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[[Mareikje Groß]] und [[Michael Brum]]  
[[Mareikje Groß]] und [[Michael Brum]]  


März/April/August 2005
März/April/August 2005


Prolog
== Prolog ==
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Wegen Renovierung geschlossen.
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Die Veränderung war minimal. Die Schale wurde heller, kaum sichtbar, nur einen Hauch und die Ader begannen zu pulsieren. Das leise Knacken verhallte ungehört und der entstandene erste Riß war winzig  
Die Veränderung war minimal. Die Schale wurde heller, kaum sichtbar, nur einen Hauch und die Ader begannen zu pulsieren. Das leise Knacken verhallte ungehört und der entstandene erste Riß war winzig  
[[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]
[[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]
Gaetano und Fedora schlenderten durch die Straßen Sumanos. Hinter ihnen gingen Fiona und Mara, sowie eine Schwester des Ordens. Das Wetter hatte viele nach draußen gelockt. Es war ein stetes Sehen und Gesehen werden.   
== ==
[[Gaetano]] und [[Fedora]] schlenderten durch die Straßen [[Sumano|Sumanos]]. Hinter ihnen gingen Fiona und Mara, sowie eine Schwester des Ordens. Das Wetter hatte viele nach draußen gelockt. Es war ein stetes Sehen und Gesehen werden.   


”Bist du mir immer noch böse?” Bittend schaute die Priesterin ihren Begleiter an.  
”Bist du mir immer noch böse?” Bittend schaute die Priesterin ihren Begleiter an.  
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Gaetano grummelte etwas Unverständliches und schaute böse zu ihr hinunter.  
Gaetano grummelte etwas Unverständliches und schaute böse zu ihr hinunter.  


”Nun mach doch nicht so ein finsteres Gesicht. Es ist ja nichts passiert.” Fedora unterdrückte mühsam einen Seufzer. Seit zwei Tagen strafte ihr Leibwächter sie mit diesem Gehabe. Er fand es immer noch nicht amüsant, daß sie ohne seinen Schutz unterwegs gewesen war.<sup>1</sup>  
”Nun mach doch nicht so ein finsteres Gesicht. Es ist ja nichts passiert.” Fedora unterdrückte mühsam einen Seufzer. Seit zwei Tagen strafte ihr Leibwächter sie mit diesem Gehabe. Er fand es immer noch nicht amüsant, daß sie ohne seinen Schutz unterwegs gewesen war. <ref name="ref1">Siehe Geschichte: Sturm der Gefühle</ref>  


Nun gut, er wird sich auch wieder beruhigen, dachte die Frau. Das hat er bis jetzt immer getan.  
''Nun gut, er wird sich auch wieder beruhigen,'' dachte die Frau. ''Das hat er bis jetzt immer getan.''


Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Immer wieder nickte Fedora jemandem zu oder hob zum Gruß ihre Hand. Die beiden waren eine kleine Attraktion in Sumano: Der Eingeborene und die Hohepriesterin. So etwas hatte es hier bisher noch nicht gegeben. Aber die Leute hatten Respekt vor diesem grimmigen Mann. Seit dem sich Fedora in Sumano befand, hatte sie eine Menge einflußreiche Menschen kennen gelernt. Genau so, wie Lucius es von ihr verlangt hatte. Sie war gerade in ein Gespräch vertieft, als Medaz mit seiner Frau vorbei schlenderte. ”Ehrwürdige Agia.” Medaz blieb stehen und verneigte sich leicht. ”Darf ich Euch mit meiner Frau bekannt machen. Ich nehme an, Ihr habt sie bis jetzt noch nicht kennengelernt.” Fedora verabschiedete sich höflich von ihren bisherigen Gesprächspartnern und wandte sich Medaz zu. ”Seid gegrüßt, Medaz.” Die Priesterin reichte ihm ihre Hand und er hauchte einen Kuß darauf. Dann wandte sie sich seiner Frau zu und betete darum, daß ihr Gesicht nicht zu sehr ihre Empfindungen widerspiegelte. Diese war ja fast noch ein Kind! Wunderschön, darin bestand kein Zweifel und sie gab sich erwachsen, aber das war sie noch lange nicht. Sie hoffte, daß Medaz sie wenigstens ein wenig liebte und nicht nur wegen ihres Erbes geheiratet hatte. Lächelnd reichte sie Marzella ihre Hand und diese hauchte ebenfalls einen Kuß darauf. ”Ehrwürdige Agia. Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen.” Marzella sprach mit honigsüßer Stimme, geschickt ihre Verwirrung verbergend. Hier stand nun die Frau, die Parz in ihr Heim geholt hatte. Sie wußte, was während ihrer Abwesenheit in Tizio vorgefallen war. Sebastian hatte ihr eine Nachricht zu kommen lassen und alles bis ins kleinste Detail geschildert. Außerdem konnte sie sich noch genau an den Namen erinnern, den Medaz am Morge nach der Hochzeitsnacht geflüstert hatte. Marzella konnte nicht verstehen, das Parz Gefallen an dieser Priesterin fand. Deutlich sah man das Grau in ihren Haaren, die Falten in ihrem Gesicht. Sie war alt! Konnte sie wirklich eine Konkurrentin werden? Marzella würde mit Sebastian reden müssen.
Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Immer wieder nickte Fedora jemandem zu oder hob zum Gruß ihre Hand. Die beiden waren eine kleine Attraktion in Sumano: Der Eingeborene und die Hohepriesterin. So etwas hatte es hier bisher noch nicht gegeben. Aber die Leute hatten Respekt vor diesem grimmigen Mann.
Fiona drängelte sich zwischen Fedora und Gaetano. ”Mir ist langweilig, Ma’ma. Können wir zum Strand gehen?” Lächelnd sah sie zur Agia hinauf.”Du sagst erst einmal guten Tag.” meinte Fedora streng, lächelte aber gleich darauf ihre Tochter an. Fiona drehte sich unwirsch herum und begrüßte Medaz und Marzella. Dabei hob sie ein wenig ihr Kleid und deutete einen Knicks an. ”Guten Tag, kleine Dame”, meinte Medaz und beugte sich zu ihr hinunter. ” Am Strand zu spielen ist eine vorzügliche Idee von dir.” Dabei zwinkerte er ihr mit dem rechten Auge zu. ”Wie mir zu Ohren gekommen ist, liebt deine Mutter den Strand.” Er hatte sich wieder aufgerichtet und streichelte Fiona über ihr dunkles Haar. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Fedora und Gaetano. Marzella bemerkte erstaunt, wie sich das Gesicht des Leibwächters noch mehr
verfinsterte. Und war das wirklich ein Anflug von leichter Röte auf dem Gesicht der Priesterin?


”Ist die Kleine wirklich das Kind der Agia?” wollte Marzella wissen, nachdem sie wieder alleine waren. ”Natürlich.” meinte Parz knapp. ”Warum?” ”Nur so, mein Lieber.” Medaz blickte seine Frau eine Weile
Seit dem sich Fedora in Sumano befand, hatte sie eine Menge einflußreiche Menschen kennen gelernt. Genau so, wie Lucius es von ihr verlangt hatte.
nachdenklich an, ehe er antwortete: ”Bist du der Ansicht, sie sollte keines haben, nur weil sie die Agia ist? Nirgends steht geschrieben, daß dies verboten ist.” ”Du hast sie in mein Heim geholt.” Marzella versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten. ”Ich habe mich schon gefragt, wann du davon anfängst. Du warst geduldiger, als ich erwartet habe. Außerdem ist es unser Heim.”. Wie großmütig und nachsichtig von
ihm. Als wäre sie ein kleines Kind! ”Würdest du es mir bitte erklären?” Mühsam unterdrückte sie ihre Wut. ”Was gibt es da zu erklären? Ein Mensch brauchte Hilfe. Ich habe diese Hilfe angeboten. Du hättest an meiner Stelle doch hoffentlich auch so gehandelt, meine Liebe.” Er hob ihre Hand an seine Lippen und küßte sie sanft. In seinen dunklen Augen erkannte sie ein gefährliches Glitzern. ”Ich kann mir nicht vorstellen, daß in dir nicht ein Funken Barmherzigkeit steckt.” Sein Ton hatte eine eisige Kälte angenommen und Marzella wußte genau, daß es nun besser war, nicht mehr viele Worte über dieses Geschehen zu verlieren. Sie lächelte ihren Mann an. ”Natürlich hätte ich auch geholfen, das weißt du ganz genau.” Dann senkte sie ihren Kopf und sie gingen weiter. Tränen sammelten sich in ihren Augen. ”Möchtest du heute Abend ausgehen, Durena?” ”Ja, mein lieber Gaetano. Was hältst du von einem Besuch im Kasino?” ”Mmmh. Wenn du dies wünschst.” Er war immer noch nicht versöhnt! Bevor Fedora ihm eine gewißlich scharfe
Antwort geben konnte, betrat eine Schwester den Raum. ”Ehrwürdige Mutter. Besuch ist für Euch eingetroffen.” Ehe sie weitersprechen konnte, stand auch schon ein Mann im Raum. ”Hermensz!!!” Fedora war aufgesprungen und eilte ihm entgegen. Hermensz Tito van Breijn lächelte. Er breitete seine Arme auseinander, als wolle er sie umarmen, ergriff statt dessen jedoch ihre Hand, verbeugte sich schwungvoll und
deutete einen Kuß an. ”Fedora.” Er hüstelte übertrieben und meinte dann, ”Ehrwürdige Agia.” Sie schlug ihm sanft auf den Arm. ”Laßt das.” meinte sie nur. ”Ich freue mich, Euch zu sehen. Was treibt Euch her?”
”Nun, die gute Seeluft?” Er schaute keck und ein Leuchten lag in seinen Augen. ”Kommt, setzt Euch zu uns. Ojora, noch ein Gedeck. Berichtet, was gibt es Neues aus Tizio? Gaetano, ich gehe heute nicht mehr aus. Du kannst dich zurückziehen.” Ihr Tonfall war kühl, sie hatte sein Verhalten nicht vergessen. An ihren Besucher gewandt, meinte sie. ”Seid Ihr direkt aus Tizio gekommen?” Nachdem Gaetano sich entfernt hatte, beantwortete Hermensz Fedoras Fragen. 
”Nein. Und aus der Stadt gibt es nichts
Besonderes zu berichten. Die Menschen
erholen sich noch vom Fieber. Und jeder
geht wieder seinen Geschäften nach.
Aber sagt mir, wie geht es Euch? Ich sehe, Ihr kommt gut mit Gaetano aus, ja?”
Er lächelte verschmitzt und Fedora fing
an zu lachen wie schon lange nicht mehr.  


Inzwischen war eine Woche vergangen.
Sie war gerade in ein Gespräch vertieft, als Medaz mit seiner Frau vorbei schlenderte. ”Ehrwürdige Agia.” Medaz blieb stehen und verneigte sich leicht. ”Darf ich Euch mit meiner Frau bekannt machen. Ich nehme an, Ihr habt sie bis jetzt noch nicht kennengelernt.”
Jeden Morgen hatten sich Fedora und
Hermensz zum Ausritt verabredet. Fedora tat die Gesellschaft dieses Mannes gut.
Er war witzig, intelligent, spontan. Er
schaffte es mit Leichtigkeit sie zum lachen zu bringen. Sie besuchten abends
immer eine der vielen Gesellschaften, auf
denen sie gerne gesehen waren. An diesem Abend waren sie auf einem Ball bei
einer Familie aus Dithorno gewesen. Die
Sigaars besaßen bei Dithorno eine große
T’chubac-Plantage. Hier in Sumano suchten sie einen Mann für ihre Tochter.
Welch herrlicher Abend war das gewesen. Fedora hatte keinen der Tänze ausgelassen.
Als Hermensz die Priesterin spät in der
Nacht nach Hause brachte und Gaetano
sich schon diskret zurückgezogen hatte,
fiel ihm etwas ins Auge. Er betrachtete
lange Fedoras Hals.
”Dies ist eine schöne Kette.” meinte er.
”Oh, ... ja.” Leicht verwirrt ob seines
Verhaltens berührte Fedora ihr Amulett.
”Recht hübsch, nicht wahr. Es ist mein
Glücksbringer.”
Abermals sah er sich das Schmuckstück
an, zögerte kurz. ”Ich glaube nicht, daß
Ihr so etwas nötig habt.” Er versuchte, es
beiläufig klingen zu lassen.
”Man kann nie wissen, Hermensz, man
kann nie wissen.” Sie schaute ihn fragend
an, aber bekam keine Antwort. Kurz darauf wünschte Hermensz ihr eine Gute
Nacht und Fedora zog sich in ihre Gemächer zurück. Wenig später lag sie in ihrem Bett und schlief tief und fest.


”Ehrwürdige Mutter.” Ojora schüttelte
Fedora verabschiedete sich höflich von ihren bisherigen Gesprächspartnern und wandte sich Medaz zu.
Fedora leicht an der Schulter. ”Wacht
auf.”
”Was möchtest du denn? Ist etwas mit
Fiona?”
”Nein. Raja ist mit einer Botschaft eingetroffen, Ehrwürdige Mutter.”
”Jetzt? - Schicke sie bitte zu mir.” Beunruhigt erhob sich Fedora und zog sich
rasch ihren Hausmantel über.
Wenig später hielt sie ein Pergament in
den Händen. Und was die Priesterin las,
trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht. Sie
trat auf den Korridor.
”Gaetano!!!”
Schnell war er bei ihr. Er blickte seine
Herrin fragend an. ”Durena? Was ist geschehen?” fragte er sichtlich besorgt.
”Wir müssen sofort zurück nach Tizio.
Komm.”
”Aber ...” Ohne einen Kommentar reichte sie ihm die Botschaft.
‘Ehrwürdige Mutter,
In Tizio sind Dinge geschehen, die
Dein sofortiges Erscheinen dringend erforderlich machen.
Der Priesterrat wurde geschlossen.
Von den Truppen des Imperators.
Ihr Oberbefehlshaber, der D‘ascas
Conius Corvin behauptet, im Rat
würde man gegen das Imperium
handeln und er wird nie wieder geöffnet.
Alle sind in Panik. Komme, so
schnell es Dir möglich ist, zurück.
Möge das Licht dich auf Deinem
Weg begleiten
Kore‘
”Dies ist ein Scherz! Das kann niemals
der Wahrheit entsprechen.” Ungläubig
ließ Gaetano das Pergament auf den Boden fallen.
”Du weißt, daß Kore nie scherzt. Was,
beim In’Ret hat das zu bedeuten? Gegen
das Imperium handeln. So einen Terzjn
2
habe ich ja noch nie gehört.” Gaetano
mußte trotz allem schmunzeln. Immer
wenn die Agia so wütend war, fing sie an,
einheimische Beschimpfungen zu gebrauchen. ”Ojora, du mußt alle nötigen
Vorbereitungen für eine sofortige Rückreise treffen. Ich möchte, daß Du und alle
Anderen in zwei Tagen unterwegs seid.
Gaetano, du begleitest mich. Wir reiten
in einer Stunde los. Beeilt Euch! ”
Nachdem Fedora sich von ihrer Tochter
verabschiedet hatte, eilte sie mit Gaetano
zu den Ställen, wo die Pferde bereits gesattelt auf sie warteten. Schnell hatten sie
das wenige Gepäck verstaut und machten
sich auf den Weg.


Obwohl es bereits spät in der Nacht war,
”Seid gegrüßt, Medaz.” Die Priesterin reichte ihm ihre Hand und er hauchte einen Kuß darauf. Dann wandte sie sich seiner Frau zu und betete darum, daß ihr Gesicht nicht zu sehr ihre Empfindungen widerspiegelte. Diese war ja fast noch ein Kind! Wunderschön, darin bestand kein Zweifel und sie gab sich erwachsen, aber das war sie noch lange nicht. Sie hoffte, daß Medaz sie wenigstens ein wenig liebte und nicht nur wegen ihres Erbes geheiratet hatte. Lächelnd reichte sie Marzella ihre Hand und diese hauchte ebenfalls einen Kuß darauf. ”Ehrwürdige Agia. Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen.” Marzella sprach mit honigsüßer Stimme, geschickt ihre Verwirrung verbergend. Hier stand nun die Frau, die Parz in ihr Heim geholt hatte. Sie wußte, was während ihrer Abwesenheit in Tizio vorgefallen war. Sebastian hatte ihr eine Nachricht zu kommen lassen und alles bis ins kleinste Detail geschildert. Außerdem konnte sie sich noch genau an den Namen erinnern, den Medaz am Morge nach der Hochzeitsnacht geflüstert hatte. Marzella konnte nicht verstehen, das Parz Gefallen an dieser Priesterin fand. Deutlich sah man das Grau in ihren Haaren, die Falten in ihrem Gesicht. Sie war alt! Konnte sie wirklich eine Konkurrentin werden? Marzella würde mit Sebastian reden müssen.
herrschte eine außergewöhnliche Betriebsamkeit auf den Straßen Sumanos.
Fedora erblickte im Schein eines aus einem Hauseingang flackernden Lichtes
Medaz. Sie lenkte ihr Pferd zu ihm hinüber.
”Könnt Ihr mir vielleicht erklären, was
in diese Leute gefahren ist?”
Langsam drehte Medaz sich um,
umfaßte das Zaumzeug von Fedoras
2 Terzjn: Schwachsinniger Sch ...
Pferd und begann das Tier zu streicheln.
”So spät noch unterwegs? Ihr habt noch
nicht gehört, was geschehen ist? Dennoch sehe ich, daß Ihr zur Abreise bereit
seid.” Er lächelte spöttisch, die Ironie in
seiner Stimme war nicht zu überhören.
”Medaz, bitte! Keine Spielchen. Ich muß
sofort zurück nach Tizio. Der Priesterrat
wurde geschlossen!”
Medaz schnaubte abfällig “ Was ihr sagt
ist nicht schlimmer als die Nachricht,
welche mich erreichte. Vor wenigen
Stunden traf die Kunde ein, das die Curie
in Tizio geschlossen wurde. Wie ihr bereits bemerkt habt, machen sich einige
Ratsmitglieder völlig überstürzt daran
zurückzureisen.” Er zeigte mit einer ausholenden Handbewegung auf die inzwischen völlig überlaufene Straße.
”Das kann doch nicht wahr sein!” Fedora erschrak. Wenn doch, welche Folgen konnten daraus entstehen? Was
hatte das Ganze zu bedeuten? War eine
Rückreise für die Schwestern unbedenklich? Das ganze Land konnte sich in ein
Tollhaus verwandeln.  
Sie gab sich einen Ruck.  
”Werdet Ihr noch länger hier bleiben?”
”Ich denke, noch einige Tage.” Antwortete der Mann.
”Medaz, ich möchte Euch um einen
Gefallen bitten. – Ich ...wenn ihr abreist, ... können meine Schwestern Euch
dann begleiten? ...Es wäre mir wohler,
wenn ich wüßte, das sie nicht ganz
schutzlos unterwegs sind ...Ihr habt doch
bestimmt Eure eigenen Schutztruppen
dabei? ... Die Schwestern machen sich
schon bereit,...” Verlegen hielt sie inne,
ihre Gedanken überschlugen sich.  
”Nun”, Medaz´ Stimme war ausgesprochen freundlich.
”Wer bin ich denn, daß ich mich den
Wünschen der Agia widersetzen würde?”
Fedora wollte sich gerade bedanken, als
er seinen Kopf vorbeugte. Er blickte auf
Gaetano, der anscheinend kurz vorm
Platzen stand, und legte vertraulich eine
Hand auf die von Fedora.
”Ich bitte Euch jedoch zu bedenken, ...”
flüsterte er ihr zu”... daß Ihr mir dann
auch einen kleinen Gefallen schuldet.” Er
blickte an ihr vorbei und beobachtete die
Reaktion des Leibwächters. Medaz`
Grinsen wurde breiter.
”Wie könnt Ihr ....” Ihr verschlug es die
Sprache. Nach einer Weile hörte sie sich
selber sagen:
”Mein lieber Medaz, wenn es in meiner
Macht steht, den Gefallen einzulösen,
welchen ich Euch nun Schulde, so möge
dies geschehen. Könntet Ihr bitte den
Schwestern meinen Wunsch, mit Euch zu
Reisen, mitteilen. Hier, ” sie zog einen
kleinen Ring von ihrem Finger. ”Gebt
ihm Ojora, dann wird sie wissen, daß
Eure Nachricht der Wahrheit entspricht.
Sie würde sonst unter keinen Umständen
mit Euch gehen. Und nun entschuldigt
mich bitte. Der Weg bis Tizio ist noch
weit.” Sie versuchte, ganz kühl und ungerührt zu scheinen, aber weder ihre
Stimme noch ihre Hand wollten gehorchen.
Medaz nahm den Ring entgegen. ”Ihr
wollt wirklich heute Nacht noch aufbrechen?” Aller Spott war aus seiner Stimme
verschwunden.
”Ich habe keine andere Wahl.” Sie gab
ihrem Pferd zu verstehen, das es nun
endlich weiter gehen würde und langsam
setzte es sich in Bewegung.
Noch einmal drehte sie sich um. ”Achtet
gut auf meine Frauen und die Kinder.
Sollte ihnen die geringste Kleinigkeit zustoßen ...!” Sie straffte ihre Schultern und
ritt ohne sich noch einmal umzusehen
weiter.


Ohne Hast zog sich Marzella vom Fenster in den Schutz des dunklen Zimmers
Fiona drängelte sich zwischen Fedora und Gaetano. ”Mir ist langweilig, Ma’ma. Können wir zum Strand gehen?” Lächelnd sah sie zur Agia hinauf.  
zurück.


”Durena! Wie konntest du die Sicherheit
”Du sagst erst einmal guten Tag.” meinte Fedora streng, lächelte aber gleich darauf ihre Tochter an. Fiona drehte sich unwirsch herum und begrüßte Medaz und Marzella. Dabei hob sie ein wenig ihr Kleid und deutete einen Knicks an.
der Frauen, die Sicherheit deines Kindes
in die Hände dieses X‘schac‘tal
3
legen?
Ich verstehe dich nicht!” Gaetano blaffte
Fedora verärgert an.
”Das mußt du auch nicht ... mir blieb
keine andere Wahl. Ungewöhnliche Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen. Ich muß ihm vertrauen.” Fedora
versuchte, ruhig zu bleiben.
Gaetano stieß einen unartikulierten
Wutschrei aus.
”Du hattest sehr wohl eine Wahl! Du
hättest sie in Sumano lassen können!”
”Nein, das kann ich nicht! Sobald wir
angekommen sind, werde ich versuchen,
ihnen weiteren Schutz entgegen zu schikken. Und jetzt hör auf, mir Vorhaltungen
zu machen! Dafür ist keine Zeit. Außerdem ist dein Ton mir gegenüber alles andere als Respektvoll!” Wütend funkelte
sie ihn an.


Sie ritten noch eine Weile, bis Fedora
”Guten Tag, kleine Dame”, meinte Medaz und beugte sich zu ihr hinunter. ” Am Strand zu spielen ist eine vorzügliche Idee von dir.” Dabei zwinkerte er ihr mit dem rechten Auge zu. ”Wie mir zu Ohren gekommen ist, liebt deine Mutter den Strand.” Er hatte sich wieder aufgerichtet und streichelte Fiona über ihr dunkles Haar. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Fedora und Gaetano. Marzella bemerkte erstaunt, wie sich das Gesicht des Leibwächters noch mehr verfinsterte. Und war das wirklich ein Anflug von leichter Röte auf dem Gesicht der Priesterin? [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert|rahmenlos]]”Ist die Kleine wirklich das Kind der Agia?wollte Marzella wissen, nachdem sie wieder alleine waren.
sicher war, das niemand sie sehen konnte. Dann hielt sie an und stieg von ihrem
Pferd. ”Wir machen schon eine Rast?
Stimmt etwas nicht?Gaetano war verwirrt, nahm aber dennoch den ihm hingehaltenen Zügel in die Hand.
3 X’schac’tal: Schakal
”Nein, es ist alles in Ordnung.” Dann
stellte sie sich mit erhobenen Händen hin
und murmelte einige Sätze in einer Sprache, die der Mann nicht verstand. Kurze
Zeit später erschien vor ihnen ein Feuerwirbel.
”Bringe uns sofort nach Tizio. In den
Garten von den Schwestern des Lichts.”
Nachdem der Rauch verschwunden war,
zeugte nichts mehr davon, was hier
geschehen war.


”Kore!” Laut rufend rannte Fedora
”Natürlich.” meinte Parz knapp. ”Warum?”
durch die Gänge des Konvents auf der
Suche nach ihrer Freundin.
Diese ließ nicht lange auf sich warten
und eilte der Agia entgegen. ”Wie gut,
daß du schon hier bist. Die ganze Stadt
spielt verrückt. Stell dir vor, man hat
nicht nur den Priesterrat geschlossen,
auch die Curie ist betroffen. Es heißt, es
wird nicht länger geduldet, daß man hier
eigenständige Entscheidungen trifft. Wir
hätten uns zu sehr von den Idealen des
Imperiums freigemacht.”
Eilig gingen sie in Fedoras Gemächer.
”Ich kann noch immer nicht glauben,
was ich höre. Gibt es noch mehr schlechte Nachrichten?”
”Nun, die Steuern wurden verdreifacht
und ....” Kore stockte.
”Ja?”
”Es wurde begonnen, Kinder in den
Krieg zu schicken.”
Fedora erfaßte ein Schwindel und
Gaetano mußte sie stützen. ”Sag, daß das
nicht wahr ist.”
”Das würde ich nur zu gerne. Die Truppen brauchen Soldaten und diese nehmen sie sich einfach. Die Erwachsenen
reichen ihnen nicht.”
Fedoras Magen verkrampfte sich. Sie
streifte rasch ihre Reisekleidung ab, zog
sich dann ein dunkles Kleid über und ergriff einen Umhang. ”Ich muß sofort mit
Quint sprechen.” Sie drehte sich um und
ging.
”Fedora! Nein, das kannst du nicht.
Draußen ist es bereits dunkel. Es wurde
eine Ausgangssperre verhängt.” Kore
hielt ihren Arm fest.
”Ich lasse nicht zu, daß man meine Freiheit einschränkt.”
”Aber ... Fedora, wir leben hier in einer
Strafkolonie, vergiß das nicht. Ich bitte
dich, warte bis morgen.” Sie sah sie flehend an. Angst spiegelte sich in ihren Augen wieder. Zu viel war in den letzten
Nächten geschehen.
”Nein, das kann ich nicht. Gaetano, du
wirst hierbleiben.”
”Mit Sicherheit nicht!” erwiderte der
Mann zornig. ”Ich ...”
”Du wirst machen, was ich dir befehle!”
Wütend sah sie ihn an. So hatte Gaetano
die Ehrwürdige Mutter noch nicht erlebt.
In diesem Augenblick verhielt sie sich,
wie ein Herr zu seinem Sklaven. ”Verhalte dich ruhig und unauffällig. Meinst du,
ich lasse zu, daß an einem Eingeborenen
ein Exempel statuiert wird? So weit wird
es nicht kommen. Und DU,” sie funkelte
Kore an, ”läßt sofort meinen Arm los!”
Nachdem Fedora gegangen war, schauten sich Kore und Gaetano ver-wundert
und sprachlos an.


Leise klopfte eine in einen dunklen Umhang gehüllte Gestalt an die Pforte des
”Nur so, mein Lieber.”   
Tempels Aece’tjpos4
. Vorsichtig spähte
die Gestalt in die Dunkelheit. Niemand
4 Gottheit der ungebändigten Urkraft
hatte sie bis jetzt bemerkt. Noch einmal
klopfte sie an.
Zögernd wurde die Pforte geöffnet.
Das Gesicht eines jungen Priesters erschien in dem schmalen Spalt. ”Was
kann ich für Euch tun?” fragte er leise.
”Ich muß mit Quint Pintus sprechen,
sofort.”
”Das ist unmöglich ...”
Oh, Maldito. Warum mußte ihr jeder
widersprechen?
”Hör mir genau zu. Wenn du mich nicht
sofort einläßt, werde ich dafür sorgen,
daß du aus dem Orden fliegst, haben wir
uns verstanden? Und nun laß die Agia
hinein.” Sie hatte diese Worte geflüstert,
aber deutlich konnte man ihren Zorn
heraus hören. Der junge Priester zweifelte keinen Augenblick daran, daß die Agia
ihre Drohung in die Tat umsetzen würde.
”Verzeiht. Bitte tretet näher.” Er öffnete
die Pforte eben so weit, daß die Frau hinein schlüpfen konnte. Danach schloß er
sie eilig.
”Bitte folgt mir, Ehrwürdige Agia.”
Warum nicht gleich so?
Nach einer Weile kamen sie an eine
reich verzierte Tür, der junge Priester
klopfte an und verschwand dahinter. Wenige Augenblicke später öffnete er sie
wieder und ließ Fedora ein. Eine letzte,
tiefe Verbeugung und er verschwand,
froh darüber, nicht benötigt zu werden.
”Seid Ihr wahnsinnig, mitten in der
Nacht hierher zu kommen? Kore wird
Euch doch mit Sicherheit über alles informiert haben?Mit schnellen Schritten
kam der alte Mann auf sie zu und zog sie
zur Begrüßung an sich. Dann hielt er Fedora eine Armeslänge von sich weg, betrachtete sie eingehend. ”Es tut gut, Euch
wiederzusehen. Ihr seht blendend aus.”
In seinem Gesicht mischte sich Erleichterung mit Besorgnis.
”Das wird sich schnell ändern. Eigentlich sollte ich mit Euch kein Wort mehr
reden.” Sie hatte viel kühler sein wollen.
Aber er sah wirklich so aus, als ob er sich
um sie sorgte.
”Wer wird denn so nachtragend sein?
Ihr müßt eingestehen, daß es eine gute
Idee war, Euch zur Erholung fortzuschikken.” Er lächelte und dies verlieh ihm einen gütigen Gesichtsausdruck.
”Tja. Eine schlimme Sache ist hier geschehen.” Abrupt ließ er sie los und ging
zu einem kleinen Tisch, auf dem Wein
und Gläser standen. Schweigend goß er
zwei Gläser voll und drückte ihr ungefragt eines in die Hand. ”Keiner kann
sagen wie das Ganze ausgehen wird.” Er
leerte sein Glas mit einem Zug und
schenkte sich erneut ein. Mit einer Geste
forderte er die Agia auf, sich zu setzen.
”Wann fing alles an?” Fedora sah beunruhigt die dunkeln Ringe unter Pintus´
Augen und die tiefen Falten in seinem
Gesicht.
”Vor etwa zehn Tagen. Sie stürmten in
die Ratssitzung und verkündeten, daß ab
sofort jegliche Art von Priesterzusammenkünften verboten seien. Wir mußten
das Gebäude verlassen und seit dem ist
es geschlossen.
Sogar Treffen verschiedener Orden wurden unterbunden. Wir stehen alle unter
Beobachtung. Um so gefährlicher ist Euer Besuch hier.” Quint lachte auf: ”Denkt
Euch. Selbst die Feierlichkeiten zu Ehren
der Götter sind untersagt. Es bestünde
dabei ein unüberschaubares Menschenaufkommen.”
   
Auf einmal schmeckte der Wein nach
Essig. ”Und ich dachte, es könnte nicht
mehr schlimmer kommen.”
”Das ist doch noch lange nicht alles. Von
was sollen die Menschen denn ihre Steuern bezahlen, die ins Unermeßliche gestiegen sind.” Verbissen schaute er auf
das Glas in seiner Hand.
Fedora holte tief Luft und starrte ungläubig den alten Priester an.
”Warum habt ihr mich nicht früher über
die Geschehnisse informiert ...?” meinte
sie matt.
Aber Quint ging nicht auf die Frage ein.
”Aus Dithorno kommen noch weitere
Anweisungen. Da die Regierung über zu
wenig Soldaten verfügt, werden alle Männer, auch Kinder, welche das zwölfte Lebensjahr erreicht haben, zum Dienst verpflichtet.
Wie Ihr Euch denken könnt, sind die armen Familien am meisten betroffen.
Staatstreue Bürger haben nicht viel zu
befürchten. Sie besitzen genügend finanzielle Mittel, um sich loszukaufen oder
ihren Kindern ein angenehmeres Leben
in der Armee verschaffen zu können.
Alle Anweisungen hängen mittlerweile
in den Provinzen an jeder Mauer. Vom
Protector unterschrieben.” Quint
schnaufte empört.
Fedoras Magen hob sich erneut. Übelkeit stieg hoch und ein scharfer Geschmack breitete sich in ihrem Mund
aus.
”Vom Protector unterzeichnet? Das
kann einfach nicht stimmen! Ich ... ich
muß zu ihm. Er wird mir einiges erklären
müssen.” murmelte sie in Gedanken versunken.
”Ich hätte noch eine Frage. Was unternehmen die Orden gegen diese Ungeheuerlichkeit?"
”Nichts.” Quint schaute die Frau aus
einer Mischung aus Neugierde und Vorsicht an.
”Was soll das bedeuten? Nichts?” Die
Priesterin war verwirrt.
”Es bedeutet, daß man sich den Verordnungen fügt. Wir sind hier, um unsere
Götter zu loben und zu preisen, nicht, um
in das weltliche Geschehen einzugreifen.”
Der Tonfall war überraschend sanft, aber
er sah sie nicht an.
Fedora lachte verächtlich. ”Seit wann
haben sich die Orden den diesem Kodex
unterworfen? Quint, was ist los mit
Euch? Was erzählt Ihr einer Mutter, der
man das Liebste genommen hat, was einem Vater, der nicht weiß, wie er seine
Familie ernähren soll? Oder den man in
einen Krieg schickt, von dem er noch
nicht mal weiß um was es geht? Was der
Seele eines Kindes, wenn es Euch nach
dem Grund für seinen unnötigen Tod
fragt?” Tränen schimmerten in ihren Augen und sie stand so ruckartig auf, daß
ihr Stuhl umfiel.
”Wenn ihr alle Eure Hände untätig in
den Schoß legen wollt, so ist dies Eure
Angelegenheit. Aber ich werde nicht nur
zusehen.” Wütend stand sie vor ihm. Ihre
Hände waren zu Fäusten geballt.
”So kann ich nur raten, paßt auf Euch
auf.” Erneut nahm er Fedora in die Arme.
Kurz drückte er sie an sich, küßte sie zum
Abschied auf die Wange.
Diesen Satz höre ich in letzter Zeit öfter,
dachte sie beunruhigt.


Quint Pintus rieb sich nachdenklich seinen Bart. Er mochte diese Frau. Nur zu
Medaz blickte seine Frau eine Weile nachdenklich an, ehe er antwortete: ”Bist du der Ansicht, sie sollte keines haben, nur weil sie die Agia ist? Nirgends steht geschrieben, daß dies verboten ist.” 
gerne hätte er ihr von dem Widerstand
erzählt, der sich in den letzten Tagen unter den Priestern entwickelt hatte, aber
zu viel stand auf dem Spiel. Sie war eine
Vertraute des Protectors, diese Tatsache
war allgemein bekannt. Auch wenn sie
sich ihm gegenüber so erbost und vollkommen überrascht gegeben hatte, hieß
das noch lange nicht, daß sie von all dem
nichts gewußt hatte oder es am Ende
doch noch gut heißen würde. Zwar zeugten ihre bisherigen Taten von einer anderen Sprache. Aber konnte er ihr deswegen vertrauen? Sie war eine Fremde in
diesem Land. Nein, er hatte sich schon
einmal in einem Menschen geirrt und
wurde dadurch bitterlich enttäuscht. Ein
zweites Mal beging er die-sen Fehler
nicht.


‘LUCIUS! Wenn ich dich in die Finger
”Du hast sie in mein Heim geholt.” Marzella versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten.
kriege. Schickst mich schön von hier
weg. Das war ein guter Plan. Aber das
kannst du nun wirklich nicht machen.
Nicht mit mir.‘


”Halt! Wer ist da?” Eine Männerstimme
”Ich habe mich schon gefragt, wann du davon anfängst. Du warst geduldiger, als ich erwartet habe. Außerdem ist es unser Heim.”.
hallte durch die Nacht. Fedora hatte die
Wache zu spät bemerkt, da sich plötzlich
ein eisiger Nebel über die Gassen gelegt
hatte. Nun befand sie sich auf dem Platz
der Noctuna
5 und die Nebelschwaden
verflogen. Wo auch sonst, wenn nicht
hier, mußte man sie entdecken.
Die Wache kam näher heran. ”Gebt
Euch zu erkennen!”
Fedora schob die Kapuze, welche ihr
Gesicht verborgen hatte, zurück.
5 Noctuna: Herrin der Nacht, Schwester und Gefährtin von
Golrooxquos
”Ihr kommt mit uns.” Der Soldat warf
nur einen flüchtigen Blick auf ihr Gesicht.
”Untersteht Euch, mich mitnehmen zu
wollen!” Wütend fauchte sie ihn an, aber
der lachte nur. Er und die anderen Wachen hatten in den letzten Nächten schon
einiges erlebt, aber dies war das Amüsanteste. ”Nun macht keinen Ärger Weib
und begleitet uns.” Grob faßte einer der
anderen Soldaten nach ihrem Arm und
wollte sie mit sich ziehen.
Fedora wehrte sich und versuchte, sich
aus dem Griff des Mannes zu befreien.
”Wie könnt Ihr es wagen Hand an mich
zu legen?” Zornig funkelte sie die Männer an, welche erschrocken einige Schritte nach hinten gingen. Es war, als würden sie von kleinen Flammen durchbohrt. In diesem Moment bog ein weiterer Mann um die Ecke, welcher kurz
das Geschehen beobachtete und dann
schnellen Schrittes hinzueilte
”Was geht hier vor, Olan6
?” Die Stimme
donnerte seinem Gegenüber ins Gesicht.
Erschreckt wandte sich die Wache von
Fedora ab und das unangenehme Gefühl,
was sich in ihnen ausgebreitet hatte verschwand. Sofort nahmen sie Haltung an.
”Wir haben eine Verdächtige Person
aufgegriffen. Gerade wollten wir sie in
Gewahrsam nehmen.”
Der Legionär schluckte und begann zu
schwitzen. Der D‘ascas Conius Corvin,
der neue Heerführer der Truppen, stand
vor ihm.
”Wie ich sehe, gelingt Euch das nicht!”
Wie soll ich meine Befehle ausführen,
wenn diese Tölpel noch nicht einmal mit
einer Frau fertig werden?
6 Olan = Soldat (Reich des Feuers)
An Fedora gewandt, meinte er nur ”Was
macht ihr hier? Ihr wißt genau, daß nach
Anbruch der Dunkelheit niemand sein
Heim zu verlassen hat!”
Warum muß dieser Mann auftauchen?
Mit den beiden Wachen wäre ich ja noch
fertig geworden. Aber dieser Legionär
sieht nicht so aus, als würde er mich einfach laufen lassen.
”Vielleicht seid Ihr ja vor lauter Pflichtbesessenheit erblindet, so daß Ihr mich
nicht erkennt? Ich bin die Agia. Ich war
unterwegs, um einem Menschen zu helfen, der diese Hilfe benötigte. Dazu verpflichtet mich mein Gelöbnis, welches ich
einmal gab. Und ja, ich weiß, daß ich um
diese Zeit nicht mehr unterwegs sein
darf. Wie mir scheint, habt Ihr noch nie
etwas von Nächstenliebe gehört.” Blanker
Haß und Zorn schlugen dem Mann entgegen. Sie hatte ihre Gefühle nicht mehr
unter Kontrolle.
Über Conius Corvins Gesicht huschte
ein hämisches Grinsen. ”Die Agia, wie?
Nun, kann es sein, das Ihr mit den Anordnungen, welche nun gelten, nicht einverstanden seid? Irgend etwas lag in Eurer Stimme, die mich das vermuten läßt.”
”Da habt Ihr wohl richtig gehört. Ihr
scheint zwar blind, aber nicht taub zu
sein. Das läßt ja noch Platz für ein wenig
Hoffnung.” Die Wache starrte sie mit offenem Mund an.
Der D’ascas schien diesen Satz nicht
wahrzunehmen. ”Habt Ihr einen Passierschein?”
Oh, nein. Ein Passierschein! Fedora
schüttelte ihren Kopf.
”Und ich nehme an, das ihr mir nicht
den Namen desjenigen nennen wollt, der
Eurer so dringend bedurfte?”
Die Agia ohne Passierschein, mitten in
der Nacht, das ist interessant.
”Ihr seid schlauer als ihr ausseht.”
Auch dies überhörte der D’ascas. ”Fedora Lor’ca. So ist doch Euer Name, nicht
wahr?”
Sie nickte abermals.
”Dann allerdings, sollten wir uns auf der
Wache weiter unterhalten.” Er drehte
sich abrupt um.
Die beiden Wachen blieben wie angewurzelt stehen.
Der D‘ascas bemerkte das Zögern der
Männer. ”Was ist los? Die Frau ist festgenommen!” Er winkte ungeduldig mit
seiner Hand.
Auch Fedora entging das Zögern der
beiden Wachsoldaten nicht.
”Ich verlange von Euch, den Protector
davon zu unterrichten, was heute Nacht
geschehen ist. Und ich möchte nicht in
Eurer Haut stecken, wenn er von anderer
Seite davon erfährt.”
Was bildet sich diese Person eigentlich
ein? Der D‘ascas funkelte sie zornig an.
Niemand wagt es, seine Anordnungen in
Frage zu stellen. ”Wen ich wann über
was informiere, überlaßt Ihr besser mir.
Und nun rate ich Euch dringend, mitzukommen. Weitere Beleidigungen werde
ich nicht dulden. Ansonsten lasse ich
Euch gleich hier wegen Mißachtung eines
militärischen Befehls und wegen Hochverrates aufhängen. Haben wir uns verstanden?Seine Stimme war bedrohlich
leise geworden.


Seit Tagen saß Fedora nun schon in diesem feuchten Kerker fest. Es wurde ihr
Wie großmütig und nachsichtig von ihm. Als wäre sie ein kleines Kind! ”Würdest du es mir bitte erklären?” Mühsam unterdrückte sie ihre Wut.
noch nicht einmal gestattet, eine Nachricht in ihren Orden zu schicken.
Man hatte sie über alles Mögliche ausgefragt. Es galt, aufzuklären, ob sich die
Priester gegen die Belange des Reiches
gestellt hatten. Dann befragte man sie zu
dem Verschwinden des Tempels des
Golrooxquos. Außerdem war sie bekannt
dafür, daß sie gerne Anweisungen ignorierte. Und das sich die Agia Nachts, trotz
Ausgangssperre herumtrieb, warf ebenfalls kein gutes Licht auf sie. Da den Soldaten ihre Aussagen nicht genügten, hatte man sie in den Kerker gesperrt. Einmal
am Tag kam dieser Conius Corvin bei ihr
vorbei. Sie haßte sein überhebliches Gehabe. Er fragte nie etwas. Er setzte sich
ihr nur gegenüber und beobachtete sie.
Sonst nichts. Nach einer kleinen Ewigkeit
ging er dann genauso wortlos, wie er gekommen war.
Oh, ich könnte mir die Zunge herausreißen. Warum hatte sie nicht einfach ihr
vorlautes Mundwerk halten können?
Hätte sie doch bloß bis zum Morgen gewartet. Oder wenigstens an einen Passierschein gedacht. Maldito! Was war
eigentlich mit ihr los? So überstürzt hatte
sie ja noch nie gehandelt. Ihre Gefühle
und Emotionen drehten anscheinend
vollkommen durch. So konnte sie nichts
erreichen. Hoffentlich macht Gaetano
keinen Unsinn.
Die Zellentür öffnete sich und Fedora
wußte schon, wer herein kommen würde.
Ein neuer Tag, ein altbekannter Besucher.
Lässig schritt der Soldat herein. Hinter
ihm wurde die Tür wieder geschlossen
und verriegelt. Er nahm seinen Helm ab
und legte ihn vorsichtig auf eine Pritsche.
Dann schnallte er sein Schwert ab und
legte es, eine Lücke lassend, ebenfalls darauf.
Fedora kannte diese Prozedur und beachtete ihn schon gar nicht mehr. Er
machte sie wahnsinnig damit, und das
war zweifelsohne seine Absicht. Sie vernahm ein Knarren, ein untrügliches Zeichen dafür, daß er nun Platz genommen
hatte.
So saßen sie sich nun schweigend gegenüber.
Der Priesterin wurde bewußt, daß ihre
Kleidung inzwischen einen unangenehmen Geruch angenommen hatte. Ein Bad
wäre jetzt genau das richtige. War ihre
Tochter schon in Tizio? Ein Gedanke jagte den nächsten. Nur nicht zu ihm hinsehen, sonst würde sie vor Wut anfangen
zu schreien.
Corvin saß nur da und starrte die Frau
an. In den letzten Tagen hatte er sie intensiv studieren können. Wenn sie nichts
zu verbergen hatte, warum benahm sie
sich dann so seltsam?
So, wie jeden der letzten vier Tage, erhob er sich nach etwa einer Stunde, legte
sein Schwert wieder an, setzte seinen
Helm auf und klopfte an die Zellentür.
Bevor er ganz hinausgegangen war, verfehlte ihn ein Trinkbecher um Haaresbreite, krachte gegen den Türrahmen,
verspritzte einige Tropfen Wasser und
fiel scheppernd zu Boden. Ungerührt
ging der Mann weiter. Als sich die Tür
hinter ihm schloß, lag ein breites Grinsen
auf seinem Gesicht. Der wachhabende
Olan schaute ihn verdutzt an.
”Unser Gast scheint mit unserer Verpflegung nicht einverstanden zu sein. Ab
heute wird sie gar nichts mehr bekommen.”
Der Olan nickte zum Zeichen, das er
verstanden hatte.


Medaz traf in Tizio ein und der alte Marcellus ließ ihn sofort zu sich rufen.  
”Was gibt es da zu erklären? Ein Mensch brauchte Hilfe. Ich habe diese Hilfe angeboten. Du hättest an meiner Stelle doch hoffentlich auch so gehandelt, meine Liebe.Er hob ihre Hand an seine Lippen und küßte sie sanft. In seinen dunklen Augen erkannte sie ein gefährliches Glitzern. ”Ich kann mir nicht vorstellen, daß in dir nicht ein Funken Barmherzigkeit steckt.” Sein Ton hatte eine eisige Kälte angenommen und Marzella wußte genau, daß es nun besser war, nicht mehr viele Worte über dieses Geschehen zu verlieren. Sie lächelte ihren Mann an. ”Natürlich hätte ich auch geholfen, das weißt du ganz genau.” Dann senkte sie ihren Kopf und sie gingen weiter. Tränen sammelten sich in ihren Augen. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]”Möchtest du heute Abend ausgehen, Durena?”  
”Mein alter Freund, warum bist du so
”Ja, mein lieber Gaetano. Was hältst du von einem Besuch im Kasino?”  
ungeduldig, mich zu sehen?Parz betrat
den Raum des Familienoberhauptes.
Schwere Vorhänge verwehrten jeglichen
Blick nach draußen. Das Kerzenlichte
flackerte gespenstisch über Marcellus´
Gesicht und er sah aus, als wäre er um
Jahre gealtert. ”Geht es dir nicht gut?”
Besorgt kam Medaz näher.
”Nein, mein Sohn, es ist nichts.” Der alte
Mann winkte Parz noch näher heran.
Mein Sohn? Was stimmt hier nicht? Marcellus hatte ihn noch nie so genannt.
”Was ist mit dir?” Alarmiert kam Parz
näher.
Der alte Mann klopfte auf einen Sessel,
der neben seinem stand. Einige Staubwolken flogen hoch. ”Setz dich hierher
und höre mir bitte genau zu. Dort auf
dem Tisch liegen einige Gegenstände,
welche du mitnehmen und sorgsam verwahren sollst. Ebenfalls liegen dort meine Tagebücher. Ich möchte daß du sie
liest. Außerdem habe ich Vorkehrungen
getroffen, was nach meinem Tod geschehen soll.”
”Marcellus! Wie kannst du so etwas nur
sagen ...
Dieser hob eine Hand. ”Laß mich ausreden, mein Sohn. Eine Abschrift meines
Testaments liegt bei den Sachen auf dem
Tisch. Eine zweite, gleiche, habe ich bei
einem Beamten hinterlegt. Ich möchte
vermeiden, daß man behauptet, du hättest damit etwas zu tun. Deshalb geschah
das ganze während deiner Abwesenheit.”
Der alte Mann hustete stark.
”Ich werde Hilfe für dich holen lassen.”
Parz war aufgesprungen und wollte einen
Bediensteten rufen.
”NEIN! Bleib hier und hör mir zu. In einigen Tagen wird es mir schon wieder
besser gehen.
Trotzdem... Du wirst jetzt diese Sachen
nehmen und zu niemandem ein Wort darüber verlieren. Und nun geh, laß mich
allein.Ungeduldig deutete er mit einer
Hand zum Tisch hinüber.
”Was immer du von mir verlangst.” Verwirrt ging Medaz zu dem Tisch und erkannte sofort, was für ihn bestimmt war.
Erneut blickte er besorgt auf den alten
Mann. Er nahm die Gegenstände an sich,
doch ehe er das Zimmer verlassen konnte, rief Marcellus ihn noch einmal zurück.
”Es wird dich sicherlich interessieren,
daß man die Agia ins Gefängnis gesteckt
hat.


Zur selben Zeit hatte sich Fedora gerade
”Mmmh. Wenn du dies wünschst.” Er war immer noch nicht versöhnt!
auf ihrer Pritsche ausgestreckt, als sich
ein brennender Schmerz über ihre Brust
ausbreitete. Sie griff unter ihr Gewand
und zog das Amulett hervor. Seit dem
Kampf gegen Golrooxquos hatte sie es
nicht mehr abgelegt. Nun glühte es weißlich. Was bedeutet das? Noch einmal
flackerte es kurz auf und dann lag es wieder silbrig in ihrer Hand. Ein Schmerz in
ihrem Nacken, den sie nur zu gut kannte,
verstärkte sich.


Am nächsten Tag betrat Corvin abermals die Zelle. Diesmal hatte er jedoch
Bevor Fedora ihm eine gewißlich scharfe Antwort geben konnte, betrat eine Schwester den Raum. ”Ehrwürdige Mutter. Besuch ist für Euch eingetroffen.” Ehe sie weitersprechen konnte, stand auch schon ein Mann im Raum.
noch einen Becher mit Wasser dabei. Er
stellte ihn in die Mitte des Raumes. Dann
setzte er sich, wie immer, auf die Pritsche.
Fedora hatte so einen verdammten
Durst. Warum hatte sie diesem Mann
auch ihren Trinkbecher an den Kopf
schmeißen müssen? Doch sie würde sich
eher ihre Adern aufkratzen und ihr eigenes Blut trinken, bevor sie einen Schluck
Wasser von diesem Mann annahm.
Nachdem die Zeit um war, stand Corvin
auf, nahm den Becher und drehte ihn
um. Das Wasser floß auf den Boden und
versickerte rasch. Halb in der Tür blieb er
stehen und ohne sich umzudrehen meinte er. ”Einen Namen.”


Jede Nacht bekam Fedora Alpträume.
”Hermensz!!!” Fedora war aufgesprungen und eilte ihm entgegen. Hermensz Tito van Breijn lächelte. Er breitete seine Arme auseinander, als wolle er sie umarmen, ergriff statt dessen jedoch ihre Hand, verbeugte sich schwungvoll und deutete einen Kuß an. ”Fedora.” Er hüstelte übertrieben und meinte dann, ”Ehrwürdige Agia.Sie schlug ihm sanft auf den Arm.
Sie hörte immer ein unmenschliches
Brüllen. Sie kannte es, hatte es schon einmal gehört. Nein, sie hatte es fühlen können. Als sie das Ei in ihren Händen gehalten hatte. Es kam ihr so vor, als wäre
das Ganze vor einer Ewigkeit geschehen.
In ihren Träumen rannte sie durch den
Nebel und konnte den richtigen Weg
nicht finden. Verzweifelt suchte sie ihn.
Sie sah ein Licht in der Ferne, doch sie
erreichte es nie.
Unruhig wälzte sie sich hin und her.
Abermals fand sie den Weg nicht. Ihre
Brust brannte. Dann überkam sie ein
Glücksgefühl von solcher Reinheit und
Klarheit, daß es weh tat. Aber schnell
wurde es von einem unglaublich starken
Schmerz überlagert. Jemand flüsterte ihren Namen, verlangend, fordernd. Wieder und wieder.
Ein Schrei hallte von den Kerkerwänden
zurück.
Schweißgebadet wachte sie auf. Es war
ihre eigene Stimme, die Fedora gehörte
hatte. Ihr Atem ging schneller. Sie stand
auf, nur um sich wenig später in eine
dunkle Ecke zu setzen. Sie zog ihre Beine
an ihren Bauch und klammerte sich mit
ihren Armen daran fest. Wirr und naß
hingen ihre Haare im Gesicht. Mit weit
geöffneten Augen starrte sie in die Dunkelheit. Tränen liefen über ihre Wangen.


Neun Tage waren bereits vergangen und
”Laßt das.” meinte sie nur. ”Ich freue mich, Euch zu sehen. Was treibt Euch her?
Fedora hockte immer noch in ihrer Zelle.
Sie fühlte sich schmutzig und elend.
Nicht nur äußerlich.
Corvin saß ihr gegenüber und starrte sie
unentwegt an. Sie vermied es, ihn anzusehen. Sein freches Grinsen war nicht
mehr zu ertragen. Plötzlich stand sie auf.
Alles war besser, als einfach nur dazuhocken. Langsam umkreiste sie den Becher auf dem Boden.
Corvin hob interessiert eine Augenbraue.
Sie blieb stehen. Würdevoll, mit hoch
erhobenem Kopf stand die Agia vor dem
Becher und schaute Conius Corvin an.
Dann hob sie ihren Fuß ein klein wenig
und schubste den Becher um. Er kullerte
davon und das Wasser verteilte sich auf
dem Boden.
Corvin schnaufte hörbar. Mit wenigen
Schritten war er bei Fedora und riß sie
grob an ihren Handgelenken nahe zu
sich.
”Ihr werdet reden, dafür sorge ich schon
noch.
Kühl sah sie ihn an. ”Dann wünsche ich
Euch viel Glück dabei.


”Was macht unsere Gefangene?” Conius
”Nun, die gute Seeluft?” Er schaute keck und ein Leuchten lag in seinen Augen.   
stand an einem Fenster seines Raumes
und starrte in die Mittagssonne. Seine
Hände hatte er lässig hinter dem Rücken
verschränkt. Er war einige Tage nicht in
Tizio gewesen.
”Nicht viel. Jede Nacht hallen ihre
Schreie durch das Gewölbe und tagsüber
wandert sie ruhelos in der Zelle auf und
ab.
   
”So scheint sie ja noch am Leben zu
sein.” meinte er kalt. ”Heute wird mein
Mahl für zwei sein. Wenn alles fertig ist,
führe die Gefangene in meine Räume.”
”Natürlich. Wie Ihr befehlt.” Danach
entfernte sich der Legionär.
Conius starrte nach draußen. Die Menschen in dieser Provinz reagierten schnell
auf Dinge, die ihnen nicht gefielen. Seine
Informanten konnten schon einige Tage
nach bekanntwerden der Befehle aus Dithorno feststellen, daß sich Widerstand
gebildet hatte. Leider waren sie nicht
schlau genug gewesen, Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen, welche
für sie tödlich endeten.
Hätte diese Frau, diese Agia nicht so
zornig reagiert, er hätte sie mit Sicherheit
laufen lassen. Jetzt wollte er herausfinden, wo sie in jener Nacht war, und warum sie so beharrlich darüber schwieg.
Immerhin war sie die Agia und vertrat
somit den Priesterrat. Wer sonst, wenn
nicht sie, konnte ihm alle nötigen
Informationen geben?
Bald würde sie ihm alles erzählen, was
sie wußte, dessen war er sich sicher. Sie
war nicht die erste, die unter seinen Methoden zusammenbrechen würde.
In Tizio hatte es sich herumgesprochen,
daß die Agia festgenommen worden war.
Jeden Tag erschien eine der Schwestern,
aber niemand durfte zu der Gefangenen.
Auch eine Taktik, die ihn schon oft zum
Erfolg geführt hatte. Er besaß Zeit, jede
Menge Zeit.
Daß sie den Protector persönlich kannte, beeindruckte ihn nicht. Er war ein
Mann, der sich aus Titeln und Würdenträgern nicht das Geringste machte.
Außerdem hatte dieser die Proklamation
selber verfaßt. Sicherlich würde es auch
den Protector interessieren, was die Agia
wußte.


”Mitkommen.” Die Wache bellte den Befehl in die Zelle. Fedora sah verwundert
”Kommt, setzt Euch zu uns. Ojora, noch ein Gedeck. Berichtet, was gibt es Neues aus Tizio? Gaetano, ich gehe heute nicht mehr aus. Du kannst dich zurückziehen.” Ihr Tonfall war kühl, sie hatte sein Verhalten nicht vergessen. An ihren Besucher gewandt, meinte sie. ”Seid Ihr direkt aus Tizio gekommen?”   
zur Tür.
”Los Beeilung.” Der Mann zog sie unsanft am Arm und führte sie schnellen
Schrittes aus dem Gewölbe heraus, nach
oben. Fedora hob eine Hand vor die Augen. Sie hatte kaum Licht dort unten in
ihrer Zelle und die plötzliche Helligkeit
blendete sie.
Die Wache klopfte an eine Tür und öffnete sie. ” Die Gefangene, D‘ascas Corvin.”
”Danke. Bringt sie herein und wartet
draußen.”
Fedora blieb schwankend stehen. Die
Gerüche, welche ihr entgegen strömten,
raubten ihr die Luft zum atmen. Ein
Schmerz durchfuhr ihren Bauch und sie
versuchte, ihre Hände nicht davor zu
halten.
”Kommt näher.” Sie erblickte Corvin. Er
saß da, mit einem gebratenen Yopokschenkel in der Hand, und deutete ihr
damit, wo sie sich hinstellen sollte. Dann
biß er herzhaft in das Fleisch.
In letzter Zeit war er nicht mehr
gekommen. Dafür hatte man ihr aber
jeden Tag einen halben Becher Wasser
gebracht. Fedora stolperte nach vorne,
bis sie ihm gegenüber stand. Sie sah, daß
für zwei Personen gedeckt war.
”Wenn Ihr mir verratet, wo Ihr in jener
Nacht gewesen seid, gehört dies alles
Euch.” Er nahm einen Becher zur Hand
und trank den Inhalt mit einem Zug aus.
”Setzt Euch.” befahl Corvin.
Fedora schüttelte ihren Kopf und blieb
stehen.
Der D’ascas zog eine Augenbraue nach
oben. ”Einen Namen. Mehr möchte ich
von Euch nicht hören.” Er stand auf und
umkreiste langsam die Priesterin. ”Das
kann doch nicht so schwer sein. Oder
wollt Ihr einfach nicht begreifen?” Er
blieb vor ihr stehen.
Schweigend sah sie an ihm vorbei.
Gerade so, als würde sich hinter seinem
Rücken etwas befinden, was sie mehr
faszinierte, als seine Worte.
”Habt Ihr Euch schon einmal überlegt,
was mit Eurem Orden geschehen kann?”
Er kam näher heran. Leise flüsterte er ihr
zu. ”Oder mit Eurem Kind?”
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, ihre
Nasenflügel bebten. ”Wenn Ihr meiner
Tochter etwas antut, seid Ihr ein toter
Mann.” erwiderte sie eben so leise, aber
es klang nicht weniger gefährlich.
”Den Namen!”
Fedora schloß ihre Augen und schwieg.
Unkontrolliert überkamen sie diese Gefühle. Sie hörte ein Weinen. Ein Weinen
von vielen. Sie sah Blut und Tränen. Sie
spürte Angst. Der Tod war greifbar. Sie
schwankte. In diesem Moment wurde ihr
klar, das sie mit aller Macht und so lange
sie lebte, gegen diesen Staat kämpfen
würde. Sie würde den Menschen und
dem Land die Freiheit bringen, da war sie
sich sicher. Ein Lächeln legte sich auf ihr
Gesicht.
Nein, vor diesem Mann, der das Militär
des Reichs des Feuers auf so grauenhafte Weise verkörperte, werde ich nicht
kriechen.
”Ich bitte darum, wieder in meine Zelle
gebracht zu werden.” Die Agia sprach mit
ruhiger Stimme. Dann öffnete sie ihre
Augen und betrachtete ihn gütig.
Erschrocken wich der D’ascas einige
Schritte zurück. Ein Leuchten hatte sich
über die Frau gelegt. Schweiß perlte über
seine Stirn. Was geschieht hier? Trotz
ihres mittlerweile herunter gekommenen Aussehens, strahlte sie
plötzlich eine nicht menschliche Würde
und Kraft aus. Ihre Blicke trafen sich und
ihm war, als würde sie sein Innerstes
erforschen.
Fedora schien völlig verändert. Sie trat
einen Schritt auf ihn zu. Ihre Stimme
klang dunkel und drohend.
”Ihr ahnt ja gar nicht, mit wem Ihr Euch
angelegt habt.” Die Luft um sie herum
verdunkelte sich. Sie streckte einen Arm
nach vorne, ballte ihre Hand zu einer
Faust und zog sie schnell zurück, gerade
so, als halte sie darin Fäden. Corvin stolperte auf Fedora zu.
”Ich rate Euch dringend, mich freizulassen. Und mich dann nie wieder zu belästigen, sonst ...”
Fedora berührte die Brust des Mannes
und ein stechender Schmerz durchzog
seinen Körper.
”WACHE !!!”
Ein Olan erschien. ”Ja!”
Fedora blickte sich um und das Strahlen
in ihren Augen verschwand. Alles schien
wieder vollkommen normal zu sein. Corvin bemerkte sofort, das ihre Kraft unterbrochen war.
”Bringt die Frau zurück in Ihre
Zelle, sofort!”
Nachdem Corvin alleine war, rang er um
Fassung. Er hatte in seiner Dienstzeit
schon einiges erlebt, doch so etwas noch
nicht. Er griff hastig nach seinen Becher
Wein und leerte diesen mit einem Zug.
   
Sofort schenkte er sich nach. Mit zitternder Hand fuhr er über die Stirn und entfernte sich die Schweißperlen.
”Wache!” Erneut kam ein Legionär
herein. ”Hole mir sofort Mamercus.”


Kurz nachdem Fedora sich wieder in ihrer Zelle befand, mußte sie sich übergeben. Was war passiert? Ohne ihr Dazutun
Nachdem Gaetano sich entfernt hatte, beantwortete Hermensz Fedoras Fragen.
hatten die Dinge ihren Lauf genommen.
Sie zitterte am ganzen Körper.
Sie wünschte, es gäbe einen Weg, hier
heraus zu kommen.
Was mache ich eigentlich hier?
Wie lange sie es an diesem Ort noch
aushalten konnte, wußte sie nicht.
Ihre Brust brannte wieder und Fedora
zog das Amulett hervor. ”Warum glühst
du immer so?” In ihrem Kopf hämmerte
es und er schien platzen zu wollen. Sie
hörte einen Schrei.
”Neeeiiiiin!!! Laß mich in Ruhe!”
brüllte sie heraus. Die Wände drehten
sich, schneller und schneller. Der
gesamte Kerker verschwamm vor ihren
Augen. Dann wurde es Dunkel. ...


Corvin stieß die Zellentür auf und gemeinsam mit Mamercus betrat er den
”Nein. Und aus der Stadt gibt es nichts Besonderes zu berichten. Die Menschen erholen sich noch vom Fieber. Und jeder geht wieder seinen Geschäften nach. Aber sagt mir, wie geht es Euch? Ich sehe, Ihr kommt gut mit Gaetano aus, ja?” Er lächelte verschmitzt und Fedora fing an zu lachen wie schon lange nicht mehr.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Inzwischen war eine Woche vergangen. Jeden Morgen hatten sich Fedora und Hermensz zum Ausritt verabredet. Fedora tat die Gesellschaft dieses Mannes gut. Er war witzig, intelligent, spontan. Er schaffte es mit Leichtigkeit sie zum lachen zu bringen. Sie besuchten abends immer eine der vielen Gesellschaften, auf denen sie gerne gesehen waren. An diesem Abend waren sie auf einem Ball bei einer Familie aus Dithorno gewesen. Die Sigaars besaßen bei Dithorno eine große T’chubac-Plantage. Hier in Sumano suchten sie einen Mann für ihre Tochter. Welch herrlicher Abend war das gewesen. Fedora hatte keinen der Tänze ausgelassen. 
Raum. Doch dieser war leer.
 
”Wie kann das sein?” fragte Mamercus
Als Hermensz die Priesterin spät in der Nacht nach Hause brachte und Gaetano sich schon diskret zurückgezogen hatte, fiel ihm etwas ins Auge. Er betrachtete lange Fedoras Hals. 
seinen Vorgesetzten.
 
Corvin reagierte nicht auf die Frage. Er
”Dies ist eine schöne Kette.” meinte er. 
drehte sich wütend um und verschwand.  
 
”Oh, ... ja.” Leicht verwirrt ob seines Verhaltens berührte Fedora ihr Amulett. ”Recht hübsch, nicht wahr. Es ist mein Glücksbringer.” 
 
Abermals sah er sich das Schmuckstück an, zögerte kurz. ”Ich glaube nicht, daß Ihr so etwas nötig habt.” Er versuchte, es beiläufig klingen zu lassen. 
 
”Man kann nie wissen, Hermensz, man kann nie wissen.” Sie schaute ihn fragend an, aber bekam keine Antwort. Kurz darauf wünschte Hermensz ihr eine Gute Nacht und Fedora zog sich in ihre Gemächer zurück. Wenig später lag sie in ihrem Bett und schlief tief und fest.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]”Ehrwürdige Mutter.” Ojora schüttelte Fedora leicht an der Schulter. ”Wacht auf.” 
 
”Was möchtest du denn? Ist etwas mit Fiona?” 
 
”Nein. Raja ist mit einer Botschaft eingetroffen, Ehrwürdige Mutter.” 
 
”Jetzt? - Schicke sie bitte zu mir.” Beunruhigt erhob sich Fedora und zog sich rasch ihren Hausmantel über. 
 
Wenig später hielt sie ein Pergament in den Händen. Und was die Priesterin las, trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht. Sie trat auf den Korridor. 
 
'''”Gaetano!!!”''' 
 
Schnell war er bei ihr. Er blickte seine Herrin fragend an. ”Durena? Was ist geschehen?” fragte er sichtlich besorgt. ”Wir müssen sofort zurück nach Tizio. Komm.” 
 
"Aber ...” Ohne einen Kommentar reichte sie ihm die Botschaft. 
 
<div style="width:300px;">
'''''‘Ehrwürdige Mutter,''''' 
 
'''''In Tizio sind Dinge geschehen, die Dein sofortiges Erscheinen dringend erforderlich machen.''''' 
 
'''''Der Priesterrat wurde geschlossen. Von den Truppen des Imperators.''''' 
 
'''''Ihr Oberbefehlshaber, der D‘ascas Conius Corvin behauptet, im Rat würde man gegen das Imperium handeln und er wird nie wieder geöffnet.''''' 
 
'''''Alle sind in Panik. Komme, so schnell es Dir möglich ist, zurück.''''' 
 
'''''Möge das Licht dich auf Deinem Weg begleiten'''''
 
'''''Kore‘''''' 
</div>
 
”Dies ist ein Scherz! Das kann niemals der Wahrheit entsprechen.” Ungläubig ließ Gaetano das Pergament auf den Boden fallen. 
 
”Du weißt, daß Kore nie scherzt. Was, beim In’Ret hat das zu bedeuten? Gegen das Imperium handeln. So einen Terzjn<ref name="schwachsinn">Terzijn: Schwachsinnger Sch...</ref> habe ich ja noch nie gehört.” Gaetano mußte trotz allem schmunzeln. Immer wenn die Agia so wütend war, fing sie an, einheimische Beschimpfungen zu gebrauchen. ”Ojora, du mußt alle nötigen Vorbereitungen für eine sofortige Rückreise treffen. Ich möchte, daß Du und alle Anderen in zwei Tagen unterwegs seid. Gaetano, du begleitest mich. Wir reiten in einer Stunde los. Beeilt Euch! ” 
 
Nachdem Fedora sich von ihrer Tochter verabschiedet hatte, eilte sie mit Gaetano zu den Ställen, wo die Pferde bereits gesattelt auf sie warteten. Schnell hatten sie das wenige Gepäck verstaut und machten sich auf den Weg.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Obwohl es bereits spät in der Nacht war, herrschte eine außergewöhnliche Betriebsamkeit auf den Straßen Sumanos. Fedora erblickte im Schein eines aus einem Hauseingang flackernden Lichtes Medaz. Sie lenkte ihr Pferd zu ihm hinüber. 
 
”Könnt Ihr mir vielleicht erklären, was in diese Leute gefahren ist?” 
 
Langsam drehte Medaz sich um, umfaßte das Zaumzeug von Fedoras Pferd und begann das Tier zu streicheln. ”So spät noch unterwegs? Ihr habt noch nicht gehört, was geschehen ist? Dennoch sehe ich, daß Ihr zur Abreise bereit seid.” Er lächelte spöttisch, die Ironie in seiner Stimme war nicht zu überhören. 
 
”Medaz, bitte! Keine Spielchen. Ich muß sofort zurück nach Tizio. Der Priesterrat wurde geschlossen!” 
 
Medaz schnaubte abfällig “ Was ihr sagt ist nicht schlimmer als die Nachricht, welche mich erreichte. Vor wenigen Stunden traf die Kunde ein, das die Curie in Tizio geschlossen wurde. Wie ihr bereits bemerkt habt, machen sich einige Ratsmitglieder völlig überstürzt daran zurückzureisen.” Er zeigte mit einer ausholenden Handbewegung auf die inzwischen völlig überlaufene Straße. 
 
”Das kann doch nicht wahr sein!” Fedora erschrak. Wenn doch, welche Folgen konnten daraus entstehen? Was hatte das Ganze zu bedeuten? War eine Rückreise für die Schwestern unbedenklich? Das ganze Land konnte sich in ein Tollhaus verwandeln. 
 
Sie gab sich einen Ruck. 
 
”Werdet Ihr noch länger hier bleiben?” 
 
”Ich denke, noch einige Tage.” Antwortete der Mann. 
 
”Medaz, ich möchte Euch um einen Gefallen bitten. – Ich ...wenn ihr abreist, ... können meine Schwestern Euch dann begleiten? ...Es wäre mir wohler, wenn ich wüßte, das sie nicht ganz schutzlos unterwegs sind ...Ihr habt doch bestimmt Eure eigenen Schutztruppen dabei? ... Die Schwestern machen sich schon bereit,...” Verlegen hielt sie inne, ihre Gedanken überschlugen sich. 
 
”Nun”, Medaz´ Stimme war ausgesprochen freundlich. ”Wer bin ich denn, daß ich mich den Wünschen der Agia widersetzen würde?” Fedora wollte sich gerade bedanken, als er seinen Kopf vorbeugte. Er blickte auf Gaetano, der anscheinend kurz vorm Platzen stand, und legte vertraulich eine Hand auf die von Fedora. 
 
”Ich bitte Euch jedoch zu bedenken, ...” flüsterte er ihr zu”... daß Ihr mir dann auch einen kleinen Gefallen schuldet.” Er blickte an ihr vorbei und beobachtete die Reaktion des Leibwächters. Medaz` Grinsen wurde breiter. 
 
”Wie könnt Ihr ....” Ihr verschlug es die Sprache. Nach einer Weile hörte sie sich selber sagen: 
 
”Mein lieber Medaz, wenn es in meiner Macht steht, den Gefallen einzulösen, welchen ich Euch nun Schulde, so möge dies geschehen. Könntet Ihr bitte den Schwestern meinen Wunsch, mit Euch zu Reisen, mitteilen. Hier, ” sie zog einen kleinen Ring von ihrem Finger. ”Gebt ihm Ojora, dann wird sie wissen, daß Eure Nachricht der Wahrheit entspricht. Sie würde sonst unter keinen Umständen mit Euch gehen. Und nun entschuldigt mich bitte. Der Weg bis Tizio ist noch weit.” Sie versuchte, ganz kühl und ungerührt zu scheinen, aber weder ihre Stimme noch ihre Hand wollten gehorchen. 
 
Medaz nahm den Ring entgegen. ”Ihr wollt wirklich heute Nacht noch aufbrechen?” Aller Spott war aus seiner Stimme verschwunden. 
 
”Ich habe keine andere Wahl.” Sie gab ihrem Pferd zu verstehen, das es nun endlich weiter gehen würde und langsam setzte es sich in Bewegung. 
 
Noch einmal drehte sie sich um. ”Achtet gut auf meine Frauen und die Kinder. Sollte ihnen die geringste Kleinigkeit zustoßen ...!” Sie straffte ihre Schultern und ritt ohne sich noch einmal umzusehen weiter.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Ohne Hast zog sich Marzella vom Fenster in den Schutz des dunklen Zimmers zurück. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]”Durena! Wie konntest du die Sicherheit der Frauen, die Sicherheit deines Kindes in die Hände dieses X‘schac‘tal<ref name="schakal">Schakal</ref> legen? Ich verstehe dich nicht!” Gaetano blaffte Fedora verärgert an. 
 
”Das mußt du auch nicht ... mir blieb keine andere Wahl. Ungewöhnliche Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen. Ich muß ihm vertrauen.” Fedora versuchte, ruhig zu bleiben. 
 
Gaetano stieß einen unartikulierten Wutschrei aus. 
 
”Du hattest sehr wohl eine Wahl! Du hättest sie in Sumano lassen können!” 
 
”Nein, das kann ich nicht! Sobald wir angekommen sind, werde ich versuchen, ihnen weiteren Schutz entgegen zu schicken. Und jetzt hör auf, mir Vorhaltungen zu machen! Dafür ist keine Zeit. Außerdem ist dein Ton mir gegenüber alles andere als Respektvoll!” Wütend funkelte sie ihn an.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Sie ritten noch eine Weile, bis Fedora sicher war, das niemand sie sehen konnte. Dann hielt sie an und stieg von ihrem Pferd. ”Wir machen schon eine Rast? Stimmt etwas nicht?” Gaetano war verwirrt, nahm aber dennoch den ihm hingehaltenen Zügel in die Hand.
”Nein, es ist alles in Ordnung.” Dann stellte sie sich mit erhobenen Händen hin und murmelte einige Sätze in einer Sprache, die der Mann nicht verstand. Kurze Zeit später erschien vor ihnen ein Feuerwirbel.
 
”Bringe uns sofort nach Tizio. In den Garten von den Schwestern des Lichts.”
 
Nachdem der Rauch verschwunden war, zeugte nichts mehr davon, was hier geschehen war. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]'''”Kore!”''' Laut rufend rannte Fedora durch die Gänge des Konvents auf der Suche nach ihrer Freundin.
 
Diese ließ nicht lange auf sich warten und eilte der Agia entgegen. ”Wie gut, daß du schon hier bist. Die ganze Stadt spielt verrückt. Stell dir vor, man hat nicht nur den Priesterrat geschlossen, auch die Curie ist betroffen. Es heißt, es wird nicht länger geduldet, daß man hier eigenständige Entscheidungen trifft. Wir hätten uns zu sehr von den Idealen des Imperiums freigemacht.”
 
Eilig gingen sie in Fedoras Gemächer.
 
”Ich kann noch immer nicht glauben, was ich höre. Gibt es noch mehr schlechte Nachrichten?”
 
"Nun, die Steuern wurden verdreifacht und ....” Kore stockte.
 
”Ja?”
 
”Es wurde begonnen, Kinder in den Krieg zu schicken.” Fedora erfaßte ein Schwindel und Gaetano mußte sie stützen. ”Sag, daß das nicht wahr ist.”
 
”Das würde ich nur zu gerne. Die Truppen brauchen Soldaten und diese nehmen sie sich einfach. Die Erwachsenen reichen ihnen nicht.”
 
Fedoras Magen verkrampfte sich. Sie streifte rasch ihre Reisekleidung ab, zog sich dann ein dunkles Kleid über und ergriff einen Umhang. ”Ich muß sofort mit Quint sprechen.” Sie drehte sich um und ging. 
 
”Fedora! Nein, das kannst du nicht. Draußen ist es bereits dunkel. Es wurde eine Ausgangssperre verhängt.” Kore hielt ihren Arm fest. 
 
”Ich lasse nicht zu, daß man meine Freiheit einschränkt.” 
 
”Aber ... Fedora, wir leben hier in einer Strafkolonie, vergiß das nicht. Ich bitte dich, warte bis morgen.” Sie sah sie flehend an. Angst spiegelte sich in ihren Augen wieder. Zu viel war in den letzten Nächten geschehen. 
 
”Nein, das kann ich nicht. Gaetano, du wirst hierbleiben.” 
 
”Mit Sicherheit nicht!” erwiderte der Mann zornig. ”Ich ...” 
 
'''”Du wirst machen, was ich dir befehle!”''' 
 
Wütend sah sie ihn an. So hatte Gaetano die Ehrwürdige Mutter noch nicht erlebt. In diesem Augenblick verhielt sie sich, wie ein Herr zu seinem Sklaven. ”Verhalte dich ruhig und unauffällig. Meinst du, ich lasse zu, daß an einem Eingeborenen ein Exempel statuiert wird? So weit wird es nicht kommen. Und DU,” sie funkelte Kore an, ”läßt sofort meinen Arm los!” 
 
Nachdem Fedora gegangen war, schauten sich Kore und Gaetano verwundert und sprachlos an.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Leise klopfte eine in einen dunklen Umhang gehüllte Gestalt an die Pforte des Tempels Aece’tjpos<ref>Gottheit der ungebändigten Urkraft</ref> . Vorsichtig spähte die Gestalt in die Dunkelheit. Niemand hatte sie bis jetzt bemerkt. Noch einmal klopfte sie an.
 
Zögernd wurde die Pforte geöffnet. 
 
Das Gesicht eines jungen Priesters erschien in dem schmalen Spalt. ”Was kann ich für Euch tun?” fragte er leise. 
 
”Ich muß mit Quint Pintus sprechen, sofort.” 
 
”Das ist unmöglich ...” 
 
''Oh, Maldito.'' ''Warum mußte ihr jeder widersprechen?'' 
 
”Hör mir genau zu. Wenn du mich nicht sofort einläßt, werde ich dafür sorgen, daß du aus dem Orden fliegst, haben wir uns verstanden? Und nun laß die Agia hinein.” Sie hatte diese Worte geflüstert, aber deutlich konnte man ihren Zorn heraus hören. Der junge Priester zweifelte keinen Augenblick daran, daß die Agia ihre Drohung in die Tat umsetzen würde.
 
"Verzeiht. Bitte tretet näher.” Er öffnete die Pforte eben so weit, daß die Frau hinein schlüpfen konnte. Danach schloß er sie eilig. 
 
”Bitte folgt mir, Ehrwürdige Agia.” 
 
''Warum nicht gleich so?'' 
 
Nach einer Weile kamen sie an eine reich verzierte Tür, der junge Priester klopfte an und verschwand dahinter. Wenige Augenblicke später öffnete er sie wieder und ließ Fedora ein. Eine letzte, tiefe Verbeugung und er verschwand, froh darüber, nicht benötigt zu werden. 
 
”Seid Ihr wahnsinnig, mitten in der Nacht hierher zu kommen? Kore wird Euch doch mit Sicherheit über alles informiert haben?” Mit schnellen Schritten kam der alte Mann auf sie zu und zog sie zur Begrüßung an sich. Dann hielt er Fedora eine Armeslänge von sich weg, betrachtete sie eingehend. ”Es tut gut, Euch wiederzusehen. Ihr seht blendend aus.” In seinem Gesicht mischte sich Erleichterung mit Besorgnis. 
 
”Das wird sich schnell ändern. Eigentlich sollte ich mit Euch kein Wort mehr reden.” Sie hatte viel kühler sein wollen. Aber er sah wirklich so aus, als ob er sich um sie sorgte. 
 
”Wer wird denn so nachtragend sein? Ihr müßt eingestehen, daß es eine gute Idee war, Euch zur Erholung fortzuschicken.” Er lächelte und dies verlieh ihm einen gütigen Gesichtsausdruck. 
 
”Tja. Eine schlimme Sache ist hier geschehen.” Abrupt ließ er sie los und ging zu einem kleinen Tisch, auf dem Wein und Gläser standen. Schweigend goß er zwei Gläser voll und drückte ihr ungefragt eines in die Hand. ”Keiner kann sagen wie das Ganze ausgehen wird.” Er leerte sein Glas mit einem Zug und schenkte sich erneut ein. Mit einer Geste forderte er die Agia auf, sich zu setzen. 
 
”Wann fing alles an?” Fedora sah beunruhigt die dunkeln Ringe unter Pintus´ Augen und die tiefen Falten in seinem Gesicht. 
 
”Vor etwa zehn Tagen. Sie stürmten in die Ratssitzung und verkündeten, daß ab sofort jegliche Art von Priesterzusammenkünften verboten seien. Wir mußten das Gebäude verlassen und seit dem ist es geschlossen. 
 
Sogar Treffen verschiedener Orden wurden unterbunden. Wir stehen alle unter Beobachtung. Um so gefährlicher ist Euer Besuch hier.” Quint lachte auf: ”Denkt Euch. Selbst die Feierlichkeiten zu Ehren der Götter sind untersagt. Es bestünde dabei ein unüberschaubares Menschenaufkommen.” 
 
Auf einmal schmeckte der Wein nach Essig. ”Und ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen.” 
 
”Das ist doch noch lange nicht alles. Von was sollen die Menschen denn ihre Steuern bezahlen, die ins Unermeßliche gestiegen sind.” Verbissen schaute er auf das Glas in seiner Hand. 
 
Fedora holte tief Luft und starrte ungläubig den alten Priester an. 
 
”Warum habt ihr mich nicht früher über die Geschehnisse informiert ...?” meinte sie matt. 
 
Aber Quint ging nicht auf die Frage ein. 
 
”Aus Dithorno kommen noch weitere Anweisungen. Da die Regierung über zu wenig Soldaten verfügt, werden alle Männer, auch Kinder, welche das zwölfte Lebensjahr erreicht haben, zum Dienst verpflichtet. 
 
Wie Ihr Euch denken könnt, sind die armen Familien am meisten betroffen. Staatstreue Bürger haben nicht viel zu befürchten. Sie besitzen genügend finanzielle Mittel, um sich loszukaufen oder ihren Kindern ein angenehmeres Leben in der Armee verschaffen zu können. 
 
Alle Anweisungen hängen mittlerweile in den Provinzen an jeder Mauer. Vom Protector unterschrieben.”  Quint schnaufte empört. 
 
Fedoras Magen hob sich erneut. Übelkeit stieg hoch und ein scharfer Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus. 
 
”Vom Protector unterzeichnet? Das kann einfach nicht stimmen! Ich ... ich muß zu ihm. Er wird mir einiges erklären müssen.” murmelte sie in Gedanken versunken.
 
”Ich hätte noch eine Frage. Was unternehmen die Orden gegen diese Ungeheuerlichkeit?" 
 
”Nichts.” Quint schaute die Frau aus einer Mischung aus Neugierde und Vorsicht an. 
 
”Was soll das bedeuten? Nichts?” Die Priesterin war verwirrt. 
 
”Es bedeutet, daß man sich den Verordnungen fügt. Wir sind hier, um unsere Götter zu loben und zu preisen, nicht, um in das weltliche Geschehen einzugreifen.” Der Tonfall war überraschend sanft, aber er sah sie nicht an. 
 
Fedora lachte verächtlich. ”Seit wann haben sich die Orden den diesem Kodex unterworfen? Quint, was ist los mit Euch? Was erzählt Ihr einer Mutter, der man das Liebste genommen hat, was einem Vater, der nicht weiß, wie er seine Familie ernähren soll? Oder den man in einen Krieg schickt, von dem er noch nicht mal weiß um was es geht? Was der Seele eines Kindes, wenn es Euch nach dem Grund für seinen unnötigen Tod fragt?” Tränen schimmerten in ihren Augen und sie stand so ruckartig auf, daß ihr Stuhl umfiel. 
 
”Wenn ihr alle Eure Hände untätig in den Schoß legen wollt, so ist dies Eure Angelegenheit. Aber ich werde nicht nur zusehen.” Wütend stand sie vor ihm. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. 
 
”So kann ich nur raten, paßt auf Euch auf.” Erneut nahm er Fedora in die Arme. Kurz drückte er sie an sich, küßte sie zum Abschied auf die Wange. 
 
''Diesen Satz höre ich in letzter Zeit öfter,'' dachte sie beunruhigt.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Quint Pintus rieb sich nachdenklich seinen Bart. Er mochte diese Frau. Nur zu gerne hätte er ihr von dem Widerstand erzählt, der sich in den letzten Tagen unter den Priestern entwickelt hatte, aber zu viel stand auf dem Spiel. Sie war eine Vertraute des Protectors, diese Tatsache war allgemein bekannt. Auch wenn sie sich ihm gegenüber so erbost und vollkommen überrascht gegeben hatte, hieß das noch lange nicht, daß sie von all dem nichts gewußt hatte oder es am Ende doch noch gut heißen würde. Zwar zeugten ihre bisherigen Taten von einer anderen Sprache. Aber konnte er ihr deswegen vertrauen? Sie war eine Fremde in diesem Land. Nein, er hatte sich schon einmal in einem Menschen geirrt und wurde dadurch bitterlich enttäuscht. Ein zweites Mal beging er diesen Fehler nicht.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]''‘LUCIUS! Wenn ich dich in die Finger kriege. Schickst mich schön von hier weg. Das war ein guter Plan. Aber das kannst du nun wirklich nicht machen. Nicht mit mir.‘''  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]”Halt! Wer ist da?” Eine Männerstimme hallte durch die Nacht. Fedora hatte die Wache zu spät bemerkt, da sich plötzlich ein eisiger Nebel über die Gassen gelegt hatte. Nun befand sie sich auf dem Platz der Noctuna
<ref>5 Noctuna: Herrin der Nacht, Schwester und Gefährtin von Golrooxquos</ref> und die Nebelschwaden verflogen. Wo auch sonst, wenn nicht hier, mußte man sie entdecken. 
 
Die Wache kam näher heran. ”Gebt Euch zu erkennen!” 
 
Fedora schob die Kapuze, welche ihr Gesicht verborgen hatte, zurück. 
 
”Ihr kommt mit uns.” Der Soldat warf nur einen flüchtigen Blick auf ihr Gesicht. 
 
”Untersteht Euch, mich mitnehmen zu wollen!” Wütend fauchte sie ihn an, aber der lachte nur. Er und die anderen Wachen hatten in den letzten Nächten schon einiges erlebt, aber dies war das Amüsanteste. ”Nun macht keinen Ärger Weib und begleitet uns.” Grob faßte einer der anderen Soldaten nach ihrem Arm und wollte sie mit sich ziehen. 
 
Fedora wehrte sich und versuchte, sich aus dem Griff des Mannes zu befreien. ”Wie könnt Ihr es wagen Hand an mich zu legen?” Zornig funkelte sie die Männer an, welche erschrocken einige Schritte nach hinten gingen. Es war, als würden sie von kleinen Flammen durchbohrt. In diesem Moment bog ein weiterer Mann um die Ecke, welcher kurz das Geschehen beobachtete und dann schnellen Schrittes hinzueilte 
 
”Was geht hier vor, Olan?<ref name="olan">Olan = Soldat (Reich des Feuers)</ref>” Die Stimme donnerte seinem Gegenüber ins Gesicht. 
 
Erschreckt wandte sich die Wache von Fedora ab und das unangenehme Gefühl, was sich in ihnen ausgebreitet hatte verschwand. Sofort nahmen sie Haltung an. ”Wir haben eine Verdächtige Person aufgegriffen. Gerade wollten wir sie in Gewahrsam nehmen.” 
 
Der Legionär schluckte und begann zu schwitzen. Der D‘ascas Conius Corvin, der neue Heerführer der Truppen, stand vor ihm. 
 
”Wie ich sehe, gelingt Euch das nicht!” 
 
''Wie soll ich meine Befehle ausführen, wenn diese Tölpel noch nicht einmal mit einer Frau fertig werden?'' 
 
An Fedora gewandt, meinte er nur ”Was macht ihr hier? Ihr wißt genau, daß nach Anbruch der Dunkelheit niemand sein Heim zu verlassen hat!” 
 
''Warum muß dieser Mann auftauchen? Mit den beiden Wachen wäre ich ja noch fertig geworden. Aber dieser Legionär sieht nicht so aus, als würde er mich einfach laufen lassen.'' 
 
”Vielleicht seid Ihr ja vor lauter Pflichtbesessenheit erblindet, so daß Ihr mich nicht erkennt? Ich bin die Agia. Ich war unterwegs, um einem Menschen zu helfen, der diese Hilfe benötigte. Dazu verpflichtet mich mein Gelöbnis, welches ich einmal gab. Und ja, ich weiß, daß ich um diese Zeit nicht  mehr unterwegs sein darf. Wie mir scheint, habt Ihr noch nie etwas von Nächstenliebe gehört.” Blanker Haß und Zorn schlugen dem Mann entgegen. Sie hatte ihre Gefühle nicht mehr unter Kontrolle.
 
Über Conius Corvins Gesicht huschte ein hämisches Grinsen. ”Die Agia, wie? Nun, kann es sein, das Ihr mit den Anordnungen, welche nun gelten, nicht einverstanden seid? Irgend etwas lag in Eurer Stimme, die mich das vermuten läßt.” 
 
”Da habt Ihr wohl richtig gehört. Ihr scheint zwar blind, aber nicht taub zu sein. Das läßt ja noch Platz für ein wenig Hoffnung.” Die Wache starrte sie mit offenem Mund an. 
 
Der D’ascas schien diesen Satz nicht wahrzunehmen. ”Habt Ihr einen Passierschein?” 
 
''Oh, nein. Ein Passierschein!'' Fedora schüttelte ihren Kopf. 
 
”Und ich nehme an, das ihr mir nicht den Namen desjenigen nennen wollt, der Eurer so dringend bedurfte?” 
 
''Die Agia ohne Passierschein, mitten in der Nacht, das ist interessant.'' 
 
”Ihr seid schlauer als ihr ausseht.” 
 
Auch dies überhörte der D’ascas. ”Fedora Lor’ca. So ist doch Euer Name, nicht wahr?” 
 
Sie nickte abermals. 
 
”Dann allerdings, sollten wir uns auf der Wache weiter unterhalten.” Er drehte sich abrupt um. 
 
Die beiden Wachen blieben wie angewurzelt stehen. 
 
Der D‘ascas bemerkte das Zögern der Männer. ”Was ist los? Die Frau ist festgenommen!” Er winkte ungeduldig mit seiner Hand. 
 
Auch Fedora entging das Zögern der beiden Wachsoldaten nicht. 
 
”Ich verlange von Euch, den Protector davon zu unterrichten, was heute Nacht geschehen ist. Und ich möchte nicht in Eurer Haut stecken, wenn er von anderer Seite davon erfährt.” 
 
''Was bildet sich diese Person eigentlich ein?'' Der D‘ascas funkelte sie zornig an. ''Niemand wagt es, seine Anordnungen in Frage zu stellen.'' ”Wen ich wann über was informiere, überlaßt Ihr besser mir. Und nun rate ich Euch dringend, mitzukommen. Weitere Beleidigungen werde ich nicht dulden. Ansonsten lasse ich Euch gleich hier wegen Mißachtung eines militärischen Befehls und wegen Hochverrates aufhängen. Haben wir uns verstanden?” Seine Stimme war bedrohlich leise geworden. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Seit Tagen saß Fedora nun schon in diesem feuchten Kerker fest. Es wurde ihr noch nicht einmal gestattet, eine Nachricht in ihren Orden zu schicken.
Man hatte sie über alles Mögliche ausgefragt. Es galt, aufzuklären, ob sich die Priester gegen die Belange des Reiches gestellt hatten. Dann befragte man sie zu dem Verschwinden des Tempels des Golrooxquos. Außerdem war sie bekannt dafür, daß sie gerne Anweisungen ignorierte. Und das sich die Agia Nachts, trotz Ausgangssperre herumtrieb, warf ebenfalls kein gutes Licht auf sie. Da den Soldaten ihre Aussagen nicht genügten, hatte man sie in den Kerker gesperrt. Einmal am Tag kam dieser Conius Corvin bei ihr vorbei. Sie haßte sein überhebliches Gehabe. Er fragte nie etwas. Er setzte sich ihr nur gegenüber und beobachtete sie. Sonst nichts. Nach einer kleinen Ewigkeit ging er dann genauso wortlos, wie er gekommen war.
 
''Oh, ich könnte mir die Zunge herausreißen.'' Warum hatte sie nicht einfach ihr vorlautes Mundwerk halten können? Hätte sie doch bloß bis zum Morgen gewartet. Oder wenigstens an einen Passierschein gedacht. ''Maldito!'' Was war eigentlich mit ihr los? So überstürzt hatte sie ja noch nie gehandelt. Ihre Gefühle und Emotionen drehten anscheinend vollkommen durch. So konnte sie nichts erreichen. ''Hoffentlich macht Gaetano keinen Unsinn.''
 
Die Zellentür öffnete sich und Fedora wußte schon, wer herein kommen würde. Ein neuer Tag, ein altbekannter Besucher.
 
Lässig schritt der Soldat herein. Hinter ihm wurde die Tür wieder geschlossen und verriegelt. Er nahm seinen Helm ab und legte ihn vorsichtig auf eine Pritsche. Dann schnallte er sein Schwert ab und legte es, eine Lücke lassend, ebenfalls darauf. Fedora kannte diese Prozedur und beachtete ihn schon gar nicht mehr. Er machte sie wahnsinnig damit, und das war zweifelsohne seine Absicht. Sie vernahm ein Knarren, ein untrügliches Zeichen dafür, daß er nun Platz genommen hatte.
 
So saßen sie sich nun schweigend gegenüber.
 
Der Priesterin wurde bewußt, daß ihre Kleidung inzwischen einen unangenehmen Geruch angenommen hatte. Ein Bad wäre jetzt genau das richtige. War ihre Tochter schon in Tizio? Ein Gedanke jagte den nächsten. Nur nicht zu ihm hinsehen, sonst würde sie vor Wut anfangen zu schreien.
 
Corvin saß nur da und starrte die Frau an. In den letzten Tagen hatte er sie intensiv studieren können. Wenn sie nichts zu verbergen hatte, warum benahm sie sich dann so seltsam?
 
So, wie jeden der letzten vier Tage, erhob er sich nach etwa einer Stunde, legte sein Schwert wieder an, setzte seinen Helm auf und klopfte an die Zellentür. Bevor er ganz hinausgegangen war, verfehlte ihn ein Trinkbecher um Haaresbreite, krachte gegen den Türrahmen, verspritzte einige Tropfen Wasser und fiel scheppernd zu Boden. Ungerührt ging der Mann weiter. Als sich die Tür hinter ihm schloß, lag ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. Der wachhabende Olan schaute ihn verdutzt an.
 
”Unser Gast scheint mit unserer Verpflegung nicht einverstanden zu sein. Ab heute wird sie gar nichts mehr bekommen.”
 
Der Olan nickte zum Zeichen, das er verstanden hatte. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Medaz traf in Tizio ein und der alte Marcellus ließ ihn sofort zu sich rufen.
”Mein alter Freund, warum bist du so ungeduldig, mich zu sehen?” Parz betrat den Raum des Familienoberhauptes. Schwere Vorhänge verwehrten jeglichen Blick nach draußen. Das Kerzenlichte flackerte gespenstisch über Marcellus´ Gesicht und er sah aus, als wäre er um Jahre gealtert. ”Geht es dir nicht gut?” Besorgt kam Medaz näher. 
 
”Nein, mein Sohn, es ist nichts.” Der alte Mann winkte Parz noch näher heran. ''Mein Sohn? Was stimmt hier nicht?'' Marcellus hatte ihn noch nie so genannt. 
 
”Was ist mit dir?” Alarmiert kam Parz näher. 
 
Der alte Mann klopfte auf einen Sessel, der neben seinem stand. Einige Staubwolken flogen hoch. ”Setz dich hierher und höre mir bitte genau zu. Dort auf dem Tisch liegen einige Gegenstände, welche du mitnehmen und sorgsam verwahren sollst. Ebenfalls liegen dort meine Tagebücher. Ich möchte, daß du sie liest. Außerdem habe ich Vorkehrungen getroffen, was nach meinem Tod geschehen soll.” 
 
”Marcellus! Wie kannst du so etwas nur sagen ...” 
 
Dieser hob eine Hand. ”Laß mich ausreden, mein Sohn. Eine Abschrift meines Testaments liegt bei den Sachen auf dem Tisch. Eine zweite, gleiche, habe ich bei einem Beamten hinterlegt. Ich möchte vermeiden, daß man behauptet, du hättest damit etwas zu tun. Deshalb geschah das ganze während deiner Abwesenheit.” Der alte Mann hustete stark. 
 
”Ich werde Hilfe für dich holen lassen.” Parz war aufgesprungen und wollte einen Bediensteten rufen. 
 
”NEIN! Bleib hier und hör mir zu. In einigen Tagen wird es mir schon wieder besser gehen. 
 
Trotzdem... Du wirst jetzt diese Sachen nehmen und zu niemandem ein Wort darüber verlieren. Und nun geh, laß mich allein.” Ungeduldig deutete er mit einer Hand zum Tisch hinüber. 
 
”Was immer du von mir verlangst.” Verwirrt ging Medaz zu dem Tisch und erkannte sofort, was für ihn bestimmt war. Erneut blickte er besorgt auf den alten Mann. Er nahm die Gegenstände an sich, doch ehe er das Zimmer verlassen konnte, rief Marcellus ihn noch einmal zurück. 
 
”Es wird dich sicherlich interessieren, daß man die Agia ins Gefängnis gesteckt hat.”  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Zur selben Zeit hatte sich Fedora gerade auf ihrer Pritsche ausgestreckt, als sich ein brennender Schmerz über ihre Brust ausbreitete. Sie griff unter ihr Gewand und zog das Amulett hervor. Seit dem Kampf gegen Golrooxquos hatte sie es nicht mehr abgelegt. Nun glühte es weißlich. ''Was bedeutet das?'' Noch einmal flackerte es kurz auf und dann lag es wieder silbrig in ihrer Hand. Ein Schmerz in ihrem Nacken, den sie nur zu gut kannte, verstärkte sich.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Am nächsten Tag betrat Corvin abermals die Zelle. Diesmal hatte er jedoch noch einen Becher mit Wasser dabei. Er stellte ihn in die Mitte des Raumes. Dann setzte er sich, wie immer, auf die Pritsche.
Fedora hatte so einen verdammten Durst. Warum hatte sie diesem Mann auch ihren Trinkbecher an den Kopf schmeißen müssen? Doch sie würde sich eher ihre Adern aufkratzen und ihr eigenes Blut trinken, bevor sie einen Schluck Wasser von diesem Mann annahm.
 
Nachdem die Zeit um war, stand Corvin auf, nahm den Becher und drehte ihn um. Das Wasser floß auf den Boden und versickerte rasch. Halb in der Tür blieb er stehen und ohne sich umzudrehen meinte er. ”Einen Namen.” [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|verweis=https://wiki.xiduria.de/index.php/Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Jede Nacht bekam Fedora Alpträume. Sie hörte immer ein unmenschliches Brüllen. Sie kannte es, hatte es schon einmal gehört. Nein, sie hatte es fühlen können. Als sie das Ei in ihren Händen gehalten hatte. Es kam ihr so vor, als wäre das Ganze vor einer Ewigkeit geschehen.
 
In ihren Träumen rannte sie durch den Nebel und konnte den richtigen Weg nicht finden. Verzweifelt suchte sie ihn. Sie sah ein Licht in der Ferne, doch sie erreichte es nie.
 
Unruhig wälzte sie sich hin und her. Abermals fand sie den Weg nicht. Ihre Brust brannte. Dann überkam sie ein Glücksgefühl von solcher Reinheit und Klarheit, daß es weh tat. Aber schnell wurde es von einem unglaublich starken Schmerz überlagert. Jemand flüsterte ihren Namen, verlangend, fordernd. Wieder und wieder.
 
Ein Schrei hallte von den Kerkerwänden zurück.
 
Schweißgebadet wachte sie auf. Es war ihre eigene Stimme, die Fedora gehörte hatte. Ihr Atem ging schneller. Sie stand auf, nur um sich wenig später in eine dunkle Ecke zu setzen. Sie zog ihre Beine an ihren Bauch und klammerte sich mit ihren Armen daran fest. Wirr und naß hingen ihre Haare im Gesicht. Mit weit geöffneten Augen starrte sie in die Dunkelheit. Tränen liefen über ihre Wangen. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|verweis=https://wiki.xiduria.de/index.php/Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Neun Tage waren bereits vergangen und Fedora hockte immer noch in ihrer Zelle. Sie fühlte sich schmutzig und elend. Nicht nur äußerlich.
Corvin saß ihr gegenüber und starrte sie unentwegt an. Sie vermied es, ihn anzusehen. Sein freches Grinsen war nicht mehr zu ertragen. Plötzlich stand sie auf. Alles war besser, als einfach nur dazuhocken. Langsam umkreiste sie den Becher auf dem Boden.
 
Corvin hob interessiert eine Augenbraue. Sie blieb stehen. Würdevoll, mit hoch erhobenem Kopf stand die Agia vor dem Becher und schaute Conius Corvin an. Dann hob sie ihren Fuß ein klein wenig und schubste den Becher um. Er kullerte davon und das Wasser verteilte sich auf dem Boden.
 
Corvin schnaufte hörbar. Mit wenigen Schritten war er bei Fedora und riß sie grob an ihren Handgelenken nahe zu sich.
 
”Ihr werdet reden, dafür sorge ich schon noch.”
 
Kühl sah sie ihn an. ”Dann wünsche ich Euch viel Glück dabei.” [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|verweis=https://wiki.xiduria.de/index.php/Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]”Was macht unsere Gefangene?” Conius stand an einem Fenster seines Raumes und starrte in die Mittagssonne. Seine Hände hatte er lässig hinter dem Rücken verschränkt. Er war einige Tage nicht in Tizio gewesen.
 
”Nicht viel. Jede Nacht hallen ihre Schreie durch das Gewölbe und tagsüber wandert sie ruhelos in der Zelle auf und ab.”
 
”So scheint sie ja noch am Leben zu sein.” meinte er kalt. ”Heute wird mein Mahl für zwei sein. Wenn alles fertig ist, führe die Gefangene in meine Räume.”
 
”Natürlich. Wie Ihr befehlt.” Danach entfernte sich der Legionär.
 
Conius starrte nach draußen. Die Menschen in dieser Provinz reagierten schnell auf Dinge, die ihnen nicht gefielen. Seine Informanten konnten schon einige Tage nach bekanntwerden der Befehle aus Dithorno feststellen, daß sich Widerstand gebildet hatte. Leider waren sie nicht schlau genug gewesen, Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen, welche für sie tödlich endeten.
 
Hätte diese Frau, diese ''Agia'' nicht so zornig reagiert, er hätte sie mit Sicherheit laufen lassen. Jetzt wollte er herausfinden, wo sie in jener Nacht war, und warum sie so beharrlich darüber schwieg. Immerhin war sie die Agia und vertrat somit den Priesterrat. Wer sonst, wenn nicht sie, konnte ihm alle nötigen Informationen geben?
 
Bald würde sie ihm alles erzählen, was sie wußte, dessen war er sich sicher. Sie war nicht die erste, die unter seinen Methoden zusammenbrechen würde.
 
In Tizio hatte es sich herumgesprochen, daß die Agia festgenommen worden war. Jeden Tag erschien eine der Schwestern, aber niemand durfte zu der Gefangenen. Auch eine Taktik, die ihn schon oft zum Erfolg geführt hatte. Er besaß Zeit, jede Menge Zeit.
 
Daß sie den Protector persönlich kannte, beeindruckte ihn nicht. Er war ein Mann, der sich aus Titeln und Würdenträgern nicht das Geringste machte. Außerdem hatte dieser die Proklamation selber verfaßt. Sicherlich würde es auch den Protector interessieren, was die Agia wußte. [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|verweis=https://wiki.xiduria.de/index.php/Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]”Mitkommen.” Die Wache bellte den Befehl in die Zelle. Fedora sah verwundert zur Tür.
 
”Los Beeilung.” Der Mann zog sie unsanft am Arm und führte sie schnellen Schrittes aus dem Gewölbe heraus, nach oben. Fedora hob eine Hand vor die Augen. Sie hatte kaum Licht dort unten in ihrer Zelle und die plötzliche Helligkeit blendete sie.
 
Die Wache klopfte an eine Tür und öffnete sie. ” Die Gefangene, D‘ascas Corvin.”
 
”Danke. Bringt sie herein und wartet draußen.”
 
Fedora blieb schwankend stehen. Die Gerüche, welche ihr entgegen strömten, raubten ihr die Luft zum atmen. Ein Schmerz durchfuhr ihren Bauch und sie versuchte, ihre Hände nicht davor zu halten.
 
”Kommt näher.” Sie erblickte Corvin. Er saß da, mit einem gebratenen Yopokschenkel in der Hand, und deutete ihr damit, wo sie sich hinstellen sollte. Dann biß er herzhaft in das Fleisch.
 
In letzter Zeit war er nicht mehr gekommen. Dafür hatte man ihr aber jeden Tag einen halben Becher Wasser gebracht. Fedora stolperte nach vorne, bis sie ihm gegenüber stand. Sie sah, daß für zwei Personen gedeckt war.
 
”Wenn Ihr mir verratet, wo Ihr in jener Nacht gewesen seid, gehört dies alles Euch.” Er nahm einen Becher zur Hand und trank den Inhalt mit einem Zug aus.
 
”Setzt Euch.” befahl Corvin.
 
Fedora schüttelte ihren Kopf und blieb stehen.
 
Der D’ascas zog eine Augenbraue nach oben. ”Einen Namen. Mehr möchte ich von Euch nicht hören.” Er stand auf und umkreiste langsam die Priesterin. ”Das kann doch nicht so schwer sein. Oder wollt Ihr einfach nicht begreifen?” Er blieb vor ihr stehen.
 
Schweigend sah sie an ihm vorbei. Gerade so, als würde sich hinter seinem Rücken etwas befinden, was sie mehr faszinierte, als seine Worte.
 
”Habt Ihr Euch schon einmal überlegt, was mit Eurem Orden geschehen kann?” Er kam näher heran. Leise flüsterte er ihr zu. ”Oder mit Eurem Kind?”
 
Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, ihre Nasenflügel bebten. ”Wenn Ihr meiner Tochter etwas antut, seid Ihr ein toter Mann.” erwiderte sie eben so leise, aber es klang nicht weniger gefährlich.
 
”Den Namen!”
 
Fedora schloß ihre Augen und schwieg. Unkontrolliert überkamen sie diese Gefühle. Sie hörte ein Weinen. Ein Weinen von vielen. Sie sah Blut und Tränen. Sie spürte Angst. Der Tod war greifbar. Sie schwankte. In diesem Moment wurde ihr klar, das sie mit aller Macht und so lange sie lebte, gegen diesen Staat kämpfen würde. Sie würde den Menschen und dem Land die Freiheit bringen, da war sie sich sicher. Ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht.
 
''Nein, vor diesem Mann, der das Militär des Reichs des Feuers auf so grauenhafte Weise verkörperte, werde ich nicht kriechen''.
 
”Ich bitte darum, wieder in meine Zelle gebracht zu werden.” Die Agia sprach mit ruhiger Stimme. Dann öffnete sie ihre Augen und betrachtete ihn gütig.
 
Erschrocken wich der D’ascas einige Schritte zurück. Ein Leuchten hatte sich über die Frau gelegt. Schweiß perlte über seine Stirn. ''Was geschieht hier?'' Trotz ihres mittlerweile herunter gekommenen Aussehens, strahlte sie plötzlich eine nicht menschliche Würde und Kraft aus. Ihre Blicke trafen sich und ihm war, als würde sie sein Innerstes erforschen.
 
Fedora schien völlig verändert. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Ihre Stimme klang dunkel und drohend.
 
”Ihr ahnt ja gar nicht, mit wem Ihr Euch angelegt habt.” Die Luft um sie herum verdunkelte sich. Sie streckte einen Arm nach vorne, ballte ihre Hand zu einer Faust und zog sie schnell zurück, gerade so, als halte sie darin Fäden. Corvin stolperte auf Fedora zu.
 
”Ich rate Euch dringend, mich freizulassen. Und mich dann nie wieder zu belästigen, sonst ...” Fedora berührte die Brust des Mannes und ein stechender Schmerz durchzog seinen Körper.
 
'''”WACHE !!!”'''
 
Ein Olan erschien. "Ja!”
 
Fedora blickte sich um und das Strahlen in ihren Augen verschwand. Alles schien wieder vollkommen normal zu sein. Corvin bemerkte sofort, das ihre Kraft unterbrochen war.
 
'''”Bringt die Frau zurück in Ihre Zelle, sofort!”'''
 
Nachdem Corvin alleine war, rang er um Fassung. Er hatte in seiner Dienstzeit schon einiges erlebt, doch so etwas noch nicht. Er griff hastig nach seinen Becher Wein und leerte diesen mit einem Zug. Sofort schenkte er sich nach. Mit zitternder Hand fuhr er über die Stirn und entfernte sich die Schweißperlen.
 
”Wache!” Erneut kam ein Legionär herein. ”Hole mir sofort Mamercus.” [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|verweis=https://wiki.xiduria.de/index.php/Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Kurz nachdem Fedora sich wieder in ihrer Zelle befand, mußte sie sich übergeben. Was war passiert? Ohne ihr Dazutun hatten die Dinge ihren Lauf genommen. Sie zitterte am ganzen Körper.
 
Sie wünschte, es gäbe einen Weg, hier heraus zu kommen.
 
''Was mache ich eigentlich hier?''
 
Wie lange sie es an diesem Ort noch aushalten konnte, wußte sie nicht.
 
Ihre Brust brannte wieder und Fedora zog das Amulett hervor. ”Warum glühst du immer so?” In ihrem Kopf hämmerte es und er schien platzen zu wollen. Sie hörte einen Schrei.
 
'''”Neeeiiiiin!!! Laß mich in Ruhe!”''' brüllte sie heraus. Die Wände drehten sich, schneller und schneller. Der gesamte Kerker verschwamm vor ihren Augen. Dann wurde es Dunkel. ... [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|verweis=https://wiki.xiduria.de/index.php/Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Corvin stieß die Zellentür auf und gemeinsam mit Mamercus betrat er den Raum. Doch dieser war leer.  
 
”Wie kann das sein?” fragte Mamercus seinen Vorgesetzten.  
 
Corvin reagierte nicht auf die Frage. Er drehte sich wütend um und verschwand.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|verweis=https://wiki.xiduria.de/index.php/Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]Die Dunkelheit zog sich zurück, der Nebel lichtete sich. Fedora blickte verwirrt umher und traute ihren Augen kaum. Sie befand sich tatsächlich in einem Badezimmer. Weiße, mit Marmor verkleidete Wände und Säulen, wohin sie schaute. Die Wände waren mit Fresken verziert, manche dezent, manche weniger. Überall standen Liegen aus dunklem Holz mit kleineren Tischen und verschieden große Becken. Kleine Springbrunnen vervollständigten das Bild. 
 
Becken und Springbrunnen bedeuteten Wasser. Ohne sich weiter mit ihrer Umgebung zu beschäftigen stürzte sie sich auf das lang entbehrte Naß. Immer mehr der köstlichen Flüssigkeit ließ sie die ausgedorrte Kehle hinunter fließen, bis die Menge, die sie getrunken hatte, dem Inhalt des Binnenmeeres entsprach. Sie wischte sich mit ihrem Arm das Wasser von den Mundwinkeln, welches daran herunter geflossen war.
 
''Wirklich ein großes Badezimmer'', dachte sie sich und kein Vergleich mit der Zelle in Tizio, in der sie gerade eben noch gewesen war. Bevor Fedora sich weiter über ihren Aufenthaltsort Gedanken machen konnte, wurde sie durch ein kräftiges Räuspern unterbrochen.
 
Sie fuhr herum. Ihre Augen begannen gefährlich zu leuchten.
 
Ihre Wünsche waren Wirklichkeit geworden. Dort stand Lucius. Bevor er den Satz ”Wie siehst Du denn aus!” beenden konnte, stürzte sich die Priesterin mit Gebrüll, welches an eine wütende, wahnsinnige, Wildkatze erinnerte, auf den überraschten Protector und würgte ihn.  


Die Dunkelheit zog sich zurück, der Nebel lichtete sich. Fedora blickte verwirrt
umher und traute ihren Augen kaum. Sie
befand sich tatsächlich in einem Badezimmer. Weiße, mit Marmor verkleidete
Wände und Säulen, wohin sie schaute.
Die Wände waren mit Fresken verziert,
manche dezent, manche weniger. Überall
standen Liegen aus dunklem Holz mit
kleineren Tischen und verschieden große
Becken. Kleine Springbrunnen vervollständigten das Bild.
Becken und Springbrunnen bedeuteten
Wasser. Ohne sich weiter mit ihrer Umgebung zu beschäftigen stürzte sie sich
auf das lang entbehrte Naß. Immer mehr
der köstlichen Flüssigkeit ließ sie die
ausgedorrte Kehle hinunter fließen, bis
die Menge, die sie getrunken hatte, dem
Inhalt des Binnenmeeres entsprach. Sie
wischte sich mit ihrem Arm das Wasser
von den Mundwinkeln, welches daran
herunter geflossen war.
Wirklich ein großes Badezimmer, dachte sie sich und kein Vergleich mit der Zelle in Tizio, in der sie gerade eben noch
gewesen war. Bevor Fedora sich weiter
über ihren Aufenthaltsort Gedanken machen konnte, wurde sie durch ein kräftiges Räuspern unterbrochen.
Sie fuhr herum. Ihre Augen begannen
gefährlich zu leuchten.
Ihre Wünsche waren Wirklichkeit gewor-den.Dort stand Lucius. Bevor er den
Satz ”Wie siehst Du denn aus!” beenden
konnte, stürzte sich die Priesterin mit
Gebrüll, welches an eine wütende, wahnsinnige, Wildkatze erinnerte, auf den
überraschten Protector und würgte ihn.
Er hatte Schuld an allem, dieser Mistkerl.  
Er hatte Schuld an allem, dieser Mistkerl.  
Allzu weit kam sie mit ihrem Mordabsichten nicht, denn man trennte beide.  
 
Asceo hatte Fedora gepackt und zog sie
Allzu weit kam sie mit ihrem Mordabsichten nicht, denn man trennte beide. Asceo hatte Fedora gepackt und zog sie vom Protector fort. Sie schrie vor Wut und streckte ihre Arme in die Richtung von Lucius.  
vom Protector fort. Sie schrie vor Wut
 
und streckte ihre Arme in die Richtung
'''”Laß mich los, Maldito! ... Ich werde ihm die Augen auskratzen ... Bij lúz ... Maldito ...tù peqúenó t’chútchó ... Sa’grato Mjerda<ref name="fluch">Beim Licht verdammt, du kleine Kröte, ... heilige Sc ...</ref> ...!!!”'''
von Lucius.  
 
Sie fluchte lauthals und versuchte sich loszureißen. Asceo hielt sie aber so fest, daß es ihr nicht gelang. Langsam beruhigte sie sich.
”Laß mich los, Maldito! ... Ich
 
werde ihm die Augen auskratzen ...
Ki’ansi half dem nach Luft schnappenden Protector auf die Beine. Er zog verwundert eine Augenbraue in die Höhe, sagte jedoch kein Wort.  
Bij lúz ... Maldito ...tù peqúenó
 
t’chútchó ... Sa’grato Mjerda
Nachdem Fedora allmählich wieder ihre Beherrschung wiedererlangte, ärgerte sie sich über sich selbst. Wie konnte sie nur derart reagieren? Was stimmte mit ihr nicht?  
7
 
...!!!”
”Ist schon gut. Du kannst mich los lassen.” Asceo blickte erst auf Fedora und dann auf Lucius. Als dieser leicht mit dem Kopf nickte, kam er ihrer Aufforderung nach.  
Sie fluchte lauthals und versuchte sich
 
loszureißen. Asceo hielt sie aber so fest,
Wahrscheinlich hatte der D’ascas ”''vergessen''” zu erwähnen, daß sie im Kerker Tizios saß und der ausnahmsweise unschuldige Lucius hatte gerade erst davon erfahren. Wehe ihm, wenn es anders sein sollte. Diese Bande von Strolchen hatte sie auf eine Art befreit, die typisch für sie war, aber ... mußte es ausgerechnet ein Badezimmer sein. Warum kein Speisesaal?
daß es ihr nicht gelang. Langsam beruhigte sie sich.  
 
Ki’ansi half dem nach Luft schnappenden Protector auf die Beine. Er zog verwundert eine Augenbraue in die Höhe,
”Weiß einer, wie wir hierher kommen?” Asceo klang verwirrt. Er blickte noch einmal kurz zur Agia, wandte sich dann aber den anderen zu.  
sagte jedoch kein Wort.
 
Nachdem Fedora allmählich wieder ihre
”Ich nehme normalerweise die Treppe. Aber heute…”, sagte der Protector, den Zwischenfall ignorierend.  
Beherrschung wiedererlangte, ärgerte sie
 
sich über sich selbst. Wie konnte sie nur
”Aber ihr habt mich doch…”, setzte Fedora verwundert an.  
derart reagieren? Was stimmte mit ihr
 
nicht?
Alle redeten wild durcheinander, da störte ein lautes Knacken das Geplapper.  
”Ist schon gut. Du kannst mich los lassen.” Asceo blickte erst auf Fedora und
 
dann auf Lucius. Als dieser leicht mit
Abrupt breitete sich Stille aus, nur durchbrochen von dem hellen Ton der entstand, als Asceo seine Waffe zog. Alle fuhren herum und waren bereit sich der Gefahr zu stellen.  
dem Kopf nickte, kam er ihrer Aufforderung nach.  
 
Wahrscheinlich hatte der D’ascas ”vergessen” zu erwähnen, daß sie im Kerker
Doch wo war die Gefahr? Vor ihnen stand nur das Ei.  
Tizios saß und der ausnahmsweise unschuldige Lucius hatte gerade erst davon
 
erfahren. Wehe ihm, wenn es anders sein
Das Ei, welches die Männer aus einem Toquatekentempel als Andenken mitgebracht hatten und das sie aus einer Laune heraus begonnen hatten auszubrüten. Keiner hätte je geglaubt, daß etwas aus dem Ei schlüpfen würde. Doch jetzt durchzogen dünne Risse die Schale und etwas schien von Innen zu drücken. Die ersten Splitter begannen abzuplatzen und fielen zu Boden.  
sollte. Diese Bande von Strolchen hatte
 
sie auf eine Art befreit, die typisch für sie
Erst jetzt bemerkten sie, daß jeder der Anwesenden ein ähnlich gearbeitetes Amulett um den Hals trug, welche alle angefangen hatten zu leuchten.  
war, aber ... mußte es ausgerechnet ein
 
Badezimmer sein. Warum kein Speisesaal?  
Keiner wagte auch nur zu atmen. Die ehrfurchtsvolle Stille wurde unerwartet von Asceo unterbrochen: ”Wenn es ''Mama!'' zu mir sagt, bringe ich es um!”  
”Weiß einer, wie wir hierher kommen?”
 
Asceo klang verwirrt. Er blickte noch
Immer größer wurde die Öffnung und das gleiche Licht, welches auch aus den Amuletten leuchtete, strahlte aus dem Ei. Etwas schien sich im Innern zu bewegen. Etwas, das herauswollte. Ein letztes Knacken, dann war die Öffnung groß genug und ein kleiner echsenartiger Kopf auf einem langen, dünnen Hals lugte hervor: ‚Ma...!”  
einmal kurz zur Agia, wandte sich dann
 
aber den anderen zu.
Ein ”..pa” kam von einem zweiten Kopf, dann erschienen ein dritter, ein vierter und sogar ein fünfter Kopf. Alle Köpfe schnatterten wild durcheinander, ein Wort, welches der eine begann, beendete ein anderer. Schnell beruhigten sie sich und begaben sich daran, den Rest der Schale zu zerstören. Wer mehrere Körper erwartet hatte, wurde enttäuscht. Nur ein Leib war es, in dem alle Hälse endeten. Heraus kam eine kleine Echse mit fünf Köpfen und einem langen Schwanz. Die Schuppen glänzten in einem warmen Grün-Braun und jeder der Köpfe besaß, im Licht der Fackeln betrachtet, eine andere Schattierung. Von diesem Wesen schien keine Gefahr aus-zugehen. In drei der Anwesenden breitete sich ein Gefühl von Frieden und Vertrautheit aus, so als ob dieses Wesen ein alter Freund sei, den man schon immer gekannt hatte.  
”Ich nehme normalerweise die Treppe.
 
Aber heute…”, sagte der Protector, den
Zwischenfall ignorierend.
”Aber ihr habt mich doch…”, setzte Fedora verwundert an.
7 Beim Licht verdammt, du kleine Kröte, ... heilige Sc ...
Alle redeten wild durcheinander, da
störte ein lautes Knacken das Geplapper.
Abrupt breitete sich Stille aus, nur
durchbrochen von dem hellen Ton der
entstand, als Asceo seine Waffe zog. Alle
fuhren herum und waren bereit sich der
Gefahr zu stellen.  
Doch wo war die Gefahr? Vor ihnen
stand nur das Ei.  
Das Ei, welches die Männer aus einem
Toquatekentempel als Andenken mitgebracht hatten und das sie aus einer Laune
heraus begonnen hatten auszubrüten.
Keiner hätte je geglaubt, daß etwas aus
dem Ei schlüpfen würde. Doch jetzt
durchzogen dünne Risse die Schale und
etwas schien von Innen zu drücken. Die
ersten Splitter begannen abzuplatzen und
fielen zu Boden.  
Erst jetzt bemerkten sie, daß jeder der
Anwesenden ein ähnlich gearbeitetes
Amulett um den Hals trug, welche alle
angefangen hatten zu leuchten.
Keiner wagte auch nur zu atmen. Die
ehrfurchtsvolle Stille wurde unerwartet
von Asceo unterbrochen: ”Wenn es Mama! zu mir sagt, bringe ich es um!”
Immer größer wurde die Öffnung und
das gleiche Licht, welches auch aus den
Amuletten leuchtete, strahlte aus dem Ei.
Etwas schien sich im Innern zu bewegen.
Etwas, das herauswollte. Ein letztes
Knacken, dann war die Öffnung groß genug und ein kleiner echsenartiger Kopf
auf einem langen, dünnen Hals lugte
hervor: ‚Ma...!”
Ein ”..pa” kam von einem zweiten Kopf,
dann erschienen ein dritter, ein vierter
und sogar ein fünfter Kopf. Alle Köpfe
schnatterten wild durcheinander, ein
Wort, welches der eine begann, beendete
ein anderer. Schnell beruhigten sie sich
und begaben sich daran, den Rest der
Schale zu zerstören. Wer mehrere Körper
erwartet hatte, wurde enttäuscht. Nur ein
Leib war es, in dem alle Hälse endeten.
Heraus kam eine kleine Echse mit fünf
Köpfen und einem langen Schwanz. Die
Schuppen glänzten in einem warmen
Grün-Braun und jeder der Köpfe besaß,
im Licht der Fackeln betrachtet, eine
andere Schattierung. Von diesem Wesen
schien keine Gefahr aus-zugehen. In drei
der Anwesenden breitete sich ein Gefühl
von Frieden und Vertrautheit aus, so als
ob dieses Wesen ein alter Freund sei, den
man schon immer gekannt hatte.  
Nur der vierte verhielt sich anders.  
Nur der vierte verhielt sich anders.  
Ki’ansi war bleich wie ein Leichentuch
geworden. Einer der Köpfe sah ihn an,
aus den Augen funkelte Neugier. Nun bemerkte ihn ein zweiter Kopf und es dauerte nicht lange, da war der Magier Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller Köpfe.
Er bekam Atemnot und glitt langsam zu
Boden.
Der Blick des Wesens hatte sich geändert. Aus Neugier war Wissen geworden
und Verständnis. Ki’ansi ertrug diesen
Blick nicht länger, fiel endgültig auf die
Knie, vor Verzweiflung laut schluchzend.
Eine Träne rann an seiner Wange hinab,
groß und grün- milchig leuchtend. Auf
ihrem Weg hinab löste sie sich langsam
auf. Nun drückte der Blick Vergebung
aus. Ki’ansi hielt nicht länger stand und
stürzte aus den Thermen. Sofort schnatterten die Köpfe erneut miteinander.
Keiner der Anderen hatte auch nur den
Schimmer einer Ahnung, was hier gerade
vor sich gegangen war. Fedora wollte
dem Magier hinterhereilen, doch der
Protector hielt sie zurück. ”Wir sollten
uns erst mal um ‚Was auch immer das ist’
kümmern. Er wedelte hilflos mit der
Hand in Richtung der Köpfe. “Der Kleine
kommt schon zurecht.” Die Agia sah ihn
fassungslos an. Wieder einmal verstand
sie nicht, wie ein Mensch so kühl und
pragmatisch sein konnte, aber sie sah
widerwillig ein, daß er Recht hatte.
”Auf dieses Ding hier paßt die Beschreibung einer Hydra”, meinte Lucius. Asceo
nahm den Faden auf ”Hat einer von euch
bei den Mythen der Toquateken oder eines anderen Stammes von einer Hydra
gehört? ... Ich nicht!” Er schaute skeptisch auf das Geschnatter vor sich.
”Was sollen wir mit der ‚Hydra’ machen?” Die Männer sahen verblüfft zu
Fedora hinüber. Deren Stimme war sanft
geworden, entschieden zu sanft für ihren
Geschmack. “Wir können sie doch nicht
einfach hier alleine lassen?”
Sie war näher an das Tier herangetreten
und streichelte liebevoll einen der Köpfe.
Dieser reagierte ausgesprochen entzückt
und schloß genüßlich die Augen. Sofort
stellten die anderen Köpfe ihr Geschnatter ein und schauten ein wenig neidvoll
dieser Liebkosung zu. Mit einem kollektiven Seufzer sahen sie bittend zu Fedora
hoch.
”Wir werden sie aufziehen.” meinte Lucius nur. ”Aber vorher befragen wir den
MAGHAN.”
Er schien sich zu konzentrieren. Lucius
hatte vor, einen Feuerdämon zu rufen,
der ihn ins Sanktum tragen sollte. Nach
einer ganzen Weile öffnete er die Augen
”Es geht nicht.” stellte er verblüfft fest.
”Ich kann keinen Feuerdämon rufen, der
uns ins Sanktum bringt. Es ist unmöglich, eine Verbindung aufzubauen!”
Fedora verstand die Aufregung nicht.
Einen Feuerdämon herbei zu rufen war
keine Kunst, aber was war dieses Sanktum?
Nacheinander versuchten auch die anderen Männer ihr Glück, doch keinem
gelang das Erwünschte.
Es gab keinen Weg ins Sanktum. Die
Verbindung zum MAGHAN und dem
Cron'Mar war erloschen!


Epilog
Ki’ansi war bleich wie ein Leichentuch geworden. Einer der Köpfe sah ihn an, aus den Augen funkelte Neugier. Nun bemerkte ihn ein zweiter Kopf und es dauerte nicht lange, da war der Magier Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller Köpfe. Er bekam Atemnot und glitt langsam zu Boden.  
Drei Menschen saßen ziemlich erschöpft
 
in einem Speisesaal des Palastes. Zuvor
Der Blick des Wesens hatte sich geändert. Aus Neugier war Wissen geworden und Verständnis. Ki’ansi ertrug diesen Blick nicht länger, fiel endgültig auf die Knie, vor Verzweiflung laut schluchzend. Eine Träne rann an seiner Wange hinab, groß und grün-milchig leuchtend. Auf ihrem Weg hinab löste sie sich langsam auf. Nun drückte der Blick Vergebung aus. Ki’ansi hielt nicht länger stand und stürzte aus den Thermen. Sofort schnatterten die Köpfe erneut miteinander.  
hatten sie das Neugeborene gefüttert. Es
 
war faszinierend gewesen festzustellen,
Keiner der Anderen hatte auch nur den Schimmer einer Ahnung, was hier gerade vor sich gegangen war. Fedora wollte dem Magier hinterhereilen, doch der Protector hielt sie zurück. ”Wir sollten uns erst mal um ‚Was auch immer das ist’ kümmern. Er wedelte hilflos mit der Hand in Richtung der Köpfe. “Der Kleine kommt schon zurecht.” Die Agia sah ihn fassungslos an. Wieder einmal verstand sie nicht, wie ein Mensch so kühl und pragmatisch sein konnte, aber sie sah widerwillig ein, daß er Recht hatte.  
daß jeder der Köpfe einen anderen Geschmack hatte. Einer bevorzugte Fleisch,
 
der andere Obst. Ein weiterer war auf
”Auf dieses ''Ding'' hier paßt die Beschreibung einer Hydra”, meinte Lucius. Asceo nahm den Faden auf ”Hat einer von euch bei den Mythen der Toquateken oder eines anderen Stammes von einer Hydra gehört? ... Ich nicht!” Er schaute skeptisch auf das Geschnatter vor sich.  
Fisch eingeschworen, der Vierte mochte
 
Gemüse. Der fünfte Kopf war ein Süßmaul, er liebte Honig und Kandiertes.
”Was sollen wir mit der ‚''Hydra''’ machen?Die Männer sahen verblüfft zu Fedora hinüber. Deren Stimme war sanft geworden, entschieden zu sanft für ihren Geschmack. “Wir können sie doch nicht einfach hier alleine lassen?”  
Als die Hydra endlich satt war und nach
 
einer letzten Liebkosung jedes einzelnen
Sie war näher an das Tier herangetreten und streichelte liebevoll einen der Köpfe. Dieser reagierte ausgesprochen entzückt und schloß genüßlich die Augen. Sofort stellten die anderen Köpfe ihr Geschnatter ein und schauten ein wenig neidvoll dieser Liebkosung zu. Mit einem kollektiven Seufzer sahen sie bittend zu Fedora hoch.
Kopfes eingeschlafen war, kam auch Fedora dazu, sich zu erholen. Sie aß reichlich, aber nicht gierig. Dabei ließ sie Lucius zu keinem Zeitpunkt aus den Augen,
 
ihr Blick war immer noch wütend und
”Wir werden sie aufziehen.” meinte Lucius nur. ”Aber vorher befragen wir den MAGHAN.
brannte auf seiner Haut. Er hatte zwar
 
inzwischen erraten, daß etwas mit ihr geschehen war, wofür sie ihm die Schuld
Er schien sich zu konzentrieren. Lucius hatte vor, einen Feuerdämon zu rufen, der ihn ins Sanktum tragen sollte. Nach einer ganzen Weile öffnete er die Augen ”Es geht nicht.” stellte er verblüfft fest. ”Ich kann keinen Feuerdämon rufen, der uns ins Sanktum bringt. Es ist unmöglich, eine Verbindung aufzubauen!”  
gab, aber er wußte noch immer nicht, was
 
es gewesen war.
Fedora verstand die Aufregung nicht. Einen Feuerdämon herbei zu rufen war keine Kunst, aber was war dieses Sanktum?
Eine zweite Person war ebenfalls eher
 
schweigsam und mürrischer als sonst:
Nacheinander versuchten auch die anderen Männer ihr Glück, doch keinem gelang das Erwünschte.  
Asceo. Auch ihm schien eine Laus über
 
die Leber gelaufen zu sein.
Es gab keinen Weg ins Sanktum. Die Verbindung zum MAGHAN und dem Cron'Mar war erloschen!  
In dieser bedrückenden Stille ergriff Lucius endlich das Wort.
“Was habe ich getan?”
“Was du getan hast? Gute Frage. Erst
schließt du den Priesterrat und die Curie
in Tizio. Dann verhängt dein D’ascas ein
Ausgangsverbot und ....” Asceo machte
eine kurze Pause, ”...und sperrt unsere
Agia in den Kerker. Wegen Verletzung
der Ausgangssperre und ihrem ...”
Er lächelte. ”...losem Mundwerk.”
”Mein WER hat WAS?” Der Protector
war für wenige Augenblicke sprachlos,
ein Zustand, der nicht oft eintrat.
”Dein geschniegelter Zinnsoldat, den du
einfach vor meine Nase gesetzt hast ...
begann Asceo und Fedora beendete den
Satz: ” ... und der mich eingesperrt hat
und nun seit mehreren Tagen versucht,
Namen der Widerstandsbewegung von
mir zu erfahren. Maldito, was für eine
Widerstandsbewegung? Er hat doch sicherlich nicht ohne Befehl gehandelt,
oder?Ihre Stimme wurde mit jedem
Wort lauter und die Stimmung begann,
sich erneut aufzuheizen.  
”Das ist nicht mein Zinnsoldat. Er ist ein
reichstreuer Legionär und das ist alles
was zählt. Wenn er sich in Tizio aufführt,
als gehöre ihm die Welt, wird man das
Reich noch mehr hassen lernen. Und du,
Asceo, wirst erneut der Retter Tizios
sein ... wenn die Zeit reif dafür ist. Es war
besser, dir nichts zu sagen. Deine
Abneigung wirkte dadurch natürlicher.”
Lucius schaute Verständnis heischend zu
Asceo. Dieser begnügte sich damit in
seinen Pokal zu starren und nichts zu
erwidern.
Zur Untätigkeit Verdammt! Tizio geht
so langsam vor die Hunde, anstatt zu einem neuen Tarcy zu werden, wie er es
versprochen hatte. Natürlich wußte Asceo, daß all dies geschehen mußte. Immerhin stammte dieser Teil ihrer Pläne
von ihm. Die Sarinkai hatten ebenfalls
von ihm verlangt, untätig zu bleiben.
Trotzdem war ihm nicht wohl, Fedora leiden zu lassen. Märtyrertum war seine
Aufgabe. Gleichwohl war ihm bewußt,
daß seine Stunde kommen würde.
Nur dieses Geschöpf hatte er nicht vorhersehen können und auch die Seherinnen hatten geschwiegen, obwohl er sich
nicht vorstellen konnte, das ihnen diese
Vielköpfige Scheußlichkeit verborgen geblieben war.  
Das Band aus Haar um seinen Hals fing
wieder an auf seiner Haut zu brennen.
”Und jetzt erzählst du uns noch das
Märchen, wie du die Welt erschaffen
hast, wir trinken alle unsere warme Milch
und gehen brav ins Bettchen.” Fedoras
Stimme triefte vor Hohn. ”Das mache ich
mit meiner Tochter, aber mit mir kannst
du das nicht machen.
”Ich wußte wirklich nichts davon, daß
man dich eingesperrt hat.” Lucius Stimme war sanft und sein Blick mitfühlend:
”Ich bedaure alles, was dir widerfahren
ist. Bitte verzeih mir.”
Ein erneutes Schnaufen unterbrach ihn.
”Corvin wird für seine Eigenmächtigkeit
büßen, aber jetzt noch nicht. Im Moment
ist es nützlicher, ihn dort zu lassen, wo er
ist. Bitte glaub mir.
”Kannst du mir auch sagen, was ich jetzt
machen soll? Zurück nach Tizio gehen
um Corvin alles zu erklären?” Sie war immer noch wütend.
”Das wäre, glaube ich keine so gute Idee.
Du bist immerhin aus dem Kerker entkommen. So wie ich Corvin einschätze,
dürfte er auf dich schon ein Kopfgeld
ausgesetzt haben.” Er kratzte sich verlegen am Kopf.
”Du meinst ...” schockiert sah Fedora zu
Lucius.
”Ja.” Lucius blickte betreten in seinen
Becher.
Sie holte tief Luft. ”Nun gut Lucius,
dann sage ich dir Folgendes: Ich bin
nicht gewillt, das alles länger hin zu nehmen.” Sie blickte sich um und ein gefährliches Funkeln war in ihre Augen getreten: ”Ich weiß nicht, was eure Pläne sind,
aber ich werde gegen diesen Staat mit allen mir zu Verfügung stehenden Mitteln
kämpfen ... entweder mit oder ohne euch,
das schwöre ich."
Fedora sah in die Gesichter der Männer.
Diese wichen ihrem Blick aus, wußten
nicht, wo sie hinschauen sollten. Sie verstand und verlegte sich aufs Bitten.
”Meint ihr nicht, ein wenig Ehrlichkeit
wäre nun angebracht? Verlange ich zuviel
von euch wenn ich gerne wüßte, warum
dies alles geschieht? Ich hätte ein ruhiges
und beschauliches Leben führen können.
Ohne euer Dazutun hätte ich im Rat niemals die Wahl gewonnen ... Sa’grato
mjerda ... Lucius! ... Du hast dies alles
von langer Hand geplant ...?” In plötzlichem Verstehen wirbelte Fedora herum
und deutete mit vor Wut bebendem Finger auf ihn.
”Natürlich”, erwiderte Lucius knapp.
Fedora sank auf ihren Stuhl zurück. Sie
glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu
können. Völlig gelassen goß sich Scaevola
Wein ein und trank davon, bevor er weiter sprach. ”Das Reich kämpft mit dem
Rücken zur Wand. Ihm gehen Geld und
Soldaten aus und da besann man sich auf
die ach so ungeliebten Kolonien. Jeden
Tag saugt die Alte Welt unsere Heimat
mehr und mehr aus. Doch in den Augen
der Bevölkerung sind WIR das Reich.
Wenn die Volksseele überkocht, werden
wir mit ihm untergehen und alles verlieren, was uns hier so lieb und teuer ist.
Was ich tat und tun werde ist notwendig
für unser aller Überleben!” Er lehnte sich
zurück und sah sie abwartend an.
Fedora war fassungslos. Sie war die ganze Zeit nur benutzt worden. Sie war die
Einzige, die nicht in ihr normales Leben
zurückkehren konnte. Ihre Tochter, die
Mädchen ... Sie hatte gedacht, diese Männer wären ihre Freunde.
”Wenn Fiona etwas geschieht, bringe ich
dich um.” Fedoras Stimme war nicht viel
mehr als ein Flüstern, aber ihr Ton und
ihr Blick waren eisig. ”Die Marionette hat
soeben die Fäden durchschnitten, mein
….Freund.”
Asceo zuckte bei der Betonung dieses
Wortes zusammen und warf einen Blick
auf Scaevola. Der Protector hatte seinen
Kopf gesenkt, die Hände in einer wehrlosen Geste weit ausgebreitet.
Minuten vergingen, in denen man eine
Stecknadel auf den Marmor des Speisesaals hätte fallen hören können. Dann
setzte Fedora das liebenswürdige Lächeln
einer angriffsbereiten Kobra auf, ihre
Augen glänzten gefahrvoll. “Wenn wir
nun schon dabei sind, das Reich zu hintergehen, meine Freunde, dann könnt ihr
mir doch auch sagen, wer ich bin?"
Die Männer blickten sich peinlich berührt an.
“Weißt du, ...” begann Asceo, “Es ist
nämlich so ...”
“... Du bist die Agia Fedora Lor’ca. Von
den Schwestern des Lichts. Was davor
war, bleibt besser unausgesprochen.” beendete Lucius das Gestammel. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß er diese Diskussion als beendet betrachtete.
“Sa’grato Mjerda, lé lócó gu’sanós ....
xucjós truh’án ... !!!8
” fluchte Fedora ein
letztes mal.
8
Ihr verrücktes Gewürm ... Dreckige Gauner ...
Den Rest des Mahles beschlossen sie
schweigend. Jedes weitere Wort wäre an
diesem Abend zuviel gewesen. Allen war
klar, daß die letzte Runde des Spieles begonnen hatte und es würde lange dauern,
sie zu beenden.


In einem der Laboratorien im Keller des
==Epilog==
Palastes sah es aus, wie auf einem
Drei Menschen saßen ziemlich erschöpft in einem Speisesaal des Palastes. Zuvor hatten sie das Neugeborene gefüttert. Es war faszinierend gewesen festzustellen, daß jeder der Köpfe einen anderen Geschmack hatte. Einer bevorzugte Fleisch, der andere Obst. Ein weiterer war auf Fisch eingeschworen, der Vierte mochte Gemüse. Der fünfte Kopf war ein Süßmaul, er liebte Honig und Kandiertes.
Schlachtfeld.
Überall lagen zersplitterte Flaschen und
Destillen. Kleine Seen aus einer milchig
grünen Flüssigkeit hatten sich auf dem
Boden gebildet und lösten sich nun langsam auf. In einer Ecke, hinter einer
Werkbank, kauerte Ki’ansi; und sein
Schluchzen war lang und klang verzweifelt ...


</div>
Als die Hydra endlich satt war und nach einer letzten Liebkosung jedes einzelnen Kopfes eingeschlafen war, kam auch Fedora dazu, sich zu erholen. Sie aß reichlich, aber nicht gierig. Dabei ließ sie Lucius zu keinem Zeitpunkt aus den Augen, ihr Blick war immer noch wütend und brannte auf seiner Haut. Er hatte zwar inzwischen erraten, daß etwas mit ihr geschehen war, wofür sie ihm die Schuld gab, aber er wußte noch immer nicht, was es gewesen war. 
 
Eine zweite Person war ebenfalls eher schweigsam und mürrischer als sonst: Asceo. Auch ihm schien eine Laus über die Leber gelaufen zu sein. 
 
In dieser bedrückenden Stille ergriff Lucius endlich das Wort.
 
“Was habe ich getan?” 
 
“Was du getan hast? Gute Frage. Erst schließt du den Priesterrat und die Curie in Tizio. Dann verhängt dein D’ascas ein Ausgangsverbot und ....” Asceo machte eine kurze Pause, ”...und sperrt unsere Agia in den Kerker. Wegen Verletzung der Ausgangssperre und ihrem ...” 
 
Er lächelte. ”...losem Mundwerk.” 
 
”Mein '''WER''' hat '''WAS'''?” Der Protector war für wenige Augenblicke sprachlos, ein Zustand, der nicht oft eintrat. 
 
”Dein geschniegelter Zinnsoldat, den du einfach vor meine Nase gesetzt hast ...” begann Asceo und Fedora beendete den Satz: ” ... und der mich eingesperrt hat und nun seit ''mehreren'' Tagen versucht, Namen der Widerstandsbewegung von mir zu erfahren. Maldito, was für eine Widerstandsbewegung? Er hat doch sicherlich nicht ohne Befehl gehandelt, oder?” Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter und die Stimmung begann, sich erneut aufzuheizen. 
 
”Das ist nicht mein Zinnsoldat. Er ist ein reichstreuer Legionär und das ist alles was zählt. Wenn er sich in Tizio aufführt, als gehöre ihm die Welt, wird man das Reich noch mehr hassen lernen. Und du, Asceo, wirst erneut der Retter Tizios sein ... wenn die Zeit reif dafür ist. Es war besser, dir nichts zu sagen. Deine Abneigung wirkte dadurch natürlicher.” Lucius schaute Verständnis heischend zu Asceo. Dieser begnügte sich damit in seinen Pokal zu starren und nichts zu erwidern. 
 
''Zur Untätigkeit Verdammt!'' Tizio geht so langsam vor die Hunde, anstatt zu einem neuen Tarcy zu werden, wie er es versprochen hatte. Natürlich wußte Asceo, daß all dies geschehen mußte. Immerhin stammte dieser Teil ihrer Pläne von ihm. Die Sarinkai hatten ebenfalls von ihm verlangt, untätig zu bleiben. Trotzdem war ihm nicht wohl, Fedora leiden zu lassen. Märtyrertum war seine Aufgabe. Gleichwohl war ihm bewußt, daß seine Stunde kommen würde. 
 
Nur dieses Geschöpf hatte er nicht vorhersehen können und auch die Seherinnen hatten geschwiegen, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, das ihnen diese Vielköpfige Scheußlichkeit verborgen geblieben war. 
 
Das Band aus Haar um seinen Hals fing wieder an auf seiner Haut zu brennen. 
 
”Und jetzt erzählst du uns noch das Märchen, wie du die Welt erschaffen hast, wir trinken alle unsere warme Milch und gehen brav ins Bettchen.” Fedoras Stimme triefte vor Hohn. ”Das mache ''ich'' mit meiner Tochter, aber mit ''mir'' kannst ''du'' das ''nicht'' machen.” 
 
”Ich wußte wirklich nichts davon, daß man dich eingesperrt hat.” Lucius Stimme war sanft und sein Blick mitfühlend: ”Ich bedaure alles, was dir widerfahren ist. Bitte verzeih mir.” 
 
Ein erneutes Schnaufen unterbrach ihn. ”Corvin wird für seine Eigenmächtigkeit büßen, aber jetzt noch nicht. Im Moment ist es nützlicher, ihn dort zu lassen, wo er ist. Bitte glaub mir.” 
 
”Kannst du mir auch sagen, was ich jetzt machen soll? Zurück nach Tizio gehen um Corvin alles zu erklären?” Sie war immer noch wütend. 
 
”Das wäre, glaube ich keine so gute Idee. Du bist immerhin aus dem Kerker entkommen. So wie ich Corvin einschätze, dürfte er auf dich schon ein Kopfgeld ausgesetzt haben.” Er kratzte sich verlegen am Kopf. 
 
”Du meinst ...” schockiert sah Fedora zu Lucius. 
 
”Ja.” Lucius blickte betreten in seinen Becher. 
 
Sie holte tief Luft. ”Nun gut Lucius, dann sage ich dir Folgendes: Ich bin nicht gewillt, das alles länger hin zu nehmen.” Sie blickte sich um und ein gefährliches Funkeln war in ihre Augen getreten: ”Ich weiß nicht, was eure Pläne sind, aber ich werde gegen diesen Staat mit allen mir zu Verfügung stehenden Mitteln kämpfen ... entweder mit oder ohne euch, das schwöre ich." 
 
Fedora sah in die Gesichter der Männer. Diese wichen ihrem Blick aus, wußten nicht, wo sie hinschauen sollten. Sie verstand und verlegte sich aufs Bitten. 
 
”Meint ihr nicht, ein wenig Ehrlichkeit wäre nun angebracht? Verlange ich zuviel von euch wenn ich gerne wüßte, warum dies alles geschieht? Ich hätte ein ruhiges und beschauliches Leben führen können. Ohne euer Dazutun hätte ich im Rat niemals die Wahl gewonnen ... ''Sa’grato mjerda'' ... '''Lucius!''' ... Du hast dies alles von langer Hand geplant ...?” In plötzlichem Verstehen wirbelte Fedora herum und deutete mit vor Wut bebendem Finger auf ihn. 
 
”Natürlich”, erwiderte Lucius knapp. Fedora sank auf ihren Stuhl zurück. Sie glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können. Völlig gelassen goß sich Scaevola Wein ein und trank davon, bevor er weiter sprach. ”Das Reich kämpft mit dem Rücken zur Wand. Ihm gehen Geld und Soldaten aus und da besann man sich auf die ach so ungeliebten Kolonien. Jeden Tag saugt die Alte Welt unsere Heimat mehr und mehr aus. Doch in den Augen der Bevölkerung sind WIR das Reich. Wenn die Volksseele überkocht, werden wir mit ihm untergehen und alles verlieren, was uns hier so lieb und teuer ist. Was ich tat und tun werde ist notwendig für unser aller Überleben!” Er lehnte sich zurück und sah sie abwartend an. 
 
Fedora war fassungslos. Sie war die ganze Zeit nur benutzt worden. Sie war die Einzige, die nicht in ihr normales Leben zurückkehren konnte. Ihre Tochter, die Mädchen ... Sie hatte gedacht, diese Männer wären ihre Freunde. 
 
”Wenn Fiona etwas geschieht, bringe ich dich um.” Fedoras Stimme war nicht viel mehr als ein Flüstern, aber ihr Ton und ihr Blick waren eisig. ”Die Marionette hat soeben die Fäden durchschnitten, mein ….''Freund''.” 
 
Asceo zuckte bei der Betonung dieses Wortes zusammen und warf einen Blick auf Scaevola. Der Protector hatte seinen Kopf gesenkt, die Hände in einer wehrlosen Geste weit ausgebreitet. 
 
Minuten vergingen, in denen man eine Stecknadel auf den Marmor des Speisesaals hätte fallen hören können. Dann setzte Fedora das liebenswürdige Lächeln einer angriffsbereiten Kobra auf, ihre Augen glänzten gefahrvoll. “Wenn wir nun schon dabei sind, das Reich zu hintergehen, meine Freunde, dann könnt ihr mir doch auch sagen, wer ich bin?" 
 
Die Männer blickten sich peinlich berührt an. 
 
“Weißt du, ...” begann Asceo, “Es ist nämlich so ...” 
 
“... Du bist die Agia Fedora Lor’ca. Von den Schwestern des Lichts. Was davor war, bleibt besser unausgesprochen.” beendete Lucius das Gestammel. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß er diese Diskussion als beendet betrachtete. 
 
“Sa’grato Mjerda, lé lócó gu’sanós ....xucjós truh’án ... !!!<ref name="fluch2">Ihr verrücktes Gewürm ... Dreckige Gauner ...</ref>” fluchte Fedora ein letztes mal. 
 
Den Rest des Mahles beschlossen sie schweigend. Jedes weitere Wort wäre an diesem Abend zuviel gewesen. Allen war klar, daß die letzte Runde des Spieles begonnen hatte und es würde lange dauern, sie zu beenden.  [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|verweis=https://wiki.xiduria.de/index.php/Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]In einem der Laboratorien im Keller des Palastes sah es aus, wie auf einem Schlachtfeld. 
 
Überall lagen zersplitterte Flaschen und Destillen. Kleine Seen aus einer milchig grünen Flüssigkeit hatten sich auf dem Boden gebildet und lösten sich nun langsam auf. In einer Ecke, hinter einer Werkbank, kauerte Ki’ansi; und sein Schluchzen war lang und klang verzweifelt ... [[Datei:Paragrafentrenner.PNG|verweis=https://wiki.xiduria.de/index.php/Datei:Paragrafentrenner.PNG|zentriert]]</div>

Aktuelle Version vom 30. Januar 2022, 16:13 Uhr

Mareikje Groß und Michael Brum

März/April/August 2005

Prolog

Wegen Renovierung geschlossen.

Ein kleines Schild, in mehreren Sprachen geschrieben und mit einem Piktogramm versehen, verwehrte den Eingang zu den Privat- Thermen des Protectors. Dadurch waren er und einige wenige Privilegierte seit einigen Monden gezwungen, öffentliche Bäder zu besuchen, anstatt sich in der Abgeschiedenheit des Palastes in Ruhe und Frieden zu entspannen.

Im Palast kursierten die wildesten Gerüchte. Keiner wußte, welcher Art die neuen Spielzeuge des Protectors sein würden, die man im Thermenbereich gerade einbaute. Aber filigran würden sie sein, darüber war man sich klar. Denn die Renovierung nahm und nahm kein Ende. In Zeiten wie dieser soviel Geld zu verschwenden, nur weil dem Protector die Kachelfarbe nicht zu gefallen schien war dreist. Aber keiner wagte, dies Scaevola argens ins Gesicht zu sagen. Andere hatten sich wegen weniger Kritik als einfacher Soldat auf dem Weg in die Alte Welt wieder gefunden.

Interessanter noch als die Dauer war die Tatsache, daß man keine Handwerker kommen und gehen sah, die ganze Zeit aber die Heizung voll befeuert wurde.Wer arbeitete hier, in solch einer Hitze? Wo man doch in Dithorno schon an einem kühlen Tag ein Ei auf einer Schaufel braten konnte!

Niemand ahnte die Wahrheit. Inmitten des leeren Warmwasserbeckens stand ein Podest. Darauf, in einem Nest aus Stoff, lag ein riesiges Ei, dessen weiß-graue Schale mit leuchtenden Adern durchzogen war. Seitdem der Protector und seine Bande aus Neugier beschlossen hatten, das Ei auszubrüten, lag es hier unverändert, umschmeichelt von der Hitze. Niemand störte diese Abgeschiedenheit außer dem Protector, welcher jeden Tag vor dem Schlafengehen nach dem Ei sah.

Die Veränderung war minimal. Die Schale wurde heller, kaum sichtbar, nur einen Hauch und die Ader begannen zu pulsieren. Das leise Knacken verhallte ungehört und der entstandene erste Riß war winzig

Gaetano und Fedora schlenderten durch die Straßen Sumanos. Hinter ihnen gingen Fiona und Mara, sowie eine Schwester des Ordens. Das Wetter hatte viele nach draußen gelockt. Es war ein stetes Sehen und Gesehen werden.

”Bist du mir immer noch böse?” Bittend schaute die Priesterin ihren Begleiter an.

Gaetano grummelte etwas Unverständliches und schaute böse zu ihr hinunter.

”Nun mach doch nicht so ein finsteres Gesicht. Es ist ja nichts passiert.” Fedora unterdrückte mühsam einen Seufzer. Seit zwei Tagen strafte ihr Leibwächter sie mit diesem Gehabe. Er fand es immer noch nicht amüsant, daß sie ohne seinen Schutz unterwegs gewesen war. [1]

Nun gut, er wird sich auch wieder beruhigen, dachte die Frau. Das hat er bis jetzt immer getan.

Schweigend setzten sie ihren Weg fort. Immer wieder nickte Fedora jemandem zu oder hob zum Gruß ihre Hand. Die beiden waren eine kleine Attraktion in Sumano: Der Eingeborene und die Hohepriesterin. So etwas hatte es hier bisher noch nicht gegeben. Aber die Leute hatten Respekt vor diesem grimmigen Mann.

Seit dem sich Fedora in Sumano befand, hatte sie eine Menge einflußreiche Menschen kennen gelernt. Genau so, wie Lucius es von ihr verlangt hatte.

Sie war gerade in ein Gespräch vertieft, als Medaz mit seiner Frau vorbei schlenderte. ”Ehrwürdige Agia.” Medaz blieb stehen und verneigte sich leicht. ”Darf ich Euch mit meiner Frau bekannt machen. Ich nehme an, Ihr habt sie bis jetzt noch nicht kennengelernt.”

Fedora verabschiedete sich höflich von ihren bisherigen Gesprächspartnern und wandte sich Medaz zu.

”Seid gegrüßt, Medaz.” Die Priesterin reichte ihm ihre Hand und er hauchte einen Kuß darauf. Dann wandte sie sich seiner Frau zu und betete darum, daß ihr Gesicht nicht zu sehr ihre Empfindungen widerspiegelte. Diese war ja fast noch ein Kind! Wunderschön, darin bestand kein Zweifel und sie gab sich erwachsen, aber das war sie noch lange nicht. Sie hoffte, daß Medaz sie wenigstens ein wenig liebte und nicht nur wegen ihres Erbes geheiratet hatte. Lächelnd reichte sie Marzella ihre Hand und diese hauchte ebenfalls einen Kuß darauf. ”Ehrwürdige Agia. Ich bin erfreut, Eure Bekanntschaft zu machen.” Marzella sprach mit honigsüßer Stimme, geschickt ihre Verwirrung verbergend. Hier stand nun die Frau, die Parz in ihr Heim geholt hatte. Sie wußte, was während ihrer Abwesenheit in Tizio vorgefallen war. Sebastian hatte ihr eine Nachricht zu kommen lassen und alles bis ins kleinste Detail geschildert. Außerdem konnte sie sich noch genau an den Namen erinnern, den Medaz am Morge nach der Hochzeitsnacht geflüstert hatte. Marzella konnte nicht verstehen, das Parz Gefallen an dieser Priesterin fand. Deutlich sah man das Grau in ihren Haaren, die Falten in ihrem Gesicht. Sie war alt! Konnte sie wirklich eine Konkurrentin werden? Marzella würde mit Sebastian reden müssen.

Fiona drängelte sich zwischen Fedora und Gaetano. ”Mir ist langweilig, Ma’ma. Können wir zum Strand gehen?” Lächelnd sah sie zur Agia hinauf.

”Du sagst erst einmal guten Tag.” meinte Fedora streng, lächelte aber gleich darauf ihre Tochter an. Fiona drehte sich unwirsch herum und begrüßte Medaz und Marzella. Dabei hob sie ein wenig ihr Kleid und deutete einen Knicks an.

”Guten Tag, kleine Dame”, meinte Medaz und beugte sich zu ihr hinunter. ” Am Strand zu spielen ist eine vorzügliche Idee von dir.” Dabei zwinkerte er ihr mit dem rechten Auge zu. ”Wie mir zu Ohren gekommen ist, liebt deine Mutter den Strand.” Er hatte sich wieder aufgerichtet und streichelte Fiona über ihr dunkles Haar. Aus den Augenwinkeln beobachtete er Fedora und Gaetano. Marzella bemerkte erstaunt, wie sich das Gesicht des Leibwächters noch mehr verfinsterte. Und war das wirklich ein Anflug von leichter Röte auf dem Gesicht der Priesterin?
”Ist die Kleine wirklich das Kind der Agia?” wollte Marzella wissen, nachdem sie wieder alleine waren.

”Natürlich.” meinte Parz knapp. ”Warum?”

”Nur so, mein Lieber.”

Medaz blickte seine Frau eine Weile nachdenklich an, ehe er antwortete: ”Bist du der Ansicht, sie sollte keines haben, nur weil sie die Agia ist? Nirgends steht geschrieben, daß dies verboten ist.”

”Du hast sie in mein Heim geholt.” Marzella versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten.

”Ich habe mich schon gefragt, wann du davon anfängst. Du warst geduldiger, als ich erwartet habe. Außerdem ist es unser Heim.”.

Wie großmütig und nachsichtig von ihm. Als wäre sie ein kleines Kind! ”Würdest du es mir bitte erklären?” Mühsam unterdrückte sie ihre Wut.

”Was gibt es da zu erklären? Ein Mensch brauchte Hilfe. Ich habe diese Hilfe angeboten. Du hättest an meiner Stelle doch hoffentlich auch so gehandelt, meine Liebe.” Er hob ihre Hand an seine Lippen und küßte sie sanft. In seinen dunklen Augen erkannte sie ein gefährliches Glitzern. ”Ich kann mir nicht vorstellen, daß in dir nicht ein Funken Barmherzigkeit steckt.” Sein Ton hatte eine eisige Kälte angenommen und Marzella wußte genau, daß es nun besser war, nicht mehr viele Worte über dieses Geschehen zu verlieren. Sie lächelte ihren Mann an. ”Natürlich hätte ich auch geholfen, das weißt du ganz genau.” Dann senkte sie ihren Kopf und sie gingen weiter. Tränen sammelten sich in ihren Augen.
”Möchtest du heute Abend ausgehen, Durena?”

”Ja, mein lieber Gaetano. Was hältst du von einem Besuch im Kasino?”

”Mmmh. Wenn du dies wünschst.” Er war immer noch nicht versöhnt!

Bevor Fedora ihm eine gewißlich scharfe Antwort geben konnte, betrat eine Schwester den Raum. ”Ehrwürdige Mutter. Besuch ist für Euch eingetroffen.” Ehe sie weitersprechen konnte, stand auch schon ein Mann im Raum.

”Hermensz!!!” Fedora war aufgesprungen und eilte ihm entgegen. Hermensz Tito van Breijn lächelte. Er breitete seine Arme auseinander, als wolle er sie umarmen, ergriff statt dessen jedoch ihre Hand, verbeugte sich schwungvoll und deutete einen Kuß an. ”Fedora.” Er hüstelte übertrieben und meinte dann, ”Ehrwürdige Agia.” Sie schlug ihm sanft auf den Arm.

”Laßt das.” meinte sie nur. ”Ich freue mich, Euch zu sehen. Was treibt Euch her?”

”Nun, die gute Seeluft?” Er schaute keck und ein Leuchten lag in seinen Augen.

”Kommt, setzt Euch zu uns. Ojora, noch ein Gedeck. Berichtet, was gibt es Neues aus Tizio? Gaetano, ich gehe heute nicht mehr aus. Du kannst dich zurückziehen.” Ihr Tonfall war kühl, sie hatte sein Verhalten nicht vergessen. An ihren Besucher gewandt, meinte sie. ”Seid Ihr direkt aus Tizio gekommen?”

Nachdem Gaetano sich entfernt hatte, beantwortete Hermensz Fedoras Fragen.

”Nein. Und aus der Stadt gibt es nichts Besonderes zu berichten. Die Menschen erholen sich noch vom Fieber. Und jeder geht wieder seinen Geschäften nach. Aber sagt mir, wie geht es Euch? Ich sehe, Ihr kommt gut mit Gaetano aus, ja?” Er lächelte verschmitzt und Fedora fing an zu lachen wie schon lange nicht mehr.
Inzwischen war eine Woche vergangen. Jeden Morgen hatten sich Fedora und Hermensz zum Ausritt verabredet. Fedora tat die Gesellschaft dieses Mannes gut. Er war witzig, intelligent, spontan. Er schaffte es mit Leichtigkeit sie zum lachen zu bringen. Sie besuchten abends immer eine der vielen Gesellschaften, auf denen sie gerne gesehen waren. An diesem Abend waren sie auf einem Ball bei einer Familie aus Dithorno gewesen. Die Sigaars besaßen bei Dithorno eine große T’chubac-Plantage. Hier in Sumano suchten sie einen Mann für ihre Tochter. Welch herrlicher Abend war das gewesen. Fedora hatte keinen der Tänze ausgelassen.

Als Hermensz die Priesterin spät in der Nacht nach Hause brachte und Gaetano sich schon diskret zurückgezogen hatte, fiel ihm etwas ins Auge. Er betrachtete lange Fedoras Hals.

”Dies ist eine schöne Kette.” meinte er.

”Oh, ... ja.” Leicht verwirrt ob seines Verhaltens berührte Fedora ihr Amulett. ”Recht hübsch, nicht wahr. Es ist mein Glücksbringer.”

Abermals sah er sich das Schmuckstück an, zögerte kurz. ”Ich glaube nicht, daß Ihr so etwas nötig habt.” Er versuchte, es beiläufig klingen zu lassen.

”Man kann nie wissen, Hermensz, man kann nie wissen.” Sie schaute ihn fragend an, aber bekam keine Antwort. Kurz darauf wünschte Hermensz ihr eine Gute Nacht und Fedora zog sich in ihre Gemächer zurück. Wenig später lag sie in ihrem Bett und schlief tief und fest.
”Ehrwürdige Mutter.” Ojora schüttelte Fedora leicht an der Schulter. ”Wacht auf.”

”Was möchtest du denn? Ist etwas mit Fiona?”

”Nein. Raja ist mit einer Botschaft eingetroffen, Ehrwürdige Mutter.”

”Jetzt? - Schicke sie bitte zu mir.” Beunruhigt erhob sich Fedora und zog sich rasch ihren Hausmantel über.

Wenig später hielt sie ein Pergament in den Händen. Und was die Priesterin las, trieb ihr die Zornesröte ins Gesicht. Sie trat auf den Korridor.

”Gaetano!!!”

Schnell war er bei ihr. Er blickte seine Herrin fragend an. ”Durena? Was ist geschehen?” fragte er sichtlich besorgt. ”Wir müssen sofort zurück nach Tizio. Komm.”

"Aber ...” Ohne einen Kommentar reichte sie ihm die Botschaft.

‘Ehrwürdige Mutter,

In Tizio sind Dinge geschehen, die Dein sofortiges Erscheinen dringend erforderlich machen.

Der Priesterrat wurde geschlossen. Von den Truppen des Imperators.

Ihr Oberbefehlshaber, der D‘ascas Conius Corvin behauptet, im Rat würde man gegen das Imperium handeln und er wird nie wieder geöffnet.

Alle sind in Panik. Komme, so schnell es Dir möglich ist, zurück.

Möge das Licht dich auf Deinem Weg begleiten

Kore‘

”Dies ist ein Scherz! Das kann niemals der Wahrheit entsprechen.” Ungläubig ließ Gaetano das Pergament auf den Boden fallen.

”Du weißt, daß Kore nie scherzt. Was, beim In’Ret hat das zu bedeuten? Gegen das Imperium handeln. So einen Terzjn[2] habe ich ja noch nie gehört.” Gaetano mußte trotz allem schmunzeln. Immer wenn die Agia so wütend war, fing sie an, einheimische Beschimpfungen zu gebrauchen. ”Ojora, du mußt alle nötigen Vorbereitungen für eine sofortige Rückreise treffen. Ich möchte, daß Du und alle Anderen in zwei Tagen unterwegs seid. Gaetano, du begleitest mich. Wir reiten in einer Stunde los. Beeilt Euch! ”

Nachdem Fedora sich von ihrer Tochter verabschiedet hatte, eilte sie mit Gaetano zu den Ställen, wo die Pferde bereits gesattelt auf sie warteten. Schnell hatten sie das wenige Gepäck verstaut und machten sich auf den Weg.
Obwohl es bereits spät in der Nacht war, herrschte eine außergewöhnliche Betriebsamkeit auf den Straßen Sumanos. Fedora erblickte im Schein eines aus einem Hauseingang flackernden Lichtes Medaz. Sie lenkte ihr Pferd zu ihm hinüber.

”Könnt Ihr mir vielleicht erklären, was in diese Leute gefahren ist?”

Langsam drehte Medaz sich um, umfaßte das Zaumzeug von Fedoras Pferd und begann das Tier zu streicheln. ”So spät noch unterwegs? Ihr habt noch nicht gehört, was geschehen ist? Dennoch sehe ich, daß Ihr zur Abreise bereit seid.” Er lächelte spöttisch, die Ironie in seiner Stimme war nicht zu überhören.

”Medaz, bitte! Keine Spielchen. Ich muß sofort zurück nach Tizio. Der Priesterrat wurde geschlossen!”

Medaz schnaubte abfällig “ Was ihr sagt ist nicht schlimmer als die Nachricht, welche mich erreichte. Vor wenigen Stunden traf die Kunde ein, das die Curie in Tizio geschlossen wurde. Wie ihr bereits bemerkt habt, machen sich einige Ratsmitglieder völlig überstürzt daran zurückzureisen.” Er zeigte mit einer ausholenden Handbewegung auf die inzwischen völlig überlaufene Straße.

”Das kann doch nicht wahr sein!” Fedora erschrak. Wenn doch, welche Folgen konnten daraus entstehen? Was hatte das Ganze zu bedeuten? War eine Rückreise für die Schwestern unbedenklich? Das ganze Land konnte sich in ein Tollhaus verwandeln.

Sie gab sich einen Ruck.

”Werdet Ihr noch länger hier bleiben?”

”Ich denke, noch einige Tage.” Antwortete der Mann.

”Medaz, ich möchte Euch um einen Gefallen bitten. – Ich ...wenn ihr abreist, ... können meine Schwestern Euch dann begleiten? ...Es wäre mir wohler, wenn ich wüßte, das sie nicht ganz schutzlos unterwegs sind ...Ihr habt doch bestimmt Eure eigenen Schutztruppen dabei? ... Die Schwestern machen sich schon bereit,...” Verlegen hielt sie inne, ihre Gedanken überschlugen sich.

”Nun”, Medaz´ Stimme war ausgesprochen freundlich. ”Wer bin ich denn, daß ich mich den Wünschen der Agia widersetzen würde?” Fedora wollte sich gerade bedanken, als er seinen Kopf vorbeugte. Er blickte auf Gaetano, der anscheinend kurz vorm Platzen stand, und legte vertraulich eine Hand auf die von Fedora.

”Ich bitte Euch jedoch zu bedenken, ...” flüsterte er ihr zu”... daß Ihr mir dann auch einen kleinen Gefallen schuldet.” Er blickte an ihr vorbei und beobachtete die Reaktion des Leibwächters. Medaz` Grinsen wurde breiter.

”Wie könnt Ihr ....” Ihr verschlug es die Sprache. Nach einer Weile hörte sie sich selber sagen:

”Mein lieber Medaz, wenn es in meiner Macht steht, den Gefallen einzulösen, welchen ich Euch nun Schulde, so möge dies geschehen. Könntet Ihr bitte den Schwestern meinen Wunsch, mit Euch zu Reisen, mitteilen. Hier, ” sie zog einen kleinen Ring von ihrem Finger. ”Gebt ihm Ojora, dann wird sie wissen, daß Eure Nachricht der Wahrheit entspricht. Sie würde sonst unter keinen Umständen mit Euch gehen. Und nun entschuldigt mich bitte. Der Weg bis Tizio ist noch weit.” Sie versuchte, ganz kühl und ungerührt zu scheinen, aber weder ihre Stimme noch ihre Hand wollten gehorchen.

Medaz nahm den Ring entgegen. ”Ihr wollt wirklich heute Nacht noch aufbrechen?” Aller Spott war aus seiner Stimme verschwunden.

”Ich habe keine andere Wahl.” Sie gab ihrem Pferd zu verstehen, das es nun endlich weiter gehen würde und langsam setzte es sich in Bewegung.

Noch einmal drehte sie sich um. ”Achtet gut auf meine Frauen und die Kinder. Sollte ihnen die geringste Kleinigkeit zustoßen ...!” Sie straffte ihre Schultern und ritt ohne sich noch einmal umzusehen weiter.
Ohne Hast zog sich Marzella vom Fenster in den Schutz des dunklen Zimmers zurück.
”Durena! Wie konntest du die Sicherheit der Frauen, die Sicherheit deines Kindes in die Hände dieses X‘schac‘tal[3] legen? Ich verstehe dich nicht!” Gaetano blaffte Fedora verärgert an.

”Das mußt du auch nicht ... mir blieb keine andere Wahl. Ungewöhnliche Zeiten verlangen ungewöhnliche Maßnahmen. Ich muß ihm vertrauen.” Fedora versuchte, ruhig zu bleiben.

Gaetano stieß einen unartikulierten Wutschrei aus.

”Du hattest sehr wohl eine Wahl! Du hättest sie in Sumano lassen können!”

”Nein, das kann ich nicht! Sobald wir angekommen sind, werde ich versuchen, ihnen weiteren Schutz entgegen zu schicken. Und jetzt hör auf, mir Vorhaltungen zu machen! Dafür ist keine Zeit. Außerdem ist dein Ton mir gegenüber alles andere als Respektvoll!” Wütend funkelte sie ihn an.
Sie ritten noch eine Weile, bis Fedora sicher war, das niemand sie sehen konnte. Dann hielt sie an und stieg von ihrem Pferd. ”Wir machen schon eine Rast? Stimmt etwas nicht?” Gaetano war verwirrt, nahm aber dennoch den ihm hingehaltenen Zügel in die Hand.

”Nein, es ist alles in Ordnung.” Dann stellte sie sich mit erhobenen Händen hin und murmelte einige Sätze in einer Sprache, die der Mann nicht verstand. Kurze Zeit später erschien vor ihnen ein Feuerwirbel.

”Bringe uns sofort nach Tizio. In den Garten von den Schwestern des Lichts.”

Nachdem der Rauch verschwunden war, zeugte nichts mehr davon, was hier geschehen war.
”Kore!” Laut rufend rannte Fedora durch die Gänge des Konvents auf der Suche nach ihrer Freundin.

Diese ließ nicht lange auf sich warten und eilte der Agia entgegen. ”Wie gut, daß du schon hier bist. Die ganze Stadt spielt verrückt. Stell dir vor, man hat nicht nur den Priesterrat geschlossen, auch die Curie ist betroffen. Es heißt, es wird nicht länger geduldet, daß man hier eigenständige Entscheidungen trifft. Wir hätten uns zu sehr von den Idealen des Imperiums freigemacht.”

Eilig gingen sie in Fedoras Gemächer.

”Ich kann noch immer nicht glauben, was ich höre. Gibt es noch mehr schlechte Nachrichten?”

"Nun, die Steuern wurden verdreifacht und ....” Kore stockte.

”Ja?”

”Es wurde begonnen, Kinder in den Krieg zu schicken.” Fedora erfaßte ein Schwindel und Gaetano mußte sie stützen. ”Sag, daß das nicht wahr ist.”

”Das würde ich nur zu gerne. Die Truppen brauchen Soldaten und diese nehmen sie sich einfach. Die Erwachsenen reichen ihnen nicht.”

Fedoras Magen verkrampfte sich. Sie streifte rasch ihre Reisekleidung ab, zog sich dann ein dunkles Kleid über und ergriff einen Umhang. ”Ich muß sofort mit Quint sprechen.” Sie drehte sich um und ging.

”Fedora! Nein, das kannst du nicht. Draußen ist es bereits dunkel. Es wurde eine Ausgangssperre verhängt.” Kore hielt ihren Arm fest.

”Ich lasse nicht zu, daß man meine Freiheit einschränkt.”

”Aber ... Fedora, wir leben hier in einer Strafkolonie, vergiß das nicht. Ich bitte dich, warte bis morgen.” Sie sah sie flehend an. Angst spiegelte sich in ihren Augen wieder. Zu viel war in den letzten Nächten geschehen.

”Nein, das kann ich nicht. Gaetano, du wirst hierbleiben.”

”Mit Sicherheit nicht!” erwiderte der Mann zornig. ”Ich ...”

”Du wirst machen, was ich dir befehle!”

Wütend sah sie ihn an. So hatte Gaetano die Ehrwürdige Mutter noch nicht erlebt. In diesem Augenblick verhielt sie sich, wie ein Herr zu seinem Sklaven. ”Verhalte dich ruhig und unauffällig. Meinst du, ich lasse zu, daß an einem Eingeborenen ein Exempel statuiert wird? So weit wird es nicht kommen. Und DU,” sie funkelte Kore an, ”läßt sofort meinen Arm los!”

Nachdem Fedora gegangen war, schauten sich Kore und Gaetano verwundert und sprachlos an.
Leise klopfte eine in einen dunklen Umhang gehüllte Gestalt an die Pforte des Tempels Aece’tjpos[4] . Vorsichtig spähte die Gestalt in die Dunkelheit. Niemand hatte sie bis jetzt bemerkt. Noch einmal klopfte sie an.

Zögernd wurde die Pforte geöffnet.

Das Gesicht eines jungen Priesters erschien in dem schmalen Spalt. ”Was kann ich für Euch tun?” fragte er leise.

”Ich muß mit Quint Pintus sprechen, sofort.”

”Das ist unmöglich ...”

Oh, Maldito. Warum mußte ihr jeder widersprechen?

”Hör mir genau zu. Wenn du mich nicht sofort einläßt, werde ich dafür sorgen, daß du aus dem Orden fliegst, haben wir uns verstanden? Und nun laß die Agia hinein.” Sie hatte diese Worte geflüstert, aber deutlich konnte man ihren Zorn heraus hören. Der junge Priester zweifelte keinen Augenblick daran, daß die Agia ihre Drohung in die Tat umsetzen würde.

"Verzeiht. Bitte tretet näher.” Er öffnete die Pforte eben so weit, daß die Frau hinein schlüpfen konnte. Danach schloß er sie eilig.

”Bitte folgt mir, Ehrwürdige Agia.”

Warum nicht gleich so?

Nach einer Weile kamen sie an eine reich verzierte Tür, der junge Priester klopfte an und verschwand dahinter. Wenige Augenblicke später öffnete er sie wieder und ließ Fedora ein. Eine letzte, tiefe Verbeugung und er verschwand, froh darüber, nicht benötigt zu werden.

”Seid Ihr wahnsinnig, mitten in der Nacht hierher zu kommen? Kore wird Euch doch mit Sicherheit über alles informiert haben?” Mit schnellen Schritten kam der alte Mann auf sie zu und zog sie zur Begrüßung an sich. Dann hielt er Fedora eine Armeslänge von sich weg, betrachtete sie eingehend. ”Es tut gut, Euch wiederzusehen. Ihr seht blendend aus.” In seinem Gesicht mischte sich Erleichterung mit Besorgnis.

”Das wird sich schnell ändern. Eigentlich sollte ich mit Euch kein Wort mehr reden.” Sie hatte viel kühler sein wollen. Aber er sah wirklich so aus, als ob er sich um sie sorgte.

”Wer wird denn so nachtragend sein? Ihr müßt eingestehen, daß es eine gute Idee war, Euch zur Erholung fortzuschicken.” Er lächelte und dies verlieh ihm einen gütigen Gesichtsausdruck.

”Tja. Eine schlimme Sache ist hier geschehen.” Abrupt ließ er sie los und ging zu einem kleinen Tisch, auf dem Wein und Gläser standen. Schweigend goß er zwei Gläser voll und drückte ihr ungefragt eines in die Hand. ”Keiner kann sagen wie das Ganze ausgehen wird.” Er leerte sein Glas mit einem Zug und schenkte sich erneut ein. Mit einer Geste forderte er die Agia auf, sich zu setzen.

”Wann fing alles an?” Fedora sah beunruhigt die dunkeln Ringe unter Pintus´ Augen und die tiefen Falten in seinem Gesicht.

”Vor etwa zehn Tagen. Sie stürmten in die Ratssitzung und verkündeten, daß ab sofort jegliche Art von Priesterzusammenkünften verboten seien. Wir mußten das Gebäude verlassen und seit dem ist es geschlossen.

Sogar Treffen verschiedener Orden wurden unterbunden. Wir stehen alle unter Beobachtung. Um so gefährlicher ist Euer Besuch hier.” Quint lachte auf: ”Denkt Euch. Selbst die Feierlichkeiten zu Ehren der Götter sind untersagt. Es bestünde dabei ein unüberschaubares Menschenaufkommen.”

Auf einmal schmeckte der Wein nach Essig. ”Und ich dachte, es könnte nicht mehr schlimmer kommen.”

”Das ist doch noch lange nicht alles. Von was sollen die Menschen denn ihre Steuern bezahlen, die ins Unermeßliche gestiegen sind.” Verbissen schaute er auf das Glas in seiner Hand.

Fedora holte tief Luft und starrte ungläubig den alten Priester an.

”Warum habt ihr mich nicht früher über die Geschehnisse informiert ...?” meinte sie matt.

Aber Quint ging nicht auf die Frage ein.

”Aus Dithorno kommen noch weitere Anweisungen. Da die Regierung über zu wenig Soldaten verfügt, werden alle Männer, auch Kinder, welche das zwölfte Lebensjahr erreicht haben, zum Dienst verpflichtet.

Wie Ihr Euch denken könnt, sind die armen Familien am meisten betroffen. Staatstreue Bürger haben nicht viel zu befürchten. Sie besitzen genügend finanzielle Mittel, um sich loszukaufen oder ihren Kindern ein angenehmeres Leben in der Armee verschaffen zu können.

Alle Anweisungen hängen mittlerweile in den Provinzen an jeder Mauer. Vom Protector unterschrieben.” Quint schnaufte empört.

Fedoras Magen hob sich erneut. Übelkeit stieg hoch und ein scharfer Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus.

”Vom Protector unterzeichnet? Das kann einfach nicht stimmen! Ich ... ich muß zu ihm. Er wird mir einiges erklären müssen.” murmelte sie in Gedanken versunken.

”Ich hätte noch eine Frage. Was unternehmen die Orden gegen diese Ungeheuerlichkeit?"

”Nichts.” Quint schaute die Frau aus einer Mischung aus Neugierde und Vorsicht an.

”Was soll das bedeuten? Nichts?” Die Priesterin war verwirrt.

”Es bedeutet, daß man sich den Verordnungen fügt. Wir sind hier, um unsere Götter zu loben und zu preisen, nicht, um in das weltliche Geschehen einzugreifen.” Der Tonfall war überraschend sanft, aber er sah sie nicht an.

Fedora lachte verächtlich. ”Seit wann haben sich die Orden den diesem Kodex unterworfen? Quint, was ist los mit Euch? Was erzählt Ihr einer Mutter, der man das Liebste genommen hat, was einem Vater, der nicht weiß, wie er seine Familie ernähren soll? Oder den man in einen Krieg schickt, von dem er noch nicht mal weiß um was es geht? Was der Seele eines Kindes, wenn es Euch nach dem Grund für seinen unnötigen Tod fragt?” Tränen schimmerten in ihren Augen und sie stand so ruckartig auf, daß ihr Stuhl umfiel.

”Wenn ihr alle Eure Hände untätig in den Schoß legen wollt, so ist dies Eure Angelegenheit. Aber ich werde nicht nur zusehen.” Wütend stand sie vor ihm. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt.

”So kann ich nur raten, paßt auf Euch auf.” Erneut nahm er Fedora in die Arme. Kurz drückte er sie an sich, küßte sie zum Abschied auf die Wange.

Diesen Satz höre ich in letzter Zeit öfter, dachte sie beunruhigt.
Quint Pintus rieb sich nachdenklich seinen Bart. Er mochte diese Frau. Nur zu gerne hätte er ihr von dem Widerstand erzählt, der sich in den letzten Tagen unter den Priestern entwickelt hatte, aber zu viel stand auf dem Spiel. Sie war eine Vertraute des Protectors, diese Tatsache war allgemein bekannt. Auch wenn sie sich ihm gegenüber so erbost und vollkommen überrascht gegeben hatte, hieß das noch lange nicht, daß sie von all dem nichts gewußt hatte oder es am Ende doch noch gut heißen würde. Zwar zeugten ihre bisherigen Taten von einer anderen Sprache. Aber konnte er ihr deswegen vertrauen? Sie war eine Fremde in diesem Land. Nein, er hatte sich schon einmal in einem Menschen geirrt und wurde dadurch bitterlich enttäuscht. Ein zweites Mal beging er diesen Fehler nicht.
‘LUCIUS! Wenn ich dich in die Finger kriege. Schickst mich schön von hier weg. Das war ein guter Plan. Aber das kannst du nun wirklich nicht machen. Nicht mit mir.‘
”Halt! Wer ist da?” Eine Männerstimme hallte durch die Nacht. Fedora hatte die Wache zu spät bemerkt, da sich plötzlich ein eisiger Nebel über die Gassen gelegt hatte. Nun befand sie sich auf dem Platz der Noctuna

[5] und die Nebelschwaden verflogen. Wo auch sonst, wenn nicht hier, mußte man sie entdecken.

Die Wache kam näher heran. ”Gebt Euch zu erkennen!”

Fedora schob die Kapuze, welche ihr Gesicht verborgen hatte, zurück.

”Ihr kommt mit uns.” Der Soldat warf nur einen flüchtigen Blick auf ihr Gesicht.

”Untersteht Euch, mich mitnehmen zu wollen!” Wütend fauchte sie ihn an, aber der lachte nur. Er und die anderen Wachen hatten in den letzten Nächten schon einiges erlebt, aber dies war das Amüsanteste. ”Nun macht keinen Ärger Weib und begleitet uns.” Grob faßte einer der anderen Soldaten nach ihrem Arm und wollte sie mit sich ziehen.

Fedora wehrte sich und versuchte, sich aus dem Griff des Mannes zu befreien. ”Wie könnt Ihr es wagen Hand an mich zu legen?” Zornig funkelte sie die Männer an, welche erschrocken einige Schritte nach hinten gingen. Es war, als würden sie von kleinen Flammen durchbohrt. In diesem Moment bog ein weiterer Mann um die Ecke, welcher kurz das Geschehen beobachtete und dann schnellen Schrittes hinzueilte

”Was geht hier vor, Olan?[6]” Die Stimme donnerte seinem Gegenüber ins Gesicht.

Erschreckt wandte sich die Wache von Fedora ab und das unangenehme Gefühl, was sich in ihnen ausgebreitet hatte verschwand. Sofort nahmen sie Haltung an. ”Wir haben eine Verdächtige Person aufgegriffen. Gerade wollten wir sie in Gewahrsam nehmen.”

Der Legionär schluckte und begann zu schwitzen. Der D‘ascas Conius Corvin, der neue Heerführer der Truppen, stand vor ihm.

”Wie ich sehe, gelingt Euch das nicht!”

Wie soll ich meine Befehle ausführen, wenn diese Tölpel noch nicht einmal mit einer Frau fertig werden?

An Fedora gewandt, meinte er nur ”Was macht ihr hier? Ihr wißt genau, daß nach Anbruch der Dunkelheit niemand sein Heim zu verlassen hat!”

Warum muß dieser Mann auftauchen? Mit den beiden Wachen wäre ich ja noch fertig geworden. Aber dieser Legionär sieht nicht so aus, als würde er mich einfach laufen lassen.

”Vielleicht seid Ihr ja vor lauter Pflichtbesessenheit erblindet, so daß Ihr mich nicht erkennt? Ich bin die Agia. Ich war unterwegs, um einem Menschen zu helfen, der diese Hilfe benötigte. Dazu verpflichtet mich mein Gelöbnis, welches ich einmal gab. Und ja, ich weiß, daß ich um diese Zeit nicht mehr unterwegs sein darf. Wie mir scheint, habt Ihr noch nie etwas von Nächstenliebe gehört.” Blanker Haß und Zorn schlugen dem Mann entgegen. Sie hatte ihre Gefühle nicht mehr unter Kontrolle.

Über Conius Corvins Gesicht huschte ein hämisches Grinsen. ”Die Agia, wie? Nun, kann es sein, das Ihr mit den Anordnungen, welche nun gelten, nicht einverstanden seid? Irgend etwas lag in Eurer Stimme, die mich das vermuten läßt.”

”Da habt Ihr wohl richtig gehört. Ihr scheint zwar blind, aber nicht taub zu sein. Das läßt ja noch Platz für ein wenig Hoffnung.” Die Wache starrte sie mit offenem Mund an.

Der D’ascas schien diesen Satz nicht wahrzunehmen. ”Habt Ihr einen Passierschein?”

Oh, nein. Ein Passierschein! Fedora schüttelte ihren Kopf.

”Und ich nehme an, das ihr mir nicht den Namen desjenigen nennen wollt, der Eurer so dringend bedurfte?”

Die Agia ohne Passierschein, mitten in der Nacht, das ist interessant.

”Ihr seid schlauer als ihr ausseht.”

Auch dies überhörte der D’ascas. ”Fedora Lor’ca. So ist doch Euer Name, nicht wahr?”

Sie nickte abermals.

”Dann allerdings, sollten wir uns auf der Wache weiter unterhalten.” Er drehte sich abrupt um.

Die beiden Wachen blieben wie angewurzelt stehen.

Der D‘ascas bemerkte das Zögern der Männer. ”Was ist los? Die Frau ist festgenommen!” Er winkte ungeduldig mit seiner Hand.

Auch Fedora entging das Zögern der beiden Wachsoldaten nicht.

”Ich verlange von Euch, den Protector davon zu unterrichten, was heute Nacht geschehen ist. Und ich möchte nicht in Eurer Haut stecken, wenn er von anderer Seite davon erfährt.”

Was bildet sich diese Person eigentlich ein? Der D‘ascas funkelte sie zornig an. Niemand wagt es, seine Anordnungen in Frage zu stellen. ”Wen ich wann über was informiere, überlaßt Ihr besser mir. Und nun rate ich Euch dringend, mitzukommen. Weitere Beleidigungen werde ich nicht dulden. Ansonsten lasse ich Euch gleich hier wegen Mißachtung eines militärischen Befehls und wegen Hochverrates aufhängen. Haben wir uns verstanden?” Seine Stimme war bedrohlich leise geworden.
Seit Tagen saß Fedora nun schon in diesem feuchten Kerker fest. Es wurde ihr noch nicht einmal gestattet, eine Nachricht in ihren Orden zu schicken.

Man hatte sie über alles Mögliche ausgefragt. Es galt, aufzuklären, ob sich die Priester gegen die Belange des Reiches gestellt hatten. Dann befragte man sie zu dem Verschwinden des Tempels des Golrooxquos. Außerdem war sie bekannt dafür, daß sie gerne Anweisungen ignorierte. Und das sich die Agia Nachts, trotz Ausgangssperre herumtrieb, warf ebenfalls kein gutes Licht auf sie. Da den Soldaten ihre Aussagen nicht genügten, hatte man sie in den Kerker gesperrt. Einmal am Tag kam dieser Conius Corvin bei ihr vorbei. Sie haßte sein überhebliches Gehabe. Er fragte nie etwas. Er setzte sich ihr nur gegenüber und beobachtete sie. Sonst nichts. Nach einer kleinen Ewigkeit ging er dann genauso wortlos, wie er gekommen war.

Oh, ich könnte mir die Zunge herausreißen. Warum hatte sie nicht einfach ihr vorlautes Mundwerk halten können? Hätte sie doch bloß bis zum Morgen gewartet. Oder wenigstens an einen Passierschein gedacht. Maldito! Was war eigentlich mit ihr los? So überstürzt hatte sie ja noch nie gehandelt. Ihre Gefühle und Emotionen drehten anscheinend vollkommen durch. So konnte sie nichts erreichen. Hoffentlich macht Gaetano keinen Unsinn.

Die Zellentür öffnete sich und Fedora wußte schon, wer herein kommen würde. Ein neuer Tag, ein altbekannter Besucher.

Lässig schritt der Soldat herein. Hinter ihm wurde die Tür wieder geschlossen und verriegelt. Er nahm seinen Helm ab und legte ihn vorsichtig auf eine Pritsche. Dann schnallte er sein Schwert ab und legte es, eine Lücke lassend, ebenfalls darauf. Fedora kannte diese Prozedur und beachtete ihn schon gar nicht mehr. Er machte sie wahnsinnig damit, und das war zweifelsohne seine Absicht. Sie vernahm ein Knarren, ein untrügliches Zeichen dafür, daß er nun Platz genommen hatte.

So saßen sie sich nun schweigend gegenüber.

Der Priesterin wurde bewußt, daß ihre Kleidung inzwischen einen unangenehmen Geruch angenommen hatte. Ein Bad wäre jetzt genau das richtige. War ihre Tochter schon in Tizio? Ein Gedanke jagte den nächsten. Nur nicht zu ihm hinsehen, sonst würde sie vor Wut anfangen zu schreien.

Corvin saß nur da und starrte die Frau an. In den letzten Tagen hatte er sie intensiv studieren können. Wenn sie nichts zu verbergen hatte, warum benahm sie sich dann so seltsam?

So, wie jeden der letzten vier Tage, erhob er sich nach etwa einer Stunde, legte sein Schwert wieder an, setzte seinen Helm auf und klopfte an die Zellentür. Bevor er ganz hinausgegangen war, verfehlte ihn ein Trinkbecher um Haaresbreite, krachte gegen den Türrahmen, verspritzte einige Tropfen Wasser und fiel scheppernd zu Boden. Ungerührt ging der Mann weiter. Als sich die Tür hinter ihm schloß, lag ein breites Grinsen auf seinem Gesicht. Der wachhabende Olan schaute ihn verdutzt an.

”Unser Gast scheint mit unserer Verpflegung nicht einverstanden zu sein. Ab heute wird sie gar nichts mehr bekommen.”

Der Olan nickte zum Zeichen, das er verstanden hatte.
Medaz traf in Tizio ein und der alte Marcellus ließ ihn sofort zu sich rufen.

”Mein alter Freund, warum bist du so ungeduldig, mich zu sehen?” Parz betrat den Raum des Familienoberhauptes. Schwere Vorhänge verwehrten jeglichen Blick nach draußen. Das Kerzenlichte flackerte gespenstisch über Marcellus´ Gesicht und er sah aus, als wäre er um Jahre gealtert. ”Geht es dir nicht gut?” Besorgt kam Medaz näher.

”Nein, mein Sohn, es ist nichts.” Der alte Mann winkte Parz noch näher heran. Mein Sohn? Was stimmt hier nicht? Marcellus hatte ihn noch nie so genannt.

”Was ist mit dir?” Alarmiert kam Parz näher.

Der alte Mann klopfte auf einen Sessel, der neben seinem stand. Einige Staubwolken flogen hoch. ”Setz dich hierher und höre mir bitte genau zu. Dort auf dem Tisch liegen einige Gegenstände, welche du mitnehmen und sorgsam verwahren sollst. Ebenfalls liegen dort meine Tagebücher. Ich möchte, daß du sie liest. Außerdem habe ich Vorkehrungen getroffen, was nach meinem Tod geschehen soll.”

”Marcellus! Wie kannst du so etwas nur sagen ...”

Dieser hob eine Hand. ”Laß mich ausreden, mein Sohn. Eine Abschrift meines Testaments liegt bei den Sachen auf dem Tisch. Eine zweite, gleiche, habe ich bei einem Beamten hinterlegt. Ich möchte vermeiden, daß man behauptet, du hättest damit etwas zu tun. Deshalb geschah das ganze während deiner Abwesenheit.” Der alte Mann hustete stark.

”Ich werde Hilfe für dich holen lassen.” Parz war aufgesprungen und wollte einen Bediensteten rufen.

”NEIN! Bleib hier und hör mir zu. In einigen Tagen wird es mir schon wieder besser gehen.

Trotzdem... Du wirst jetzt diese Sachen nehmen und zu niemandem ein Wort darüber verlieren. Und nun geh, laß mich allein.” Ungeduldig deutete er mit einer Hand zum Tisch hinüber.

”Was immer du von mir verlangst.” Verwirrt ging Medaz zu dem Tisch und erkannte sofort, was für ihn bestimmt war. Erneut blickte er besorgt auf den alten Mann. Er nahm die Gegenstände an sich, doch ehe er das Zimmer verlassen konnte, rief Marcellus ihn noch einmal zurück.

”Es wird dich sicherlich interessieren, daß man die Agia ins Gefängnis gesteckt hat.”
Zur selben Zeit hatte sich Fedora gerade auf ihrer Pritsche ausgestreckt, als sich ein brennender Schmerz über ihre Brust ausbreitete. Sie griff unter ihr Gewand und zog das Amulett hervor. Seit dem Kampf gegen Golrooxquos hatte sie es nicht mehr abgelegt. Nun glühte es weißlich. Was bedeutet das? Noch einmal flackerte es kurz auf und dann lag es wieder silbrig in ihrer Hand. Ein Schmerz in ihrem Nacken, den sie nur zu gut kannte, verstärkte sich.
Am nächsten Tag betrat Corvin abermals die Zelle. Diesmal hatte er jedoch noch einen Becher mit Wasser dabei. Er stellte ihn in die Mitte des Raumes. Dann setzte er sich, wie immer, auf die Pritsche.

Fedora hatte so einen verdammten Durst. Warum hatte sie diesem Mann auch ihren Trinkbecher an den Kopf schmeißen müssen? Doch sie würde sich eher ihre Adern aufkratzen und ihr eigenes Blut trinken, bevor sie einen Schluck Wasser von diesem Mann annahm.

Nachdem die Zeit um war, stand Corvin auf, nahm den Becher und drehte ihn um. Das Wasser floß auf den Boden und versickerte rasch. Halb in der Tür blieb er stehen und ohne sich umzudrehen meinte er. ”Einen Namen.”
Jede Nacht bekam Fedora Alpträume. Sie hörte immer ein unmenschliches Brüllen. Sie kannte es, hatte es schon einmal gehört. Nein, sie hatte es fühlen können. Als sie das Ei in ihren Händen gehalten hatte. Es kam ihr so vor, als wäre das Ganze vor einer Ewigkeit geschehen.

In ihren Träumen rannte sie durch den Nebel und konnte den richtigen Weg nicht finden. Verzweifelt suchte sie ihn. Sie sah ein Licht in der Ferne, doch sie erreichte es nie.

Unruhig wälzte sie sich hin und her. Abermals fand sie den Weg nicht. Ihre Brust brannte. Dann überkam sie ein Glücksgefühl von solcher Reinheit und Klarheit, daß es weh tat. Aber schnell wurde es von einem unglaublich starken Schmerz überlagert. Jemand flüsterte ihren Namen, verlangend, fordernd. Wieder und wieder.

Ein Schrei hallte von den Kerkerwänden zurück.

Schweißgebadet wachte sie auf. Es war ihre eigene Stimme, die Fedora gehörte hatte. Ihr Atem ging schneller. Sie stand auf, nur um sich wenig später in eine dunkle Ecke zu setzen. Sie zog ihre Beine an ihren Bauch und klammerte sich mit ihren Armen daran fest. Wirr und naß hingen ihre Haare im Gesicht. Mit weit geöffneten Augen starrte sie in die Dunkelheit. Tränen liefen über ihre Wangen.
Neun Tage waren bereits vergangen und Fedora hockte immer noch in ihrer Zelle. Sie fühlte sich schmutzig und elend. Nicht nur äußerlich.

Corvin saß ihr gegenüber und starrte sie unentwegt an. Sie vermied es, ihn anzusehen. Sein freches Grinsen war nicht mehr zu ertragen. Plötzlich stand sie auf. Alles war besser, als einfach nur dazuhocken. Langsam umkreiste sie den Becher auf dem Boden.

Corvin hob interessiert eine Augenbraue. Sie blieb stehen. Würdevoll, mit hoch erhobenem Kopf stand die Agia vor dem Becher und schaute Conius Corvin an. Dann hob sie ihren Fuß ein klein wenig und schubste den Becher um. Er kullerte davon und das Wasser verteilte sich auf dem Boden.

Corvin schnaufte hörbar. Mit wenigen Schritten war er bei Fedora und riß sie grob an ihren Handgelenken nahe zu sich.

”Ihr werdet reden, dafür sorge ich schon noch.”

Kühl sah sie ihn an. ”Dann wünsche ich Euch viel Glück dabei.”
”Was macht unsere Gefangene?” Conius stand an einem Fenster seines Raumes und starrte in die Mittagssonne. Seine Hände hatte er lässig hinter dem Rücken verschränkt. Er war einige Tage nicht in Tizio gewesen.

”Nicht viel. Jede Nacht hallen ihre Schreie durch das Gewölbe und tagsüber wandert sie ruhelos in der Zelle auf und ab.”

”So scheint sie ja noch am Leben zu sein.” meinte er kalt. ”Heute wird mein Mahl für zwei sein. Wenn alles fertig ist, führe die Gefangene in meine Räume.”

”Natürlich. Wie Ihr befehlt.” Danach entfernte sich der Legionär.

Conius starrte nach draußen. Die Menschen in dieser Provinz reagierten schnell auf Dinge, die ihnen nicht gefielen. Seine Informanten konnten schon einige Tage nach bekanntwerden der Befehle aus Dithorno feststellen, daß sich Widerstand gebildet hatte. Leider waren sie nicht schlau genug gewesen, Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen, welche für sie tödlich endeten.

Hätte diese Frau, diese Agia nicht so zornig reagiert, er hätte sie mit Sicherheit laufen lassen. Jetzt wollte er herausfinden, wo sie in jener Nacht war, und warum sie so beharrlich darüber schwieg. Immerhin war sie die Agia und vertrat somit den Priesterrat. Wer sonst, wenn nicht sie, konnte ihm alle nötigen Informationen geben?

Bald würde sie ihm alles erzählen, was sie wußte, dessen war er sich sicher. Sie war nicht die erste, die unter seinen Methoden zusammenbrechen würde.

In Tizio hatte es sich herumgesprochen, daß die Agia festgenommen worden war. Jeden Tag erschien eine der Schwestern, aber niemand durfte zu der Gefangenen. Auch eine Taktik, die ihn schon oft zum Erfolg geführt hatte. Er besaß Zeit, jede Menge Zeit.

Daß sie den Protector persönlich kannte, beeindruckte ihn nicht. Er war ein Mann, der sich aus Titeln und Würdenträgern nicht das Geringste machte. Außerdem hatte dieser die Proklamation selber verfaßt. Sicherlich würde es auch den Protector interessieren, was die Agia wußte.
”Mitkommen.” Die Wache bellte den Befehl in die Zelle. Fedora sah verwundert zur Tür.

”Los Beeilung.” Der Mann zog sie unsanft am Arm und führte sie schnellen Schrittes aus dem Gewölbe heraus, nach oben. Fedora hob eine Hand vor die Augen. Sie hatte kaum Licht dort unten in ihrer Zelle und die plötzliche Helligkeit blendete sie.

Die Wache klopfte an eine Tür und öffnete sie. ” Die Gefangene, D‘ascas Corvin.”

”Danke. Bringt sie herein und wartet draußen.”

Fedora blieb schwankend stehen. Die Gerüche, welche ihr entgegen strömten, raubten ihr die Luft zum atmen. Ein Schmerz durchfuhr ihren Bauch und sie versuchte, ihre Hände nicht davor zu halten.

”Kommt näher.” Sie erblickte Corvin. Er saß da, mit einem gebratenen Yopokschenkel in der Hand, und deutete ihr damit, wo sie sich hinstellen sollte. Dann biß er herzhaft in das Fleisch.

In letzter Zeit war er nicht mehr gekommen. Dafür hatte man ihr aber jeden Tag einen halben Becher Wasser gebracht. Fedora stolperte nach vorne, bis sie ihm gegenüber stand. Sie sah, daß für zwei Personen gedeckt war.

”Wenn Ihr mir verratet, wo Ihr in jener Nacht gewesen seid, gehört dies alles Euch.” Er nahm einen Becher zur Hand und trank den Inhalt mit einem Zug aus.

”Setzt Euch.” befahl Corvin.

Fedora schüttelte ihren Kopf und blieb stehen.

Der D’ascas zog eine Augenbraue nach oben. ”Einen Namen. Mehr möchte ich von Euch nicht hören.” Er stand auf und umkreiste langsam die Priesterin. ”Das kann doch nicht so schwer sein. Oder wollt Ihr einfach nicht begreifen?” Er blieb vor ihr stehen.

Schweigend sah sie an ihm vorbei. Gerade so, als würde sich hinter seinem Rücken etwas befinden, was sie mehr faszinierte, als seine Worte.

”Habt Ihr Euch schon einmal überlegt, was mit Eurem Orden geschehen kann?” Er kam näher heran. Leise flüsterte er ihr zu. ”Oder mit Eurem Kind?”

Sie ballte ihre Hände zu Fäusten, ihre Nasenflügel bebten. ”Wenn Ihr meiner Tochter etwas antut, seid Ihr ein toter Mann.” erwiderte sie eben so leise, aber es klang nicht weniger gefährlich.

”Den Namen!”

Fedora schloß ihre Augen und schwieg. Unkontrolliert überkamen sie diese Gefühle. Sie hörte ein Weinen. Ein Weinen von vielen. Sie sah Blut und Tränen. Sie spürte Angst. Der Tod war greifbar. Sie schwankte. In diesem Moment wurde ihr klar, das sie mit aller Macht und so lange sie lebte, gegen diesen Staat kämpfen würde. Sie würde den Menschen und dem Land die Freiheit bringen, da war sie sich sicher. Ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht.

Nein, vor diesem Mann, der das Militär des Reichs des Feuers auf so grauenhafte Weise verkörperte, werde ich nicht kriechen.

”Ich bitte darum, wieder in meine Zelle gebracht zu werden.” Die Agia sprach mit ruhiger Stimme. Dann öffnete sie ihre Augen und betrachtete ihn gütig.

Erschrocken wich der D’ascas einige Schritte zurück. Ein Leuchten hatte sich über die Frau gelegt. Schweiß perlte über seine Stirn. Was geschieht hier? Trotz ihres mittlerweile herunter gekommenen Aussehens, strahlte sie plötzlich eine nicht menschliche Würde und Kraft aus. Ihre Blicke trafen sich und ihm war, als würde sie sein Innerstes erforschen.

Fedora schien völlig verändert. Sie trat einen Schritt auf ihn zu. Ihre Stimme klang dunkel und drohend.

”Ihr ahnt ja gar nicht, mit wem Ihr Euch angelegt habt.” Die Luft um sie herum verdunkelte sich. Sie streckte einen Arm nach vorne, ballte ihre Hand zu einer Faust und zog sie schnell zurück, gerade so, als halte sie darin Fäden. Corvin stolperte auf Fedora zu.

”Ich rate Euch dringend, mich freizulassen. Und mich dann nie wieder zu belästigen, sonst ...” Fedora berührte die Brust des Mannes und ein stechender Schmerz durchzog seinen Körper.

”WACHE !!!”

Ein Olan erschien. "Ja!”

Fedora blickte sich um und das Strahlen in ihren Augen verschwand. Alles schien wieder vollkommen normal zu sein. Corvin bemerkte sofort, das ihre Kraft unterbrochen war.

”Bringt die Frau zurück in Ihre Zelle, sofort!”

Nachdem Corvin alleine war, rang er um Fassung. Er hatte in seiner Dienstzeit schon einiges erlebt, doch so etwas noch nicht. Er griff hastig nach seinen Becher Wein und leerte diesen mit einem Zug. Sofort schenkte er sich nach. Mit zitternder Hand fuhr er über die Stirn und entfernte sich die Schweißperlen.

”Wache!” Erneut kam ein Legionär herein. ”Hole mir sofort Mamercus.”
Kurz nachdem Fedora sich wieder in ihrer Zelle befand, mußte sie sich übergeben. Was war passiert? Ohne ihr Dazutun hatten die Dinge ihren Lauf genommen. Sie zitterte am ganzen Körper.

Sie wünschte, es gäbe einen Weg, hier heraus zu kommen.

Was mache ich eigentlich hier?

Wie lange sie es an diesem Ort noch aushalten konnte, wußte sie nicht.

Ihre Brust brannte wieder und Fedora zog das Amulett hervor. ”Warum glühst du immer so?” In ihrem Kopf hämmerte es und er schien platzen zu wollen. Sie hörte einen Schrei.

”Neeeiiiiin!!! Laß mich in Ruhe!” brüllte sie heraus. Die Wände drehten sich, schneller und schneller. Der gesamte Kerker verschwamm vor ihren Augen. Dann wurde es Dunkel. ...
Corvin stieß die Zellentür auf und gemeinsam mit Mamercus betrat er den Raum. Doch dieser war leer.

”Wie kann das sein?” fragte Mamercus seinen Vorgesetzten.

Corvin reagierte nicht auf die Frage. Er drehte sich wütend um und verschwand.
Die Dunkelheit zog sich zurück, der Nebel lichtete sich. Fedora blickte verwirrt umher und traute ihren Augen kaum. Sie befand sich tatsächlich in einem Badezimmer. Weiße, mit Marmor verkleidete Wände und Säulen, wohin sie schaute. Die Wände waren mit Fresken verziert, manche dezent, manche weniger. Überall standen Liegen aus dunklem Holz mit kleineren Tischen und verschieden große Becken. Kleine Springbrunnen vervollständigten das Bild.

Becken und Springbrunnen bedeuteten Wasser. Ohne sich weiter mit ihrer Umgebung zu beschäftigen stürzte sie sich auf das lang entbehrte Naß. Immer mehr der köstlichen Flüssigkeit ließ sie die ausgedorrte Kehle hinunter fließen, bis die Menge, die sie getrunken hatte, dem Inhalt des Binnenmeeres entsprach. Sie wischte sich mit ihrem Arm das Wasser von den Mundwinkeln, welches daran herunter geflossen war.

Wirklich ein großes Badezimmer, dachte sie sich und kein Vergleich mit der Zelle in Tizio, in der sie gerade eben noch gewesen war. Bevor Fedora sich weiter über ihren Aufenthaltsort Gedanken machen konnte, wurde sie durch ein kräftiges Räuspern unterbrochen.

Sie fuhr herum. Ihre Augen begannen gefährlich zu leuchten.

Ihre Wünsche waren Wirklichkeit geworden. Dort stand Lucius. Bevor er den Satz ”Wie siehst Du denn aus!” beenden konnte, stürzte sich die Priesterin mit Gebrüll, welches an eine wütende, wahnsinnige, Wildkatze erinnerte, auf den überraschten Protector und würgte ihn.

Er hatte Schuld an allem, dieser Mistkerl.

Allzu weit kam sie mit ihrem Mordabsichten nicht, denn man trennte beide. Asceo hatte Fedora gepackt und zog sie vom Protector fort. Sie schrie vor Wut und streckte ihre Arme in die Richtung von Lucius.

”Laß mich los, Maldito! ... Ich werde ihm die Augen auskratzen ... Bij lúz ... Maldito ...tù peqúenó t’chútchó ... Sa’grato Mjerda[7] ...!!!”

Sie fluchte lauthals und versuchte sich loszureißen. Asceo hielt sie aber so fest, daß es ihr nicht gelang. Langsam beruhigte sie sich.

Ki’ansi half dem nach Luft schnappenden Protector auf die Beine. Er zog verwundert eine Augenbraue in die Höhe, sagte jedoch kein Wort.

Nachdem Fedora allmählich wieder ihre Beherrschung wiedererlangte, ärgerte sie sich über sich selbst. Wie konnte sie nur derart reagieren? Was stimmte mit ihr nicht?

”Ist schon gut. Du kannst mich los lassen.” Asceo blickte erst auf Fedora und dann auf Lucius. Als dieser leicht mit dem Kopf nickte, kam er ihrer Aufforderung nach.

Wahrscheinlich hatte der D’ascas ”vergessen” zu erwähnen, daß sie im Kerker Tizios saß und der ausnahmsweise unschuldige Lucius hatte gerade erst davon erfahren. Wehe ihm, wenn es anders sein sollte. Diese Bande von Strolchen hatte sie auf eine Art befreit, die typisch für sie war, aber ... mußte es ausgerechnet ein Badezimmer sein. Warum kein Speisesaal?

”Weiß einer, wie wir hierher kommen?” Asceo klang verwirrt. Er blickte noch einmal kurz zur Agia, wandte sich dann aber den anderen zu.

”Ich nehme normalerweise die Treppe. Aber heute…”, sagte der Protector, den Zwischenfall ignorierend.

”Aber ihr habt mich doch…”, setzte Fedora verwundert an.

Alle redeten wild durcheinander, da störte ein lautes Knacken das Geplapper.

Abrupt breitete sich Stille aus, nur durchbrochen von dem hellen Ton der entstand, als Asceo seine Waffe zog. Alle fuhren herum und waren bereit sich der Gefahr zu stellen.

Doch wo war die Gefahr? Vor ihnen stand nur das Ei.

Das Ei, welches die Männer aus einem Toquatekentempel als Andenken mitgebracht hatten und das sie aus einer Laune heraus begonnen hatten auszubrüten. Keiner hätte je geglaubt, daß etwas aus dem Ei schlüpfen würde. Doch jetzt durchzogen dünne Risse die Schale und etwas schien von Innen zu drücken. Die ersten Splitter begannen abzuplatzen und fielen zu Boden.

Erst jetzt bemerkten sie, daß jeder der Anwesenden ein ähnlich gearbeitetes Amulett um den Hals trug, welche alle angefangen hatten zu leuchten.

Keiner wagte auch nur zu atmen. Die ehrfurchtsvolle Stille wurde unerwartet von Asceo unterbrochen: ”Wenn es Mama! zu mir sagt, bringe ich es um!”

Immer größer wurde die Öffnung und das gleiche Licht, welches auch aus den Amuletten leuchtete, strahlte aus dem Ei. Etwas schien sich im Innern zu bewegen. Etwas, das herauswollte. Ein letztes Knacken, dann war die Öffnung groß genug und ein kleiner echsenartiger Kopf auf einem langen, dünnen Hals lugte hervor: ‚Ma...!”

Ein ”..pa” kam von einem zweiten Kopf, dann erschienen ein dritter, ein vierter und sogar ein fünfter Kopf. Alle Köpfe schnatterten wild durcheinander, ein Wort, welches der eine begann, beendete ein anderer. Schnell beruhigten sie sich und begaben sich daran, den Rest der Schale zu zerstören. Wer mehrere Körper erwartet hatte, wurde enttäuscht. Nur ein Leib war es, in dem alle Hälse endeten. Heraus kam eine kleine Echse mit fünf Köpfen und einem langen Schwanz. Die Schuppen glänzten in einem warmen Grün-Braun und jeder der Köpfe besaß, im Licht der Fackeln betrachtet, eine andere Schattierung. Von diesem Wesen schien keine Gefahr aus-zugehen. In drei der Anwesenden breitete sich ein Gefühl von Frieden und Vertrautheit aus, so als ob dieses Wesen ein alter Freund sei, den man schon immer gekannt hatte.

Nur der vierte verhielt sich anders.

Ki’ansi war bleich wie ein Leichentuch geworden. Einer der Köpfe sah ihn an, aus den Augen funkelte Neugier. Nun bemerkte ihn ein zweiter Kopf und es dauerte nicht lange, da war der Magier Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller Köpfe. Er bekam Atemnot und glitt langsam zu Boden.

Der Blick des Wesens hatte sich geändert. Aus Neugier war Wissen geworden und Verständnis. Ki’ansi ertrug diesen Blick nicht länger, fiel endgültig auf die Knie, vor Verzweiflung laut schluchzend. Eine Träne rann an seiner Wange hinab, groß und grün-milchig leuchtend. Auf ihrem Weg hinab löste sie sich langsam auf. Nun drückte der Blick Vergebung aus. Ki’ansi hielt nicht länger stand und stürzte aus den Thermen. Sofort schnatterten die Köpfe erneut miteinander.

Keiner der Anderen hatte auch nur den Schimmer einer Ahnung, was hier gerade vor sich gegangen war. Fedora wollte dem Magier hinterhereilen, doch der Protector hielt sie zurück. ”Wir sollten uns erst mal um ‚Was auch immer das ist’ kümmern. Er wedelte hilflos mit der Hand in Richtung der Köpfe. “Der Kleine kommt schon zurecht.” Die Agia sah ihn fassungslos an. Wieder einmal verstand sie nicht, wie ein Mensch so kühl und pragmatisch sein konnte, aber sie sah widerwillig ein, daß er Recht hatte.

”Auf dieses Ding hier paßt die Beschreibung einer Hydra”, meinte Lucius. Asceo nahm den Faden auf ”Hat einer von euch bei den Mythen der Toquateken oder eines anderen Stammes von einer Hydra gehört? ... Ich nicht!” Er schaute skeptisch auf das Geschnatter vor sich.

”Was sollen wir mit der ‚Hydra’ machen?” Die Männer sahen verblüfft zu Fedora hinüber. Deren Stimme war sanft geworden, entschieden zu sanft für ihren Geschmack. “Wir können sie doch nicht einfach hier alleine lassen?”

Sie war näher an das Tier herangetreten und streichelte liebevoll einen der Köpfe. Dieser reagierte ausgesprochen entzückt und schloß genüßlich die Augen. Sofort stellten die anderen Köpfe ihr Geschnatter ein und schauten ein wenig neidvoll dieser Liebkosung zu. Mit einem kollektiven Seufzer sahen sie bittend zu Fedora hoch.

”Wir werden sie aufziehen.” meinte Lucius nur. ”Aber vorher befragen wir den MAGHAN.”

Er schien sich zu konzentrieren. Lucius hatte vor, einen Feuerdämon zu rufen, der ihn ins Sanktum tragen sollte. Nach einer ganzen Weile öffnete er die Augen ”Es geht nicht.” stellte er verblüfft fest. ”Ich kann keinen Feuerdämon rufen, der uns ins Sanktum bringt. Es ist unmöglich, eine Verbindung aufzubauen!”

Fedora verstand die Aufregung nicht. Einen Feuerdämon herbei zu rufen war keine Kunst, aber was war dieses Sanktum?

Nacheinander versuchten auch die anderen Männer ihr Glück, doch keinem gelang das Erwünschte.

Es gab keinen Weg ins Sanktum. Die Verbindung zum MAGHAN und dem Cron'Mar war erloschen!

Epilog

Drei Menschen saßen ziemlich erschöpft in einem Speisesaal des Palastes. Zuvor hatten sie das Neugeborene gefüttert. Es war faszinierend gewesen festzustellen, daß jeder der Köpfe einen anderen Geschmack hatte. Einer bevorzugte Fleisch, der andere Obst. Ein weiterer war auf Fisch eingeschworen, der Vierte mochte Gemüse. Der fünfte Kopf war ein Süßmaul, er liebte Honig und Kandiertes.

Als die Hydra endlich satt war und nach einer letzten Liebkosung jedes einzelnen Kopfes eingeschlafen war, kam auch Fedora dazu, sich zu erholen. Sie aß reichlich, aber nicht gierig. Dabei ließ sie Lucius zu keinem Zeitpunkt aus den Augen, ihr Blick war immer noch wütend und brannte auf seiner Haut. Er hatte zwar inzwischen erraten, daß etwas mit ihr geschehen war, wofür sie ihm die Schuld gab, aber er wußte noch immer nicht, was es gewesen war.

Eine zweite Person war ebenfalls eher schweigsam und mürrischer als sonst: Asceo. Auch ihm schien eine Laus über die Leber gelaufen zu sein.

In dieser bedrückenden Stille ergriff Lucius endlich das Wort.

“Was habe ich getan?”

“Was du getan hast? Gute Frage. Erst schließt du den Priesterrat und die Curie in Tizio. Dann verhängt dein D’ascas ein Ausgangsverbot und ....” Asceo machte eine kurze Pause, ”...und sperrt unsere Agia in den Kerker. Wegen Verletzung der Ausgangssperre und ihrem ...”

Er lächelte. ”...losem Mundwerk.”

”Mein WER hat WAS?” Der Protector war für wenige Augenblicke sprachlos, ein Zustand, der nicht oft eintrat.

”Dein geschniegelter Zinnsoldat, den du einfach vor meine Nase gesetzt hast ...” begann Asceo und Fedora beendete den Satz: ” ... und der mich eingesperrt hat und nun seit mehreren Tagen versucht, Namen der Widerstandsbewegung von mir zu erfahren. Maldito, was für eine Widerstandsbewegung? Er hat doch sicherlich nicht ohne Befehl gehandelt, oder?” Ihre Stimme wurde mit jedem Wort lauter und die Stimmung begann, sich erneut aufzuheizen.

”Das ist nicht mein Zinnsoldat. Er ist ein reichstreuer Legionär und das ist alles was zählt. Wenn er sich in Tizio aufführt, als gehöre ihm die Welt, wird man das Reich noch mehr hassen lernen. Und du, Asceo, wirst erneut der Retter Tizios sein ... wenn die Zeit reif dafür ist. Es war besser, dir nichts zu sagen. Deine Abneigung wirkte dadurch natürlicher.” Lucius schaute Verständnis heischend zu Asceo. Dieser begnügte sich damit in seinen Pokal zu starren und nichts zu erwidern.

Zur Untätigkeit Verdammt! Tizio geht so langsam vor die Hunde, anstatt zu einem neuen Tarcy zu werden, wie er es versprochen hatte. Natürlich wußte Asceo, daß all dies geschehen mußte. Immerhin stammte dieser Teil ihrer Pläne von ihm. Die Sarinkai hatten ebenfalls von ihm verlangt, untätig zu bleiben. Trotzdem war ihm nicht wohl, Fedora leiden zu lassen. Märtyrertum war seine Aufgabe. Gleichwohl war ihm bewußt, daß seine Stunde kommen würde.

Nur dieses Geschöpf hatte er nicht vorhersehen können und auch die Seherinnen hatten geschwiegen, obwohl er sich nicht vorstellen konnte, das ihnen diese Vielköpfige Scheußlichkeit verborgen geblieben war.

Das Band aus Haar um seinen Hals fing wieder an auf seiner Haut zu brennen.

”Und jetzt erzählst du uns noch das Märchen, wie du die Welt erschaffen hast, wir trinken alle unsere warme Milch und gehen brav ins Bettchen.” Fedoras Stimme triefte vor Hohn. ”Das mache ich mit meiner Tochter, aber mit mir kannst du das nicht machen.”

”Ich wußte wirklich nichts davon, daß man dich eingesperrt hat.” Lucius Stimme war sanft und sein Blick mitfühlend: ”Ich bedaure alles, was dir widerfahren ist. Bitte verzeih mir.”

Ein erneutes Schnaufen unterbrach ihn. ”Corvin wird für seine Eigenmächtigkeit büßen, aber jetzt noch nicht. Im Moment ist es nützlicher, ihn dort zu lassen, wo er ist. Bitte glaub mir.”

”Kannst du mir auch sagen, was ich jetzt machen soll? Zurück nach Tizio gehen um Corvin alles zu erklären?” Sie war immer noch wütend.

”Das wäre, glaube ich keine so gute Idee. Du bist immerhin aus dem Kerker entkommen. So wie ich Corvin einschätze, dürfte er auf dich schon ein Kopfgeld ausgesetzt haben.” Er kratzte sich verlegen am Kopf.

”Du meinst ...” schockiert sah Fedora zu Lucius.

”Ja.” Lucius blickte betreten in seinen Becher.

Sie holte tief Luft. ”Nun gut Lucius, dann sage ich dir Folgendes: Ich bin nicht gewillt, das alles länger hin zu nehmen.” Sie blickte sich um und ein gefährliches Funkeln war in ihre Augen getreten: ”Ich weiß nicht, was eure Pläne sind, aber ich werde gegen diesen Staat mit allen mir zu Verfügung stehenden Mitteln kämpfen ... entweder mit oder ohne euch, das schwöre ich."

Fedora sah in die Gesichter der Männer. Diese wichen ihrem Blick aus, wußten nicht, wo sie hinschauen sollten. Sie verstand und verlegte sich aufs Bitten.

”Meint ihr nicht, ein wenig Ehrlichkeit wäre nun angebracht? Verlange ich zuviel von euch wenn ich gerne wüßte, warum dies alles geschieht? Ich hätte ein ruhiges und beschauliches Leben führen können. Ohne euer Dazutun hätte ich im Rat niemals die Wahl gewonnen ... Sa’grato mjerda ... Lucius! ... Du hast dies alles von langer Hand geplant ...?” In plötzlichem Verstehen wirbelte Fedora herum und deutete mit vor Wut bebendem Finger auf ihn.

”Natürlich”, erwiderte Lucius knapp. Fedora sank auf ihren Stuhl zurück. Sie glaubte, ihren Ohren nicht trauen zu können. Völlig gelassen goß sich Scaevola Wein ein und trank davon, bevor er weiter sprach. ”Das Reich kämpft mit dem Rücken zur Wand. Ihm gehen Geld und Soldaten aus und da besann man sich auf die ach so ungeliebten Kolonien. Jeden Tag saugt die Alte Welt unsere Heimat mehr und mehr aus. Doch in den Augen der Bevölkerung sind WIR das Reich. Wenn die Volksseele überkocht, werden wir mit ihm untergehen und alles verlieren, was uns hier so lieb und teuer ist. Was ich tat und tun werde ist notwendig für unser aller Überleben!” Er lehnte sich zurück und sah sie abwartend an.

Fedora war fassungslos. Sie war die ganze Zeit nur benutzt worden. Sie war die Einzige, die nicht in ihr normales Leben zurückkehren konnte. Ihre Tochter, die Mädchen ... Sie hatte gedacht, diese Männer wären ihre Freunde.

”Wenn Fiona etwas geschieht, bringe ich dich um.” Fedoras Stimme war nicht viel mehr als ein Flüstern, aber ihr Ton und ihr Blick waren eisig. ”Die Marionette hat soeben die Fäden durchschnitten, mein ….Freund.”

Asceo zuckte bei der Betonung dieses Wortes zusammen und warf einen Blick auf Scaevola. Der Protector hatte seinen Kopf gesenkt, die Hände in einer wehrlosen Geste weit ausgebreitet.

Minuten vergingen, in denen man eine Stecknadel auf den Marmor des Speisesaals hätte fallen hören können. Dann setzte Fedora das liebenswürdige Lächeln einer angriffsbereiten Kobra auf, ihre Augen glänzten gefahrvoll. “Wenn wir nun schon dabei sind, das Reich zu hintergehen, meine Freunde, dann könnt ihr mir doch auch sagen, wer ich bin?"

Die Männer blickten sich peinlich berührt an.

“Weißt du, ...” begann Asceo, “Es ist nämlich so ...”

“... Du bist die Agia Fedora Lor’ca. Von den Schwestern des Lichts. Was davor war, bleibt besser unausgesprochen.” beendete Lucius das Gestammel. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß er diese Diskussion als beendet betrachtete.

“Sa’grato Mjerda, lé lócó gu’sanós ....xucjós truh’án ... !!![8]” fluchte Fedora ein letztes mal.

Den Rest des Mahles beschlossen sie schweigend. Jedes weitere Wort wäre an diesem Abend zuviel gewesen. Allen war klar, daß die letzte Runde des Spieles begonnen hatte und es würde lange dauern, sie zu beenden.
In einem der Laboratorien im Keller des Palastes sah es aus, wie auf einem Schlachtfeld. Überall lagen zersplitterte Flaschen und Destillen. Kleine Seen aus einer milchig grünen Flüssigkeit hatten sich auf dem Boden gebildet und lösten sich nun langsam auf. In einer Ecke, hinter einer Werkbank, kauerte Ki’ansi; und sein Schluchzen war lang und klang verzweifelt ...
  1. Siehe Geschichte: Sturm der Gefühle
  2. Terzijn: Schwachsinnger Sch...
  3. Schakal
  4. Gottheit der ungebändigten Urkraft
  5. 5 Noctuna: Herrin der Nacht, Schwester und Gefährtin von Golrooxquos
  6. Olan = Soldat (Reich des Feuers)
  7. Beim Licht verdammt, du kleine Kröte, ... heilige Sc ...
  8. Ihr verrücktes Gewürm ... Dreckige Gauner ...