“ opferten, um sie danach mit Chili gewürzt aufzufressen. Er hatte die Worte des Veteranen für Aufschneiderei gehalten.Er hatte sich geirrt, und in den kalten Augen des alten Mannes, der offensichtlich ein Priester war, konnte er die Wahrheit lesen. Als der riesige Adlerkrieger mit erhobener Keule langsam auf ihn zutrat um ihn gefangen zu nehmen, fiel ihm die Entscheidung nicht schwer, schnell hob er sein Schwert und stürzte sich hinein. Er spürte, wie die Klinge für einen Moment an seinem Brustpanzer einen Moment zu warten schien, um dann in seine Brust einzudringen. Das letzte was er sah, war das überraschte Gesicht des Adlerkriegers und die vor Wut blitzenden kalten Augen des alten Mannes. Dann erschien ein helles Licht, bevor alles dunkel wurde. \ „Well, I was ordered to go in there and destroy the enemy. That was my job on that day. That was the mission I was given. I did not sit down and think in terms of men, women and children. They were all classifed the same, and that was the classification that we dealt with,just as enemy soldiers, Sir“ (Lt. William L. Calley, 1970 bei seiner Vernehmung zum Massaker in My Lai am 16.03.1968 in Vietnam, zitiert aus Harald Welzer, Täter „Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“, Büchergilde Gutenbeg) Angewidert stieg der neue Protector der Provinz des Reich des Feuers Xanathoria Inferior in das Badebecken in der hauseigenen Badetherme des Palastes. Das Wasser war angenehm temperiert, und eine wohlmeinende Seele hatte Blütenblätter in allen Farben auf die Wasseroberfläche gestreut. „Ich hasse Blumen!“ dachte der Protector. „Glaubt man hier ich sei verweichlicht, dekadent oder schwach?“ Aufseufzend ließ sich der Protector nach des Tages Mühen in das Wasser gleiten, doch seine Laune wandelte sich schlagartig, als eine riesige Xibixusblüte direkt an seiner Nase vorbeischwamm. Da kam sie wieder, die rote Flut und drohte ihn hinwegzuspülen. Er spürte, wie ein Teil seines Geistes seinen Körper verließ und plötzlich neben ihn im Wasser zu schwimmen schien. „Wer hat das angeordnet?“, fragte die Stimme neben ihm mit einem verächtlichen, drohenden und hasserfüllten Unterton. Eine Sklavin trat zitternd vor, denn inzwischen waren die Wutausbrüche des neuen Protectors legendär und hatten die Dienerschaft des Palastes bereits um mehrere Köpfe dezimiert. Die Todesarten, die der Protector für in seinen Augen ungehorsames Verhalten bereithielt, waren zahlreich, und nur mit dem Schwert hingerichtet zu werden, galt bereits als Gnadenerweis. Meistens ließ der Protector wenig Gnade walten, und so überlegten die Tischler, Zimmerleute und Sargmacher bereits fieberhaft, wo sie das viele Holz für die zahlreichen Kreuzigungen vor Dithorno noch herbeischaffen sollten. „Die edle Dame Ludmilla hat diese unwürdige Dienerin angewiesen, edler Herr“, keuchte die Sklavin mit zitternder Stimme. „So die edle Ludmilla also, ich werde…!“, hob der Protector an, als die genannte Dame, nur in einem durchsichtigen Ge-wand, das ihre aufreizenden Rundungen nur wenig verbarg, in den Baderaum rauschte. Wahrscheinlich rettete das Auf-tauchen der Dame der Sklavin das Leben, doch die Wolke des Zornes, die über dem Haupt des Markus Tiberius Scylla schwebte, war noch nicht verraucht, nur etwas gedämmt. „Oh, mein lieber Markus, hast du es dir schon bequem gemacht!“ rief die Dame, schlüpfte aus ihrem Gewand und stieg graziös in das Becken, um sich zu ihrem angebeteten Protector zu gesellen. Die ehrenwerte Ludmilla war die Ehefrau eines der ortsansässigen Händler und nunmehr Witwe, da ihr Ehemann versucht hatte, seine gut gehenden Geschäfte in Dithorno und Umgebung durch die Übergabe eines überaus großzügigen Gastgeschenkes an den neuen Protector zu erweitern. Leider hatte er nicht gewusst, das der neue Protector für Gastgeschenke oder Bestechungen unempfänglich war, und so hatte man den armen Mann gezwungen, die geschmolzenen Goldmünzen in noch kochendem Zustand zu sich zu nehmen, was ihm, nach den Schreien zu urteilen, die ihm ganzen Palast zu hören waren, nicht gut bekommen war. Ob die Dame Ludmilla erfreut über das Ableben ihres schon etwas ältlichen Gatten war, war letztlich nicht zu ermitteln, sie hatte es sich jedenfalls zur Aufgabe gemacht, dem Protector in jeglicher Hinsicht zu Diensten zu sein, und bisher waren dem neuen Protector die Annehmlichkeiten, die sich aus der kleinen Romanze ergaben, auch nicht unangenehm gewesen. Immerhin hatte er ja einen nicht unbeträchtlichen Teil seiner Zeit in den letzten Jahren in einer schmucklosen Zelle verbracht. Doch in den letzten Tagen fing die gute Dame an, ihren Ehrgeiz nicht nur auf gute Leistungen im Bett des Protectors zu beschränken, sondern sie machte sich zunehmend Gedanken um die räumliche Ausgestaltung des Palastes. So tauchten plötzlich in allen Räumen Kunstgegenstände und Blumen auf, und auch auf den Speisenablauf nahm die Dame einen nicht unwesentlichen Einfluss. „Du isst zu fett, mein lieber Markus!“ trällerte die Dame Ludmilla eines Abends und ließ ab da den Koch aus den fernen Landen, den der Protector von den Minen mitgebracht hatte, Salate und Fisch servieren. Doch der neue Protector hasste Fisch, Blumen und vor allem Salat. Diskrete Hinweise, sich doch die Einmischung in die Haushaltsführung des Palastes zu verkneifen, ließen die Dame völlig unbeeindruckt, und auch das große Sterben im Palast und in Dithorno, das seit der Ankunft des neuen Protectors eingesetzt hatte, vermochte nicht, den Elan der Dame Ludmilla in seine Schranken zu weisen. Die Dame Ludmilla besaß für ihr Alter (sie machte daraus ein Geheimnis und kicherte immer nur verlegen, wenn man sie darauf ansprach, sie gehörte bereits zu den mittleren Jahrgängen) noch einen beeindruckenden Körperbau und ließ sich täglich nach allen Regeln der Kunst, die einer Dame aus dem Reich des Feuers zur Verfügung standen, den Körper massieren und salben, und so kam es, dass ihre beeindruckenden Brüste, ihre prallen Schenkel und ihr ausladendes Po noch immer straff waren. Zwar war sie immer ausnehmend bunt geschminkt und sie achtete darauf, daß ihr Haar mit Henna immer rot gefärbt war, doch hatten die Jahre ihre verräterischen Spuren in den Problemzonen der Dame hinterlassen. Bisher hatte der Protector die Wonnen und Genüsse, die ihm diese reife Frucht im Bett geschenkt hatte, ausnehmend genossen. Doch nun kam die Dame eine beeindruckende Bugwelle vor sich herschiebend, auf den immer noch vor Wut kochenden Markus Tiberius Scylla zugeschwommen, selbstverständlich darauf achtend, ihre kunstvolle Gesichtsbemalung und das hochgesteckte Haar nicht mit Wasser zu benetzen. \ „Gefällt dir mein Arrangement, mein starker Hengst?“, säuselte die Dame und patschte mit ihren dicken Händchen in die Hände, worauf sich die Tür zur Badekammer öffnete, mehrere nackte Tänzerinnen in den Raum traten und sich lasziv zu den leisen Tönen einer Querflöte zu bewegen begannen, wobei sie besonderen Wert darauf zu legen schienen, dem Protector ihre jungen Brüste, knakkigen Hintern und ihre rasierten Venushügel zu zeigen. Trotz seines immer noch anhaltenden Zorns spürte der D’Ascas Markus Tiberius Scylla das Blut in seine Lenden schießen. Kichernd griff die Dame beherzt zum Geschlechtsteil des Protectors, ohne zu ahnen, dass dieser nicht Herr seiner Sinne war, und sofort biss der Hai, der sich im Badebecken befand, zu. „Oh, ich werde dir heute Nacht ungeahnte Wonnen....“, plapperte derweil die Dame ungerührt weiter, wobei sie den mächtigen Phallus des D‘Ascas streichelte. Dem Protector traten unterdessen vor Zorn und Wut die Augen aus dem Kopf, sein Gesicht wurde puterrot, die Adern an seinem Hals traten hervor. Als dann noch die Dame etwas unsanft an seinem Gemächte zupfte, kochte die Wut des Protector über. „Brutus“, kam die harsche Soldatenstimme aus dem Wasserbecken, „du würdest deinem D’Ascas einen großen Gefallen tun, wenn du ihn von dieser alten schleimigen Hexe befreien würdest.“ „Aber, aber mein Bärchen, wie redest du denn von deiner Zuckerschnecke, von deinem immer dir gehörenden Honigtopf“, raspelte die Dame weiter auf ihrem unerschöpflichen Vorrat an Süßholz, als aus dem Schatten die große breitschultrige Gestalt eines Legionärs trat, der als Leibwache des D’Ascas eingeteilt war. Obwohl es im Baderaum sehr heiß war und der Dampf in Schwaden nach oben stieg, trug der Legionär seine volle Rüstung, und der Schweiß lief ihm in Strömen über das finster dreinblickende Gesicht. Mit einer brutalen Bewegung seiner Schwerthand griff er nach unten in das Becken und zerrte die triefende Dame Ludmilla an ihrem Haarschopf aus dem Wasser. Dieser schien nun der Ernst der Lage aufzugehen, denn sie begann, hemmungslos zu schluchzen, und dicke Tränen verschmierten nun ihre Bemalung. Im Raum war es totenstill geworden. Die Tänzerinnen und anderen anwesenden Sklaven des Protectors schienen in ihren Bewegungen erstarrt zu sein. „Ich denke, meine Männer haben für ein williges Weib immer eine gute Verwendung, und wenn sie nicht mehr zu gebrauchen ist, hängt ihr sie an ein Kreuz, wie es im Reich des Feuers gute Sitte und Brauch ist“, erwiderte der Protector die Frage seines Legionärs, „sie wird den hiesigen Aasvögeln ein gutes Festmahl abgeben.“ Für einen kurzen Moment schien die Dame Ludmilla ihren Stolz zurückzugewin-nen, der einer Dame aus dem Reich des Feuers angemessen war. Mit einer heftigen Bewegung riss sie sich von dem riesigen Legionär los und trat nach dem Protector, wobei sie dessen Kopf um Haaresbreite verfehlte. „Du alter Ziegenbock“, schrie die Dame, als sei sie von Sinnen, „das ist also der Dank für meine Bemühungen, dein kleines widerliches Ding, das du zwischen deinen Schenkeln trägst, wieder zum Leben zu erwecken und.....“. Der harte Schlag des Legionärs in das Gesicht der armen Ludmilla riss ihren Kopf herum und sie stürzte hart auf den Boden, wo sie stöhnend liegen blieb. „Verzeiht einem alten Legionär, mein D’Ascas!“, knurrte Brutus, „es wird nicht wieder vorkommen“. „Sollte das noch einmal passieren, wirst du dir wünschen, neben der Dame Ludmilla gekreuzigt zu werden!“ sagte der Protector mit vor Wut unterdrückter Stimme. „Aber jetzt hinaus mit dir und mit dem Rest dieser verdammten Bande. Ich will allein sein.“ Das ließen sich die Anwesenden nicht zweimal sagen, Brutus schnappte sich die Dame Ludmilla, klemmte sich diese unter den Arm und die Tänzerinnen, Sklaven und der Musiker stürmten auf den Eingang zu. „Wartet“, befahl der D’Ascas und alle blieben wieder wie versteinert stehen, was dem Protector ein leises dämonisches Kichern entlockte. Eine der Tänzerinnen verlor die Kontrolle über ihre Blase und ein leises Plätschern war in der nun einsetzenden Stille das einzige Geräusch, bis auf das Gluckern des Wassers im Becken, in dem sich der Protector nun in der Fülle seiner Macht über Leben und Tod behaglich streckte. „Diese Kleine da, die mit der hübschen Tätowierung auf dem Bauch, wünsche ich heute nacht in meinem Gemach zu sehen“, sagte der D’Ascas, um sodann alle mit einer herrischen Handbewegung zu entlassen. Aufseufzend legte sich der Protector zurück, als ihm die Hibiscusblüte, die inzwischen am Beckenrand angekommen war, unangenehm in den Hals piekte. Sofort loderte die unbändige Wut des D’Ascas wieder auf, und er nahm die nasse Blüte und warf sie angewidert aus dem Becken. Die Blüte klatschte auf eine riesige Statue, an der sie aufgrund ihrer Nässe hängen blieb. Der D’Ascas zuckte zusammen, als er die Statue betrachtete. Sie war etwa zwei Meter groß und hatte dir Form eines aufrecht stehenden Drachen, aber mit mehreren Köpfen. Eine Hydra. Der Künstler, der diese Statue gefertigt hatte, musste über eine große Kunstfertigkeit verfügt haben, denn die Statue wirkte durchaus lebensecht. Jeder der fünf Köpfe hatte eine andere Physiognomie. Ein Kopf schien zu lächeln, ein anderer blickte grausam und grimmig drein, wieder ein anderer schien zu schlafen, der nächste blickte in die Welt als habe er große Schmerzen und der letzte schien zu weinen. Dem Protector war es in den letzten Wochen mehrmals so vorgekommen, als hätte sich jedes Mal, wenn er das Bad betrat, die Haltung und Stellung der Statue verändert. Etwas an der Statue löste bei Markus Tiberius Scylla ein Unbehagen aus, und zwar immer, wenn er ihrer gewahr wurde. Hatte er nicht gestern erst befohlen, dass die Statue aus dem Bad heraus und in einen anderen Winkel des Palastes gebracht werden sollte? Doch kaum hatte der Protector sich diese Gedanken gemacht, als ihn eine wohltuende Schläfrigkeit übermannte und er seufzend seinen immer schwerer werden Kopf am Beckenrand anlehnte, um seinen Gedanken nachzuhängen. Immer tiefer wurde die Müdigkeit…… \ „Scylla, Scylla wach auf, wenn die Wache kommt und dich so hier findet, ist es um dich geschehen“, sagte eine Stimme, die dem Protector bekannt vorkam. Aber, das war vor so langer Zeit gewesen. Der Mann, dem diese Stimme einst gehört hatte, war seit vielen Jahren tot. Scylla hörte sich antworten, verstand jedoch die Worte nicht, während sich sein Blick klärte. Er sah sich selbst in einer dunklen Ecke eines der weniger guten Viertel von Magramor im Schmutz der Straße liegen. Sein Gewand war beschmutzt und befleckt von Wein, Essensresten, Erbrochenem und übleren, unbekannten Substanzen. Ein strenger Geruch nach Alkohol, Schweiß und ungewaschenen Füssen ging von dem jungen Mann aus, der nun torkelnd versuchte, mit Hilfe des Freundes auf die Beine zu kommen. Eine riesige Ratte huschte vorbei, schnüffelte kurz und rannte quickend davon, als Marius, sein Freund, nach ihr trat. Der Protector erschrak. Was ging hier vor, wie kam er hierher? Er eilte auf Marius zu, doch seine Hand fuhr durch den treuen Freund hindurch, als er ihn an der Schulter berührte. Er erinnerte sich noch genau an diese Zeit, die er zu seinen schlimmsten Erlebnissen zählte. Markus Tiberius Scylla war aus wohlhabendem Hause, und sein Vater wollte, dass er eine große Karriere im Dienst des Imperators begann, um den Ruhm und die Ehre des Hauses Scylla zu mehren und letztendlich auch die Ansprüche seines dekadenten und habgierigen Vaters zu befriedigen. Doch das Verhältnis des jungen Scylla zu seinem Vater glich einer Hassliebe, was nicht nur etwas damit zutun hatte, dass der alte Scylla seine fleischlichen Genüsse gerne auch seinen eigenen leiblichen Kindern angedeihen ließ. Er hatte sich mit aller Gewalt, zu der er als Kind und Jugendlicher fähig war, gegen den Vater aufgelehnt, doch hatten alle Bemühungen, diesen von seinen ehrgeizigen Plänen abzubringen, nicht gefruchtet. Daher gab sich der Sohn allen denkbaren Genüssen und Ausschweifungen hin, die in der Hauptstadt des Reichs des Feuers zu erhalten waren, und derer gab es viele. So kam es bald, dass der junge Scylla in den Huren- und Spielhäusern einen ausgezeichneten Ruf besaß, seine Karriere in der Legion aber mehr als nur auf Messers Schneide stand. Letztlich war es nur der Protektion des alten Scylla zu verdanken, dass er nicht schon längst mit Schimpf und Schande aus der Legion gejagt worden war. \ „Lass mich in Ruhe, du bringst mich nicht zurück zu diesen Schindern“, gurgelte der junge Scylla und tastete nach seinem Dolch, während der Protector des Landes Xanathoria Inferior den Ereignissen zusah, die er vor so vielen Jahren im Wein- und Drogenrausch erlebt hatte und an die er sich nicht mehr erinnern wollte. „Du bist wie immer betrunken und nicht Herr deiner Sinne, du hast wieder die Ausgangssperre ignoriert und bist seit drei Tagen als fahnenflüchtig gemeldet“, sagte Marius und nahm Scylla grob am Arm, „diesmal werden sie dich nicht davonkommen lassen und auch dein Vater wird dich….!“, erwiderte Marius und sah plötzlich verwundert auf den Dolch, der in seinem Bauch steckte. Die Augen des Freundes weiteten sich, als er verwundert den Dolch betastete und ihn mit einem Ruck aus seinem Bauch zog. Sofort schoss ein Schwall Blut aus der tiefen Wunde, während Marius langsam zu Boden sank. Laut klapperte der Dolch auf das Pflaster der dunklen Gasse. Schwankend stand Scylla da und trat unschlüssig von einem Bein auf das andere. „Was habe ich getan?“, schrie Scylla plötzlich auf und wollte auf den Freund zueilen, als eine große, breitschultrige Gestalt aus dem Schatten der dunklen Gasse trat. Obwohl seine Sinne getrübt waren, konnte Scylla erkennen, dass der Fremde von Kopf bis Fuß von geschwärzten Metallplatten bedeckt war. Aus den Schulterstücken ragten lange schwarze Dornen, und selbst der Kopf und das Gesicht des Fremden waren von einem tiefschwarzen Helm bedeckt. Nur die Augen des Fremden glühten rot. In der Hand trug der Fremde eine riesige beidhändige Axt, deren Schneide zwar gut gepflegt war, aber von häufigem Gebrauch viele Scharten hatte. „Was glotzt du meine Axt an, ich weiß selbst, dass ich mir bald wieder eine neue schmieden muss“, grollte die Stimme des Fremden unter dem Helm hervor, und damit donnerte er die Axt mit der Klinge auf das Pflaster, so dass die Funken flogen. „Verdammt, wo ist nur dieses verfluchte Pferd!“, vernahm Scylla die Stimme des Fremden, die aus der Nähe eine Wirkung wie fernes Donnergrollen hatte, obwohl der Mann offensichtlich nur mit sich selbst sprach. „Wer bis du?“, keuchte Scylla. „Wer ich bin, will er wissen“, kicherte es unter dem Helm hervor, „wer könnte ich wohl sein?“ „Bist du der Imperator, der mich einer Prüfung unterziehen will?“ fragte Scylla mit zitternden Knien weiter. „Wenn du willst, bin auch der Imperator, wer immer das auch sein soll, wo ist nur dieses verdammte Pferd?“, überlegte der Fremde weiter, wobei das Glühen seiner Augen ein wenig zunahm. „In welchen Stall habt ihr es denn für die Nacht untergestellt?“, fragte Scylla ungerührt weiter, denn wenn dieser riesige Mann der Imperator war, der ihn prüfen wollte, musste er ihm jede Hilfe zuteil werden lassen, die er ihm geben konnte. Der tote Freund zu seinen Füssen war dabei völlig vergessen. „Ich habe es nicht untergestellt, das verdammte Vieh hat mich abgeworfen, als ich mit anderen Dingen beschäftigt war“, knurrte der Fremde und donnerte dabei wieder seine riesige Axt auf das Pflaster. Scylla hatte für einen Moment das Gefühl, dass der Boden unter seinen Füßen hin- und herwankte, und Putz und Mörtelstücke von den umliegenden Häusern prasselten auf ihn nieder. Der Mann vor ihm musste wirklich der Imperator sein, denn nur dieser verfügte, nach allem, was man von ihm wusste, über riesige Kräfte. „Es war auf einem großen Platz hier in der Nähe, ich glaube, dort stand ein Gebäude, das einem Theater glich, doch ich glaube, nun steht es nicht mehr“, sinnierte der Fremde weiter. „Ich weiß wo dieses Theater ist, ich bringe euch dorthin, man kann sich leicht in diesen engen und dunklen Gassen verlaufen, und man kann hier leicht in schlechte Gesellschaft kommen,“ sagte Scylla in jugendlichem Übermut. Für einen Moment glühten die Augen des Fremden nur ein wenig auf, als er erst sehr leise und dann brüllend zu lachen anfing. Wieder kam es Scylla vor, als würde sich die ganze Stadt Magramor unter ihm vor Pein schütteln. „Na, wenn ich mir euren Begleiter ansehe, Bursche, seid ihr hier die schlechte Gesellschaft“, sagte der Fremde, „doch wenn ihr es schafft, mich zu meinem Pferd zu bringen, werde ich euren Dienst reich belohnen!“ „So kommt!“ rief der Mann nach hinten, der einst Protector der Provinz Xanathoria Inferior werden sollte. Schweigend gingen sie durch die engen Gassen und erreichten schließlich den Ort, den Scylla als den vermutete, an dem der Fremde von seinem Pferd getrennt worden war. Ihm stockte der Atem, als er das Chaos und die Zerstörungen sah, die dort angerichtet worden waren. Scylla hatte den Eindruck, als habe die Stadt seit etlichen Tagen unter dem Beschuß mehrer Onagerbatterien gelegen. Eine Straße der Verwüstung ging durch die Häuser, und das Theater war völlig dem Erdboden gleich gemacht. Überall schrien Menschen in ihrer Pein, da sie mit gebrochenen Gliedern auf der Gasse lagen, hier und dort stürzten sich wie Fackeln brennende Opfer aus ihren Häusern. Verzweifelte Bürger versuchten, mit Eimern voller Wasser der vielen Brände Herr zu werden. In der Mitte des Infernos stand ein riesiges schwarzes Schlachtroß, wie sein Herr in schwarzes Eisen gehüllt und mit glühenden roten Augen, das jedem, der es wagte, ihm zu nahe zu kommen, mit Bissen und Tritten nachstellte. Immer wieder bäumte es sich auf, und seine Hufe schlugen riesige Funken. Sanft aber bestimmt drückte der riesige Krieger den vor Erstaunen mit offenem Mund dastehenden Scylla beiseite und trat an das riesige Tier heran. Als das Tier seinen Reiter erkannte, kam es sofort stolz angetrabt und legte seine riesige Schnauze auf den Arm des Mannes. „Was hast du dir nur dabei gedacht?“, sagte der Krieger zu seinem Schlachtroß und gab dem Roß einen derben Hieb mit seinem Panzerhandschuh in die Flanke. Das beeindruckende Tier nickte derweil heftig mit dem Kopf, als habe es jedes Wort verstanden, wobei ihm weißer Schaum aus dem riesigen Maul flockte. „Nun gut, ich habe dir eine Belohnung versprochen“, sagte der riesige Krieger nun zu Scylla gewandt. „Es war mir eine Ehre euch zu Diensten zu sein, Imperator, ab sofort werde ich mein Leben und mein ganze Kraft nur dafür verwenden, euch zu dienen. So gewaltig ist eure Macht, laßt mich euer niedrigster Diener sein“, sagte der Angesprochene und kniete vor dem riesigen Mann nieder. „Du glaubst also immer noch, ich wäre dein komischer Imperator“, sprach der Mann zu sich selbst, „und mein Diener willst du sein!“ \ Für einen Moment schien der Krieger zu überlegen, was er mit seinem Begleiter machen sollte, dann trat er vor und berührte ihn an der Schulter mit seinem Panzerhandschuh. Scylla war es, als lege sich ein schwarzer Schleier über seinen Geist, als die Hand des Mannes ihn berührte. Feuerräder und Bilder unglaublicher Zerstörungen entstanden vor seinem geistigen Auge. Flotten versanken im Meer, wenn der riesige schwarze Krieger auf schwarzen Wolken herankam, Burgen und Städte versanken in Trümmern, wurden von Blitzen und Hagelstürmen verwüstet, Heere von Winden hinweg gerissen, als wären sie Spielzeug. „Ja“, schrie Scylla, wie von Sinnen, „ich verstehe deinen Willen Imperator, laß mich dein williges Werkzeug sein, ich werde deinen Geist und deine Macht in die Welt hinaus tragen, niemand kann deinen Legionen widerstehen, ich bin dein Sklave!“ Dann keuchte Markus Tiberius Scylla, von einem Strom Energie getroffen, der aus der Hand des Kriegers an seiner Schulter strömte, noch einmal getroffen auf und stürzte in gnädige Bewußtlosigkeit. „Auch wenn ich nicht dein Imperator bin, armer Narr, wirst du einen Teil meiner Wut und meines Zorns ein Leben lang in dir tragen und Chaos und Verwüstung in die Welt bringen, denn jetzt bist du mein Werkzeug.“ Dann stieg der Reiter der Finsternis auf sein Pferd und setzte seinen Weg der Zerstörung unbeirrt fort. Seinen Diener hatte er bald vergessen. \ Scylla erwachte in den Armen einer alten Frau, die ihm einen feuchten schmutzigen Lappen um die Stirn gewunden hatte, und bahnte sich dann schwankend einen Weg in die Unterkunft seine Legion. Niemand dachte mehr daran, ihn zu bestrafen und alle schienen froh, daß er die Zerstörungen überlebt hatte. Wenn seine Kameraden erzählten, der Reiter der Finsternis sei über Magramor gekommen, lachte er nur. Er wußte es besser. Der Imperator MAGHAN hatte seinem Volk eine Prüfung auferlegt, und vor allem seinem unwürdigsten Diener. Ab diesem Tag schien es, als flogen Scylla alle Herzen zu, und niemand fragte nach seinem Kameraden Marius, den er umgebracht hatte. Alle dachten, er wäre auch dem Reiter zum Opfer gefallen, und nur Scylla habe wie durch ein Wunder überlebt. So arbeitete sich Scylla in der Legion wie ein Komet am Nachthimmel nach oben, und nur er wußte, warum ihm seine Männer in besonderer Treue bis zum Tod ergeben waren. Dass man seinen Vater eines Tages durch furchtbare Wunden entstellt in seinem Schlafgemach fand, schien eine furchtbare Tragödie zu sein. Niemand konnte sich vorstellen, dass der tapfere und von allen geliebte Markus Tiberius Scylla seinen Vater auf so grausame Weise gerichtet hatte. Niemandem wollte auffallen, dass die Einheiten, die von Markus Tiberius Scylla angeführt wurden, nie Gefangene machten und auch mit den Eingeborenen wenig Mitleid zeigten. Erst, als der von allen bewunderte Scylla Heerführer wurde, konnte die Gemetzel, die unter seiner Verantwortung in Huanaca begangen wurden, niemand mehr ignorieren, und so endete die Karriere des Feldherren in den Minen. \ Ruckartig erwachte Scylla in seinem Bad, und ein grauenhafter Schrei entwich seiner gepeinigten Seele, als er erkannte, wem er seinerzeit in Magramor die Treue geschworen hatte. Wieder löste sich sein Schatten von ihm, lag neben ihm im Badewasser und lachte ihn schallend aus. Für einen Moment schien es ihm, als stünde der riesige schwarze Krieger am Beckenrand und würde ihn stumm und mit glühenden Augen ansehen. Scylla blickte weg, auf die Statue der Hydra, und es kam ihm vor, als würden aus allen Augen der vielen Köpfe Tränen des Mitleids fliessen. \ „What the hell else is war than killing peoble?“ (Lt. William L. Calley, 1970 bei seiner Vernehmung zum Massaker in My Lai am 16.03.1968 in Vietnam, zitiert aus Harald Welzer, Täter „Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden“, Büchergilde Gutenbeg) Valerius hatte alle Mühe, den Hengst zu zügeln. Panisch tänzelte das Pferd hin und her, beunruhigt von den Blitzen und dem Donner, der durch das schwere Unwetter verursacht wurde, das gerade über Dithorno hinweg zog. Immer wieder klopfte Valerius dem Tier beruhigend auf den Hals, doch der Hengst spürte den heimatlichen Stall, und wahrscheinlich nagte auch der Hunger an ihm, denn die Pflanzen und das Gras in diesem verfluchten Land hatten für Pferde keinerlei Nährwert und konnte von ihnen nicht verdaut werden. Heu und Hafer für die Pferde der Legion mussten für viele Goldstücke aus fernen Landen herbeigeschafft werden. Der Centas und sein Pferd waren bis auf die Knochen durchnässt, und noch immer ging ein leichter Regen nieder. Das ehemals strahlende Dithorno wirkte nun in den Abendstunden grau und schmutzig unter den schwarzen dikken Wolken. Krachend entlud sich ein Blitz und schlug in einen der wenigen verbliebenen Bäume ein, die noch nicht von den Legionären zur Herstellung der unzähligen Kreuze gefällt worden waren. \ „Ruhig, mein Dicker, ruhig!“, redete Valerius weiter auf sein Pferd ein, das sich erschrocken aufbäumen wollte. Knatternd und prasselnd fing der Baum Feuer, und die Luft war erfüllt von fremdartiger Energie und Gerüchen. Schließlich beruhigte sich der Hengst und kam schwer atmend zum stehen. Weißer Schaum flockte aus seinem Maul, und immer wieder zerrte das Tier mit der Zunge an der Trense. Seit einer Woche war der Centas im Auftrag des Feldherren Scylla unterwegs, um die Geschehnisse um die gesamte Vernichtung einer Hastatt wenige Tagesreisen entfernt von Dithorno zu untersuchen. Was der Centas auf der Todesstatt der Hastatt vorgefunden hatte, gab großen Anlaß zur Besorgnis. Man hatte die Legionäre bis auf den letzten Mann niedergemacht, ihnen die Köpfe abgeschnitten, diese gekocht und die blanken Schädel auf einen großen Haufen zusammengelegt. Die Körper der Männer, ihre Ausrüstung, ihre Waffen, waren verschwunden. Auf dem Schlachtfeld hatte Valerius mehrere verwesende Körper der Einheimischen gefunden. Viele waren offensichtlich den Pilen der Legionäre zum Opfer gefallen, manche waren jedoch von grausamen Wunden entstellt, die nicht von Schwertern oder Pilen der Legion stammen konnten. Valerius hatte seine Zweifel, ob diese grausige Tat von den Chinche, die den Großteil der einheimischen Bevölkerung stellten, begangen worden war. Zwar war es nur eine Hastatt gewesen, die dort ihren Tod gefunden hatte, doch der Centas Markus, der die Einheit angeführt hatte, galt als erfahrener und umsichtiger Mann, den man nicht so einfach in eine Falle führen konnte. Zudem hatte die Hastatt fast vollständig aus erfahrenen Veteranen bestanden. Valerius bedauerte, dass der D’Ascas Markus Tiberius Scylla mit solcher Härte gegen die Einheimischen vorging, doch sah er die vom Feldherren inzwischen veranlassten Maßnahmen als notwendig an. Als der D’Ascas seinerzeit in Dithorno angekommen war, hatte er eine dekadente und leichtfertig geführte Provinz des Reichs des Feuers vorgefunden. Der Protector Lucius Scaevola argens, den zu verhaften sie den Auftrag hatten, war nicht auffindbar und geflohen. Wo er sich vor seiner gerechten Bestrafung durch den neuen Protector verbarg, war bisher nicht zu ermitteln gewesen, obwohl man auf seinen Kopf eine beachtliche Belohnung ausgesetzt hatte. Sodann mussten der neue Protector und Valerius feststellen, daß die Lagerhäuser der Legion in der ganzen Provinz Xanathoria Inferior geleert waren, und so waren es die Verwalter der Lagerhäuser, die als erstes ihr unwertes Leben am Kreuz aushauchten. Vorher hatte man sie allerdings tüchtig gefoltert, um den Aufenthaltsort des Nachschubes für die Legion zu ermitteln. Ihren Beteuerungen, dass der ganze Nachschub von Lebensmitteln, Waffen, Tschubac und allen anderen Erzeugnissen des Landes fristgerecht auf Wunsch des ehrenwerten Esrat Ko für den Krieg in der alten Welt verschifft worden waren, wurde vom neuen Protector keinerlei Glauben geschenkt. Doch für die Legion bedurfte es voller Lagerhäuser, wenn diese, wie es der Auftrag des Imperators vorsah, Ruhe und Ordnung in der Provinz wiederherstellen sollten. Doch der neue Protector wollte nicht warten, bis die Lagerhäuser der Legion durch ehrlichen Handel mit den Einheimischen wieder gefüllt waren. \ Er war hier, um den Willen des MAGHAN zu erfüllen, und der Wille des Imperators war nach der Meinung des D’Ascas Markus Tiberius Scylla, jede subversive Tätigkeit gegen den Souverän sofort unbedingt und blutig niederzuwerfen. So bekamen die ausgesandten Hundertschaften den Auftrag, sich auf der Suche nach den vermeintlichen Rebellen, die den Herrschaftsanspruch des Reich des Feuers in der Provinz Xanathoria Inferior in Frage stellten, von den Früchten des Landes zu ernähren. Natürlich nahmen die Legionäre dies zum Anlaß, sich mehr zu nehmen, als nur die erforderliche Nahrung für den nächsten Tag. Sie plünderten die Dörfer auf ihrem Weg aus, vergewaltigen und mordeten die Einheimischen, wenn sie ihren Wünschen nicht sofort und unabdingbar Folge leisteten und hinterließen eine Spur der Verwüstung in der Provinz. Valerius hatte Dörfer gesehen, die von Einheiten aus dem Reich des Feuers heimgesucht worden waren, und diese ähnelten erschreckend denen, die er seinerzeit als Beauftragter des MAGHAN in Huanaca gesehen hatte. Damals hatte er den Auftrag, dem Gemetzel, das der D’Ascas Markus Tiberius Scylla angeordnet hatte, Einhalt zu gebieten. Er hatte ihn schließlich in seinem Befehlszelt gestellt und unter Mithilfe des Centas Maximus verhaftet, um ihn in die Minen von Follocia zu verbringen. Unruhig griff er nach er seiner Augenklappe. Damals hatte er im Kampf mit dem wie von Sinnen sich wehrenden Scylla sein linkes Auge verloren. Doch diesmal hatte ihn der Imperator in seiner Gnade und Güte dem D’Ascas als Aufpasser zur Seite gestellt. Valerius spürte ein leichtes Unbehagen, wenn er an die geplünderten Dörfer dachte, die geschändeten und an ihre Haustüren genagelten Frauen, die Männer, die man als Abschreckung an Kreuze hängte und die Kinder und Säuglinge, die die enthemmten Legionäre in die Brunnen der Dörfer warfen oder lebendig begruben. Valerius konnte kein Unrecht bei allen diesen Taten spüren. Wie kamen diese elenden Bauern dazu, an der Macht des Imperiums zu zweifeln? Wie konnten sie es wagen, dem Vertreter des Imperators in dieser Provinz die Herausgabe von Nahrung zu verweigern, und wie konnten sie auch nur daran denken, dass sich der MAGHAN diese reife Frucht aus den Händen nehmen lassen würde? Nur unter der starken Hand und Führung des Reiches des Feuers waren diese ungehobelten Bauern in der Lage, zu überleben. Nur die Segnungen des Imperiums garantierten, dass diese armseligen Wichte ihr jämmerliches Dasein in diesem Land weiterfristen konnten. Schließlich erwachte der Centas Valerius mit einem Ruck aus seinen schwermütigen Gedanken. \ Aufstöhnend griff er in seine Tasche und zog die Plakette heraus, die ihm der Imperator zur Erfüllung seiner Aufgaben einst überreicht hatte. Die Platte glühte in unerträglicher Hitze und brannte sich durch die schweren Handschuhe, die Valerius trug. Überrascht schrie Valerius auf und ließ die Plakette fallen. Zischend fiel sie auf noch feuchten Boden und verging in einer dünnen Rauchwolke, die nach oben stieg. Beißender Qualm drang dem Centas in die Nase, und ihm wurde übel. Plötzlich war es ihm, als würde sein Geist von einer quälenden Last befreit. Aufstöhnend griff er sich an die Schläfen, so sehr schmerzte sein Schädel. Wieder vermeinte er für kurze Zeit, einen leichten Geruch nach verbranntem Sandelholz zu vernehmen, wie er ihn bereits beim überraschenden Tod des fetten Kommandanten der Minen zu riechen geglaubt hatte. Nachdem er sich erholt und sein wieder unruhig tänzelndes Pferd beruhigt hatte, stellte er überrascht fest, das in seiner Tasche eine neue Plakette des Imperators ihren Platz gefunden hatte. Nur die verbrannten Handschuhe und Finger überzeugten den Centas, dass das, was gerade geschehen war, kein Traum gewesen war. \ Als Valerius auf die schaurige Szenerie blickte, die sich vor den Toren der Stadt Dithorno darbot, konnte er nicht glauben, dass er bisher daran mitgewirkt hatte. Welche Schuld hatte er auf sich geladen, im Glauben, das Beste für das Imperium zu wollen? Auf allen Straßen, die von Dithorno in alle Richtungen abgingen, standen unzählbare Kreuze. \ „Die Straße der Kreuze, wie damals in Huanaca“, keuchte Valerius voller Entsetzen auf. Valerius sah noch lebende Gekreuzigte, die mühsam versuchten, die wenigen Regentropfen zu erhaschen denen sie habhaft werden konnten. Es war nicht möglich, die Kreuze zu zählen. Die ganze Stadt schien von einem Wald von Kreuzen umgeben zu sein. Vorsichtig gab der Centas seinem Pferd die Sporen und ritt langsam weiter. Kreuz um Kreuz, mit gepeinigten und geschundenen Leibern. Viele schon tot, von der Last ihrer Körper erdrückt. Manche waren offensichtlich erstickt worden, ihre Zungen und Augen, sofern sie noch nicht von den Vögeln ausgepickt waren, hingen und quollen weit heraus. Valerius erinnerte sich, das einer der Codar in Dithorno vor ein paar Tagen lachend erzählt hatte, das viele Reiche aus Dithorno viel Gold dafür bezahlten, das man ihren Angehörigen die Leiden des langsamen Todes am Kreuz ersparte, indem die Schergen sie vorher erdrosselten. Manchen hatte man auch Nägel in Füße und Hände getrieben, andere hatte man gekreuzigt und dann verbrannt, so dass nur noch schwarze Bündel an den Kreuzen hingen. Wieder zuckte ein Blitz über den schwarzen Himmel und ein Donner ertönte, als ob die Götter den grausigen Anblick missbilligten. Die Luft um Dithorno war trotz des schweren Regens kaum zu atmen, so intensiv war der süßliche Geruch der Verwesung. Nur mühsam unterdrückte der Centas seinen Brechreiz, er, der schon so viele Schlachtfelder gesehen hatte. \ Als der Centas die Stadt erreichte, traute er seinen Augen nicht, so hatte sich das schöne Dithorno verändert. Am Waschhaus, wo noch vor wenigen Wochen das Lachen der Waschweiber erklungen war, hatten Legionäre Pfähle in den Boden getrieben, an denen sie Unglückliche angekettet hatten. Manche ihrer Opfer wurden mit glühenden Zangen und Eisenstangen traktiert, andere wurden unter Gelächter der Legionäre mit Stöcken oder Peitschen verprügelt. Aus einem Gasthaus hatten Legionäre ein Bordell gemacht, aus dem nun wilde und ungewaschene Gesellen eine nackte Frau vor sich hertrieben, wobei sie ihre Tuniken hoben und dabei obszöne Bewegungen machten. Die Frau stürzte kurz vor dem Pferd des Centas zu Boden und bevor Valerius reagieren konnte, zog einer der Legionäre seinen Dolch und schnitt der Frau kurzerhand die Kehle durch. Die betrunkenen Legionäre schienen den Centas überhaupt nicht wahrzunehmen, und laut brüllend vor Vergnügen schlugen sie dem Mörder auf die Schultern und kehrten zu ihrem grausigen Tagwerk in das Bordell zurück. \ An viele Hauswände hatte man Parolen geschmiert: „Hier wohnte ein Verräter am Imperator, er schmückt nun ein Kreuz“, oder „Die Dame des Hauses hat sich geweigert, dem Codar Marius ihre Schenkel zu öffnen. Jetzt öffnet sie ihre Schenkel für eine ganze Hastatt im Bordell Blume des Feuers“, oder „Der Händler Vincenco hat den Protector betrogen, jetzt schmachtet er sein Dasein ohne seine behände Zunge und seine Augen“. Valerius spürte das erste Mal seit Wochen wieder das Verlangen nach einem kräftigen Schnaps und ihm zitterten die Knie, als ihm bewusst wurde, das er an dem Grauen, das in Dithorno und in der ganzen Provinz Xanathoria Inferior eingezogen war, tätigen Anteil genommen hatte. Nie hatte er die menschenverachtenden Befehle des D’Ascas angezweifelt, mit stolzgeschwellter Brust hatte er die Befehle des D’Ascas zur Plünderung der Provinz mitgetragen und die hierzu nötigen Befehle erteilt. \ Schließlich erreichte der Centas den Palast des Statthalters und stieg müde von seinem Pferd, das er einem herbeieilenden Knecht zur Pflege überließ. Langsam betrat er den Palast, der ihm nun wie der Vorhof der Finsternis erschien. An den Mauern hingen Eisenkörbe, in denen lebende oder schon tote Menschen langsam vor sich hin siechten. Manche streckten ihre Hände flehentlich nach dem Centas aus. „Erbarmen, Gnade, einen winzigen Schluck Wasser, Herr!“, wurde ihm von allen Seiten entgegengemurmelt. Vorsichtig tastete Valerius nach seinem Schwert, als er den Palast des Protectors betrat. Die wenigen Legionäre grüßten ihn ehrerbietig, denn immerhin galt er, obwohl nur ein Centas, als zweiter Mann hinter dem Protector. Valerius durchschritt einen weiteren Empfangsraum und gelangte in den Audienzraum des Palastes. \ Was er dort erblickte, erschütterte ihn zutiefst. Der ehemals stolze Protector und D’Ascas des Reichs des Feuers, Markus Tiberius Scylla, saß auf einem steinernen Sitz aus schwarzem Gestein, den man in der Zeit, in dem der Centas abwesend gewesen war, hier aufgebaut hatte. Verschwunden war die einstige bescheidene Ausstattung des Vorgängers. Die ehemals weißen Wände aus Marmor hatte man mit schwarzen oder blutroten Wandbehängen verhängt, die das Wappen des Reich des Feuers zeigten. Überall waren die Wände mit Blut verkrustet. Die kostbaren Mosaike am Boden starrten vor geronnenem Blut und anderen widerwärtigen Substanzen und waren kaum noch erkennbar. Unübersehbar jedoch war die Veränderung, die mit dem Protector vorgegangen war. Der Körper des Mannes wurde durch eine unförmige schwarze Rüstung verdeckt, die nicht den Vorschriften der Legion entsprach. Auf den Schulterstücken des schweren Panzers hatte sich der D’Ascas lange Metalldornen anschmieden lassen, auf denen, wie Valerius erschreckt feststellte, der Kopf eines Mannes baumelte. Valerius erkannte das Haupt als den Kopf des Wirtes, den sie einst aus der Herberge bei den Minen mit hierher gebracht hatten. Um den Thron herum standen sechs Männer der Leibgarde des Protectors, die den Centas grimmig anblickten. Der Blick des D’Ascas war abwesend, und manchmal schien er bestätigend oder verneinend zu nicken, als sei er im Zwiegespräch mit einer anderen Person in seiner Nähe. Die Augen wirkten verschleiert. Langsam klärte sich aber sein Blick, und er legte den Kopf schief und blicke Valerius lauernd an. Noch immer konnte Valerius nicht den Blick von dem schaurigen Kopf auf der Schulter des Protectors nehmen. Langsam folgte der Kopf von Scylla der Blickrichtung des Centas und als ihm bewusst wurde, was Valerius anblickte, fing er schließlich an zu kichern. \ „Ihr fragt euch wie der Kopf des guten Wirtes auf diesen schaurigen Dorn kommt, lieber Valerius?“ fragte der Protector, „nun, er hat es gewagt, mir eine versalzene Suppe vorzusetzen, vielleicht war er in die gute Ludmilla verliebt, die, wie man mir berichtet hat, nun meine Männer mit ihrer feurigen Vulva erfreut! Ist das nicht ein guter Witz, ihre feurige Vulva!“ Dann fing der D’Ascas wieder an, hemmungslos zu kichern. „Lacht gefälligst mit!“, schrie Scylla plötzlich, und seine Augen bekamen einen drohenden Glanz. Irgendwie schien es dem Centas ratsam, ein gezwungenes Lachen von sich zu geben, und da auch die anwesende Leibwache nun dröhnend in das Gelächter des wahnsinnig gewordenen Protectors einfielen, schien diesem das gezwungene Lachen von Valerius nicht weiter aufzufallen. So plötzlich, wie Scylla das Lachen eingefordert hatte, gebot er mit einer herrischen Handbewegung Ruhe. Sofort schwiegen die Soldaten der Leibwache und Valerius. \ „Berichtet!“, befahl der D’Ascas, und Valerius trug seinen Bericht über die Vernichtung der Hastatt und seinen Verdacht hinsichtlich der Beteiligung einer anderen, noch nicht bekannten Macht, dem Heerführer vor. Als Valerius geendet hatte, schwieg der D’Ascas für ein paar Minuten, und wieder hatte Valerius das Gefühl, als würde dieser stumme Zwiesprache mit einer anderen Person halten, die Valerius aber nicht sehen konnte. \ „Ihr wagt es!“, schrie der Protector plötzlich auf, und seine Züge verzerrten sich zur Unkenntlichkeit. Seine Augen schienen aus dem Kopf zu treten, und weißlicher Schaum sprühte von seinen Lippen, sein Kopf lief vor Zorn rot an, „man hat eine Hastatt des Imperators niedergemetzelt und das einzige was ihr mir berichtet könnt, sind Vermutungen und Verdächtigungen! Was habt ihr veranlasst, wie viele dieser unwerten Einheimischen habt ihr durch meine glorreichen Legionäre hinrichten lassen, wie viele Dörfer habt ihr zur Strafe niederbrennen lassen? Ich fordere, dass für jeden meiner Männer sofort einhundert dieser verdammten Bastarde hinzurichten sind, und wenn ihr keine Bäume mehr findet, um daraus Kreuze zu machen, dann nagelt diese Aufständischen an ihre Hauswände, tötet ihre Frauen, vernichtet sie, zermahlt ihre Knochen und streut sie auf ihre verdammten Felder!“ \ Durch seine maßlose Wut angetrieben, hatte sich der Protector halb von seinem steinernen Thron erhoben, auf den er sich nun mit vor Anstrengung hochrotem Kopf niedersinken ließ, wobei der Kopf des unglücklichen Kochs grausig hinund herwackelte. Valerius war sprachlos. Die Wut, der unbändige Zorn und der Wahnsinn, der in den Augen des Feldherren flackerte, machte ihn sprachlos. Für einen kurzen Moment wog er seine Chancen ab, das Schwert zu ziehen und dem Wahnsinnigen im Namen des Imperators den Kopf abzuschlagen. Doch nie würde er lebend an der dicht um den Thron stehenden Leibwache vorbeikommen. Was es auch immer gewesen war, durch welche Magie oder Zauberkunst es dem Feldherren Markus Tiberius Scylla möglich gewesen war, Valerius zu seinem treuesten Untertan zu machen, war verflogen. Valerius erblickte auf diesem Thron nur einen wahnsinnigen Despoten, der alles andere als die Interessen des Imperators in dieser Provinz vertrat. Valerius konnte sich denken, das jeder Einspruch gegen den gerade ergangenen Befehl des verrückten Protectors dazu führen würde, das sein Kopf umgehend neben dem Koch auf einem noch freien Dorn plaziert werden würde. \ „Jawohl, ich werde eure Befehle sofort umsetzen und mit einer Hastatt unserer glorreichen Legion zum Ort des Verbrechens zurückkehren, um zehntausend Einheimische hinrichten lassen. Für jeden getöteten Legionär hundert Chinche, wie ihr es befehlt!“ sagte Valerius im brutalsten Befehlston, der ihm in dieser Situation angemessen schien. Wenn nur ein weniges fehlging, und der Protector spüren würde, das er diesen unsinnigen Befehl nicht beabsichtige umzusetzen, wäre sein Leben sofort verwirkt. \ Wieder schien der D’Ascas einer inneren Stimme zu lauschen, wobei er den Kopf leicht geneigt hielt. Dann wedelte er angewidert mit der linken Hand und entließ den Centas. Valerius drehte sich um und ging eiligen Schrittes, ohne sich noch einmal umzusehen, aus dem Palast. Er stieg auf ein Pferd und verließ die finstere Stätte, zu der Dithorno unter der Herrschaft des D’Ascas Scylla geworden war. Irgendwo musste sich Lucius Scaevola Argens aufhalten, und vielleicht wusste der ehemalige Protector einen Weg, wie man das Blutbad aufhalten konnte. Während er sich mit seinem frischen Pferd auf die Straße nach Nga-Nova begab, fühlte sich Valerius seit langer Zeit wieder frei, und erneut spürte einen leichten Geruch nach Sandelholz, der ihm in die Nase stieg. \ „Ich weiß nicht, Imperator, was dich bewogen hat, dem D’Ascas Markus Tiberius Scylla eine zweite Chance zu geben, und ich will auch nicht deine Weisheit anzweifeln, doch was immer deine Pläne waren, dies kann nicht dein Wille sein!“, murmelte Valerius bei seinem scharfen Ritt, während er an unendlich vielen Gekreuzigten vorbei ritt. Was hatte ihm der Stallknecht mit ängstlicher Stimme zugeflüstert, als er ihm das gesattelte Pferd übergeben hatte? „Centas Valerius, man munkelt der Heerführer und Protector hält sich für den Reiter der Finsternis, sind wir alle verdammt?“ Er hatte nur mit den Schultern gezuckt und den armen Stallknecht ratlos zurück gelassen.Valerius gab seinem Pferd die Sporen.