Nauyaques 1 Tochter

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Die ersten Vögel begannen, ihr Loblied auf die aufgehende Sonne zu singen, die erst als kleiner, goldener Streifen am Horizont zu sehen war. Lucius Scaevola Argens war schon mehrere Stunden auf den Beinen. Entgegen der landläufigen Meinung, der dekadente Protektor des Imperiums würde sich frühestens gegen die Mittagstunde von seinem Lotterlager erheben, stand er bereits auf, wenn andere erst zu Bett gingen. Vier, vielleicht fünf Stunden mußten reichen, um genug Kraft zu tanken, sein Tagesgeschäft zu bewältigen. Nur genügten sie in den letzen Wochen immer seltener. Scaevola schob seine Müdigkeit auf den Streß, dem er ausgesetzt war: Er mußte die Provinzen verwalten und den Aufstand vorbereiten, beides, ohne daß die eine oder andere Partei davon Wind bekam, daß er ein doppeltes Spiel trieb. Was ihm an Energie fehlte, versuchte er mit Dithornos und scharfem Xocolatl zu kompensieren, trotzdem entging es seinen engsten Vertrauten nicht, daß der Protector von Tag zu Tag mehr an eine gybalische Mumie ohne Bandagen erinnerte. \ Die Nacht kam erst nach Jahrhunderten des Entscheidens, Verwaltens und Deligierens. Scaevola, der eigentlich für die Nachtarbeit geboren war, hatte sich schon den ganzen Tag auf das Ende desselben gefreut. Völlig erschlagen von all den Mühen fand er kaum noch die Kraft, sich seiner Toga zu entledigen, bevor er 1 Nauyaque: toquatekischer Gott der Gifte Hijklmnopqrsb PQRS\abcdefij Gesprengte Ketten Seite 4 auf sein Bett aufschlug. Die Tür ging kaum hörbar auf, leichte Füße trippelten über den Marmorboden. Dann begannen zarte Finger kraftvoll, seinen verspannten Rücken zu bearbeiten. Der leichte Duft von Gewürzen und Orchideen durchflutete jeden Winkel des Raumes und verstärkte das Wohlbefinden während der Massage. Dahindämmernd beglückwünschte sich Scaevola dazu, Jianna nicht in ihr Dorf zurückgeschickt zu haben. Die xocolatl-braune Schönheit hatte sich in den letzten Wochen von einer verzogenen Göre, die der Meinung war, alle Männer würden nur existieren, um sie zu vergöttern, zu einer jungen Dame entwickelt. Ohne, daß er es richtigt bemerkt hatte, schien es sich Jianna zur Aufgabe gemacht zu haben, ihm die Bürde des Herrschens durch kleine Aufmerksamkeiten zu erleichtern. Wie diese Massage. Wie den kleinen, eigens für ihn zusammengestellten Nachtrunk, der ihn immer schnell in das Reich der Träume führte. Vergessen schien der Versuch, ihn zum Jiannas Schoßtier zu machen, vergangen die Aera der zerschellenden Vasen, weil er sie ignorierte und auslachte. Der Widerspenstigen Zähmung schien ein voller Erfolg zu werden, aber er hatte keine Kraft, seinen Sieg zu genießen. Er ließ sich seinen Schaftrunk munden, lächelte seinem Engel noch einmal zu und fiel dann auf der Stelle in einen Schlaf der Erschöpfung. Er würde weder bemerken, daß Jianna, wie jede Nacht, in sein Bett stieg und sich an ihn schmiegte, um dann bevor er wach wurde, sein Zimmer zu verlassen, noch würde er die Tränen spüren, die sie vergoß. \ Jiannas Lachen wurde durch die Brandung gedämpft, als der hochgewachsene, gut aussehende Toquateke in tarcyrischer Kleidung sie spielerisch an sich zog. Sie war glücklich. Ein Herr, der die große, weite Welt gesehen hatte, gebildet und kultiviert, liebte sie. Er wußte wie man eine Frau zu behandeln hatte, nicht so wie diese Tölpel in ihrem Dorf, die in ihr nur eine wohlgeformte Gebärmaschine für neue Tölpel sahen. Er schenkte ihr Schmuck, erfreute sie mit selbstverfassten Gedichten, las ihr jeden Wunsch von den Augen ab. Von allen feinen Damen in Dithorno, die ihm zu Füßen lagen, hatte er Jianna erwählt, das einfache Mädchen vom Lande. Ihr Glück schien vollkommen, nur eine Sache trübte den Himmel. “Laß uns von hier fliehen”, bat sie ihren Liebhaber tränenüberströmt. “Ich werde Dir nicht zur Last fallen, das verspreche ich Dir. Nur laß nicht zu, daß man uns trennt. Ich werde mich von der höchsten Klippe stürzen, wenn Tayt’a 2 mich zwingt, nach Dithorno zum Protector zu gehen!” Er lächelte sie an, nahm sie in seine starken Arme und strich ihr sanft über ihr Haar. “Hab keine Angst, mein Liebling. Ich werde nicht zulassen, daß Dir etwas geschieht.” Er nahm ihr Gesicht in beide Hände und hauchte einen Kuß auf ihre Augen. ”Doch wir dürfen nicht nur an unser Glück denken. Wenn der Bastard keine Steuern erhält, werden seine Soldaten kommen, und das Dorf wird aus der Geschichte verschwinden, genauso wie alle, die in ihm leben.” Sie wollte aufbegehren, ihm entgegenschleudern, daß ihr egal war, was aus dem Dorf wurde, aber sie wußte, daß dem nicht so war. “Nur Du kannst das Leben deiner Verwandten und Freunde retten! Hab keine Angst. Du wirst nicht lange in der Gewalt des Ungeheuers sein, denn ich werde Dir 2 Tayt’a: chinche für Vater Hijklmnopqrsb PQRS\abcdefij Gesprengte Ketten Seite 5 helfen.” Sie sah ihn mit einer Mischung aus Hoffnung und Neugier an. “Erlange sein Vertrauen. Mach, daß er nicht mehr atmen kann, ohne Dich. Dann nimm den Inhalt dieses Fläschens. Es enthält den Saft einer Blume, die man in den Sümpfen findet und ist eines der tödlichsten Gifte, die es in Xiduria gibt. Gib ihm jeden Tag vier Tropfen in sein Essen und er wird schwächer und schwächer werden und irgendwann zu seinen verfluchten Göttern gehen. Wage es nicht, ihm mehr zu verabreichen, denn dann werden die Medici des Imperiums Verdacht schöpfen, und Alles wäre vergebens. Ist das Schwein erst tot, wird niemand merken, daß Du verschwunden bist, und auch Dein Dorf wird vergessen sein, denn die Hyänen des Imperiums werden sich um den Kadaver streiten, der sich Macht nennt, und ihn dabei ausbluten. Dann ist der Zeitpunkt, für unsere Freiheit zu kämpfen, und wir werden für immer in Sicherheit sein.” Er blickte sie eindringlich an. “Willst Du diese hehre Aufgabe für Dein Land, Dein Dorf und mich vollbringen?” fragte Kalchun Qualpaq sie. Ihre Lippen hauchten ein “Ja”, dann obsiegte beider Leidenschaft. \ Das Mondlicht ließ den unbedeutenden Seiteneingang des Palastes im Schatten. Die junge Frau und ihr in einen Umhang gehüllter Begleiter wagten dennoch nur, zu flüstern. “Er... Er ist kein Ungeheuer. Es ist falsch, was wir tun!” Der Mann faßte sie unsanft an den Schultern. “Soweit hat er Dich bereits beeinflußt! Alles was er sagt, alles was er tut, ist nur Schein. Es dient dazu, alle von seinen wahren Absichten abzulenken! Glaub mir, der Mann ist das inkarnierte Böse.” “Mein Liebster, Du irrst. Der Protector ist ein Gesandter des Landes. Er kann nicht Böse sein.” “Haben sie Dir das weisgemacht?...Egal, Du wirst Deine Aufgabe zu Ende bringen...” “Ich kann nicht”, hauchte Jianna, “Ich will nicht!” “Nun”, führte der Mann das Gespräch fort,” es ist Deine Entscheidung. Ich kann Dich nicht zwingen.” Darauf drehte er sich um und begann, wortlos fort zu gehen. Nach zwei Schritten drehte er sich um: “Geht Deine kleine Schwester immer noch so gerne auf den Klippen spazieren?” “Ich verstehe nicht...” “Man kann dort leicht stürzen, die See am Fuße der Klippen ist rauh und laut. Ein gefährlicher Ort...” “Du wirst meiner Schwester kein Haar krümmen!” Ihre Stimme wurde lauter, Panik schwang in ihr. “Solange Du brav bist...” \ “Hier, Herr. Euer Schlummertrunk.” “Ich danke Dir, Schönheit. Womit habe ich es nur verdient, so verwöhnt zu werden?” Jianna strahlte ihn an, Scaevola lächelte schwach zurück und setzte den Pokal zitternd an seine Lippen. “Ich würde die Finger davon lassen!” Aus dem Schatten trat ki’Ansi, der Magier: “Zumindest, wenn Du nicht Lebensmüde bist. Das Küken schüttet Dir irgendein Zeug in den Wein, und ist immer bedacht, dies im Geheimen zu tun.” Jianna wurde bleich: “Das...das ist ein Mittel zur Stärkung. Ich...” “Dann hast Du wohl nichts dagegen, wenn ich mir das Mittel kurz ansehe, oder? Vielleicht kann ich es - sagen wir - verbessern.” Hijklmnopqrsb PQRS\abcdefij Gesprengte Ketten Seite 6 Das Mädchen wurde noch eine Spur bleicher. Sie holte aus ihrer Gewandtasche das Fläschen heraus und warf es am Magier vorbei. Dann wirbelte sie auf dem Absatz herum und wollte fluchtartig die Gemächer verlassen. Sie riß die Tür auf und prallte auf zwei der Halsabschneider aus der persönlichen Garde des Protectors. Unsanft landete sie auf dem marmornen Palastboden. Erschreckt bemerkte sie, daß die kleine Phiole nicht zerschellte, sondern scheinbar ohne menschliches Zutun auf den Magier zu schwebte. Der öffnete den Korken und roch an dem Inhalt: “Purpurne Lilie, ganz eindeutig.” Voller Zorn wandte er sich dem verschreckten Etwas zu. Seine doch eher schlanke Gestalt wuchs zu einem Riesen, und aus seinen Augen sprühte Feuer: “WIEVIEL HAST DU IHM GEGEBEN?” Jianna konnte ihre Angst nicht verbergen. Sie weinte und wimmerte, kaum waren ihre Worte zu verstehen, so sehr zitterte ihre Stimme: “V....Vier Tropfen. Seit mehr als einem Monat, vier Tropfen... Ich wollte es nicht”, schluchtzte sie : “Er hat mich gezwungen...” Der Magier ignorierte die letzten Worte. “Es ist schlimmer als ich dachte, Lucius. Es gibt kein uns bekanntes Gegenmittel gegen den Saft der purpurnen Lilie. Und die Menge, die Du über einen solchen Zeitraum zu Dir genommen hast, bringt Dir unweigerlich einen langsamen und qualvollen Tod. Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wie ich Dir helfen soll. Das ist wohl das Ende unserer Gemeinschaft.” Voller Haß sah er auf Jianna herab:“Bringt sie in die Kammer, und wenn sie alles preisgegeben hat, laßt sie verschwinden.” “Nein”, die Stimme des Protectors war nicht mehr als ein Flüstern: “Fügt ihr kein Leid zu. Sie wird uns alles sagen, was sie weiß. Lebend ist sie nützlicher, als tot.”, vernahm man die schwache, doch energische Stimme des Protectors. “Solange es geht, machen wir weiter. Wir werden schon ein Mittel finden. Wir finden immer ein Mittel.” „Geht“ „Geht“ „Nach N’ga“ Nova Alle Keiner der Anwesenden sagte etwas. Wieder hatte ihr Schützling zu ihnen “gesprochen”. Keiner wagte, an der Anweisung zu zweifeln, und so dauerte es nur wenige Augenblicke, bis alles Notwendige gepackt war und die Gruppe die Gemächer über einen geheimen Ausgang verließ. Den Protector, zu schwach für die Strapazen der Reise, trugen Männer seiner Garde. Als die Sonne aufging, waren sie schon Stunden von Dithorno entfernt. \ Das Feuertor entstand ohne Vorwarnung in der großen Empfangshalle. Eine Centas Elite- Legionäre in V- Formation stampfte zum Kampf bereit daraus hervor. Nach ihnen erschien ein Mann in der Uniform und den Insignien eines D’ascas. Mit einer Handbewegung beendete er den Tumult. Seine Hand griff in eine Tasche und holte eine Schriftrolle hervor. Mit lauter, doch sanfter Stimme begann er: “Ich bin der D’ascas Marcus Tiberius Scylla. Im Namen des Imperiums und des Imperator MAGHAN übernehme ich das Amt des Protectors. Lucius Scaevola Argens ist aller seiner Ämter enthoben und steht unter Arrest!”